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Politik

Haft für Stalinismus-Forscher verlängert

27. Dezember 2021

Menschenrechtler betrachten den Prozess gegen Juri Dmitrijew als politisch motiviert. Der russische Historiker hatte Verbrechen aus der Sowjetzeit enthüllt.

Russland Petrosawodsk Städtisches Gericht | Prozess gegen Yuri Dmitriyev
Der Historiker Dmitrijew musste sich immer wieder vor Gericht verantwortenBild: Peter Kovalev/TASS/dpa/picture alliance

Ein Gericht in der russischen Stadt Petrosawodsk hat die Haft für den Menschenrechtler Juri Dmitrijew erneut verlängert. Wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, wurde das Strafmaß für den Stalinismus-Forscher wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs auf 15 Jahre erhöht. Ein früheres Urteil gegen Dmitrijew hatte dreieinhalb Jahre Haft vorgesehen. Später wurden 13 Jahre Gefängnis festgesetzt.

Der 65 Jahre alte Historiker hatte für die renommierte Menschenrechtsorganisation Memorial gearbeitet, gegen die Russlands Justiz derzeit vorgeht. Er machte Verbrechen unter Sowjetdiktator Josef Stalin öffentlich und geriet damit ins Visier des politischen Machtapparats. Seine Untersuchungen führten zur Entdeckung eines Massengrabes mit den Überresten von rund 9000 Menschen, die zur Zeit der UdSSR erschossen worden waren. Memorial stuft Dmitrijew als politischen Gefangenen ein.

Spannungen zwischen Moskau, Berlin und Paris

Der Wissenschaftler und Aktivist war 2016 unter dem Vorwurf festgenommen worden, er habe kinderpornographisches Material besessen. Vor Gericht gab er an, mit Nacktfotos seiner Adoptivtochter deren Wachstum dokumentiert zu haben. 2018 wurde er freigesprochen. Eine höhere Instanz hob den Freispruch später auf.

Im Visier des politischen Machtapparats: Juri Dmitrijew im Gerichtssaal in PetrosawodskBild: Peter Kovalev/TASS/dpa/picture alliance

Im vergangenen Jahr führte der Fall zu diplomatischen Spannungen mit Deutschland und Frankreich. Die Regierungen in Berlin und Paris kritisierten die verhängte Haftstrafe. Ihre Botschafter wurden daraufhin ins russische Außenministerium einbestellt, das einen "Akt der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation" beklagte.

Druck auf Gegner des Präsidenten

Memorial war Ende der 1980er Jahre von sowjetischen Dissidenten gegründet worden; auch der Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow gehörte zu diesem Kreis. Das Netzwerk besteht aus zahlreichen Organisationen in Russland wie auch in anderen Staaten. Es setzt sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors zu Zeiten der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Bürgerrechte im heutigen Russland ein.

Die Justiz stufte die Dachorganisation von Memorial als "ausländischen Agenten" ein. Am Dienstag soll der Oberste Gerichtshof in Moskau über die mögliche Auflösung des Netzwerks verhandeln. Kritiker werfen den Behörden vor, mit dem Vorgehen gegen Memorial gezielt den Druck auf Gegner des Präsidenten Wladimir Putin zu erhöhen.

jj/fab (dpa, afp)