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Politik

Haftars Truppen wollen Sirte erobert haben

6. Januar 2020

Milizen des abtrünnigen libyschen Generals Haftar sind in die Hafenstadt Sirte vorgerückt. Derweil befasst sich der Sicherheitsrat mit dem Konflikt, der mit der Entsendung türkischer Truppen in eine neue Phase eintritt.

Kämpfer von Haftars LNA im Dezember in Bengasi
Kämpfer von Haftars LNA im Dezember in BengasiBild: Getty Images/AFP/A. Doma

Im Kampf um die Kontrolle über das Bürgerkriegsland Libyen haben die Truppen des libyschen Generals Chalifa Haftar nach eigenen Angaben die Hafenstadt Sirte eingenommen. Haftars selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) teilte mit, die Stadt von "bewaffneten Milizen säubern" zu wollen. Auch die Luftwaffenbasis im Süden der Stadt sei eingenommen worden. Die LNA rief Bewohner dazu auf, sich von Milizen und Kämpfen fernzuhalten. Sirte liegt am Mittelmeer auf etwa halber Strecke zwischen Tripolis im Westen und Bengasi im Osten. Die Stadt wird von Milizen kontrolliert, die auf Seite der international anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch stehen.

Während in Sirte gekämpft wurde, befasste sich in New York der UN-Sicherheitsrat mit der Lage in Libyen. Denn die angebliche Eroberung Sirtes fällt mit der Entsendung türkischer Truppen zusammen, die die Regierung von Al-Sarradsch gegen Haftars Kämpfer unterstützen sollen - und die internationale Gemengelage ist kompliziert. 

Bild: picture-alliance/dpa/M. Elias

Ägypten und Saudi-Arabien kritisierten die Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan scharf. Das ägyptische und das saudische Außenministerium sprachen von einem "eklatanten" Verstoß gegen internationales Recht und bestehender UN-Resolutionen. Beide Länder unterstützen in Libyen Haftar, dessen Truppen seit Monaten versuchen, die Hauptstadt Tripolis einzunehmen. Ägypten hat unter anderem Waffen an Haftars Truppen geliefert. 

Gespräche in Kairo

Ägypten lud nun die Außenminister aus vier Mittelmeerländern zu Gesprächen über den Konflikt ein. Zu dem Treffen in Kairo am Mittwoch seien die Außenminister Frankreichs, Italiens, Griechenlands und Zyperns geladen, teilte das ägyptische Außenministerium mit. Dabei sollte über die Entwicklungen in Libyen und Schritte zu einer Lösung des Bürgerkriegs gesprochen werden. Kairo sieht die türkische Militärintervention als "Angelegenheit der nationalen Sicherheit Ägyptens".

Demonstration gegen eine türkische Intervention am Freitag in der libyschen Hafenstadt Bengasi Bild: Reuters/E. O. Al-Fetori

Erdogan hatte am späten Sonntagabend in einem Interview des Senders CNN Türk gesagt, dass erste Truppen bereits entsandt würden. Wie viele Soldaten nach Libyen gehen, blieb zunächst unklar. Klar ist: Kämpfen sollen die türkischen Militärs, darunter ein General, nicht. Erdogan sprach von Koordinationsaufgaben in einer "Operationszentrale". Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge geht es auch um Ausbildungs- und Schulungsprogramme und den Austausch von technischem Wissen und Erfahrung.

Libyens Premier Al-Sarradsch (l.) mit dem türkischen Präsidenten ErdoganBild: picture-alliance/AP Photo/Turkish Presidency

Erdogan betonte, das Ziel sei nicht, zu "kämpfen oder einen Krieg (zu) führen", sondern die "legitime Regierung" zu unterstützen. Es gehe darum, eine "Waffenruhe in Libyen zu gewährleisten" und dem Land zu einem politischen Prozess zu verhelfen.

Unklarer Auftrag

Trotzdem wird die Türkei Einfluss nehmen auf die Kampfhandlungen: "Als Kampftruppen werden wir dort andere Teams haben, sie werden nicht aus unseren Soldaten bestehen", sagte Erdogan, ohne zu erklären, wer damit gemeint ist. Manche Beobachter sagen, dass sich von der Türkei unterstützte syrische Milizionäre in Libyen aufhalten. Erdogans Bemerkungen könnten daraufhin deuten.

Kämpfer von Haftars LNA im Dezember in BengasiBild: Getty Images/AFP/A. Doma

Abzuwarten bleibt inwieweit sich das Kräfteverhältnis im Kampf um Tripolis verschiebt. Haftar und seine LNA kontrollieren den Osten des Landes, wo auch das Parlament seinen Sitz hat. Sie starteten vor acht Monaten eine Offensive auf Tripolis, scheinen aber zu schwach, um die Stadt selbst einzunehmen.

Beerdigung von 30 bei einem Luftangriff getötete Militäranwärter der anerkannten Regierung am Sonntag in TripolisBild: picture-alliance/AP Photo/H. Ahmed

Haftars Truppen sollen auch von Russland unterstützt werden. Der UN-Sonderbeauftragte Ghassan Salamé hatte sich vergangenen Monat "sehr besorgt" gezeigt wegen der angeblichen russischen Beteiligung. Das Land wird geradezu überschwemmt mit Waffen, immer wieder verstoßen Staaten gegen das bestehende UN-Waffenembargo. Auch die USA haben politischen Rückhalt für Haftar signalisiert. Frankreich wird ebenfalls vorgeworfen, Haftar zu bevorzugen.

Streit um Rohstoffe

Für Erdogan ist die Allianz mit der international anerkannten Regierung von Al-Sarradsch auch ein Hilfsmittel im Streit um Energiereserven im Mittelmeer. Aus Sicht der Türkei hatten Anrainer im Streit bisher unerschlossene, aber milliardenschwere Erdgasreserven unter sich aufgeteilt, ohne Ansprüche der Türkei zu berücksichtigen. Im November unterzeichnete die Türkei zwei Abkommen mit Libyen. Dabei ging es einerseits um die militärische Zusammenarbeit, andererseits auch um Seegrenzen zwischen der Türkei und Libyen im Mittelmeer. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.

Chalifa Haftar im Mai 2018Bild: Imago/J. Mattia

Ägypten bezeichnete die türkisch-libyschen Vereinbarungen als "illegitim". Auch Griechenland und Zypern kritisieren besonders das maritime Abkommen zwischen den beiden Staaten, da sie ihre eigenen Rechte in der Region verletzt sehen.

Mit dem direkten Eintritt der Türkei in den Konflikt droht Libyen sich in einen der gefährlichsten Stellvertreterkriege in der Region zu entwickeln. Acht Jahre nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi versinkt das Land immer tiefer in den Kämpfen um die Macht. Terrorgruppen wie der "Islamische Staat" und Al-Kaida erstarken im Chaos. Zugleich ziehen unzählige Migranten durch den Wüstenstaat in der Hoffnung, Europa über das Mittelmeer zu erreichen.

stu/sti (dpa, afp)

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