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Politik

Haftbefehle nach Ausschreitungen in Leipzig

3. Januar 2020

Drei Polizisten wurden in der Silvesternacht in Leipzig tätlich angegriffen. Nun hat das Amtsgericht der Stadt vier Haftbefehle erlassen. Gleichzeitig ist eine Debatte über den Polizeieinsatz entbrannt.

Neujahr - Zusammenstöße zwischen Linksautonomen und Polizei in Leipzig
Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Den vier Beschuldigten im Alter zwischen 27 und 32 Jahren, die sich alle bereits in Polizeigewahrsam befinden, werden unter anderem tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vorgeworfen, nicht jedoch versuchter Mord. Als Mordversuch stuft die Staatsanwaltschaft allerdings eine weitere Attacke auf einen Polizisten ein, der bei den Ausschreitungen an einer Leipziger Straßenkreuzung im Stadtteil Connewitz nach Behördenangaben schwer verletzt wurde. Insgesamt ermitteln Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt derzeit gegen 13 Verdächtige.

Bei den Angriffen im linksalternativ geprägten Connewitz waren mehrere Polizisten verletzt worden. Die Beamten waren nach Polizei-Angaben kurz nach Mitternacht aus einer Gruppe heraus massiv angegriffen worden. Die Ermittler vermuten Linksextremisten hinter dem Angriff. Bei dem Einsatz wurde einem 38 Jahre alten Beamten nach Angaben der Polizei der Helm vom Kopf gerissen, so der sächsische Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar. 

Der Leipziger Stadtteil Connewitz in der SilvesternachtBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Doch keine Not-Operation

Die Polizei in Leipzig wandte sich gegen einen Zeitungsbericht, wonach sie mit ihren Angaben zu dem ins Krankenhaus eingelieferten Polizisten möglicherweise übertrieben haben könnte. Der Beamte sei "schwer verletzt" und habe "dringlich operiert" werden müssen, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Allerdings revidierte die Leipziger Polizei inzwischen eine Aussage, die sie am Neujahrstag getroffen hatte. Bei dem verletzten Polizisten habe es keine Not-Operation gegeben. Das sagte Polizeisprecher Andreas Loepki MDR Aktuell. Zunächst hatte es in einer Polizeimeldung vom Neujahrstag geheißen, dass ein schwer verletzter Polizist im Krankenhaus notoperiert werden musste. In der Silvesternacht sei dies der Kenntnisstand gewesen, so Loepki. Eine lebensbedrohliche Verletzung habe aber nicht vorgelegen.

Die Polizei müsse sich den "Schuh anziehen, dass es sicherlich besser gewesen wäre, von einer operativen Maßnahme zu sprechen statt von Not-OP", so Loepki. Dem Polzisten geht es nach Angaben von Sachsens Innenminister Roland Wöller besser, er habe an diesem Freitag das Krankenhaus verlassen.

Über den Polizeieinsatz in Leipzig wird weiter gestrittenBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Streit um Polizeitaktik

Unterdessen ist unter Politikern verschiedener Parteien ein Streit über die Einordnung des Polizeieinsatzes in Leipzig ausgebrochen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte gefordert, den Polizeieinsatz zu überprüfen. "Im Sinne der Polizeibeamten muss jetzt schnell geklärt werden, ob die Einsatztaktik angemessen war", sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liegt die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister." 

Die SPD-Vorsitzende verwies auf die Berliner Polizei, die aufgrund der Erfahrungen bei vergleichbaren Ausschreitungen am 1. Mai oder zu Silvester über die Jahre eine Deeskalationsstrategie entwickelt habe. Esken hob zugleich hervor, dass ihre Partei die von den Randalierern ausgeübte Gewalt in Leipzig verurteile. "Es ist schrecklich, dass ein Polizist so schwer verletzt wurde", sagte sie. Landespolizeipräsident Kretzschmar wies Vorwürfe zurück, die Polizei habe in der Silvesternacht keine Deeskalationsstrategie angewandt. Wer dies behaupte, sei "einfach auf dem falschen Pfad unterwegs". 

Deutliche Kritik an Eskens Aussage übte auch FDP-Chef Christian Lindner. Unmittelbar nach so einem Einsatz falle die SPD den Beamtinnen und Beamten in den Rücken, twitterte der Bundesvorsitzende. "Wer für uns die Knochen hinhält, sollte den Rücken gestärkt bekommen. Hier werden Täter und Opfer vertauscht", hieß es in der Nachricht weiter. 

Auch aus Eskens eigener Partei kam Kritik. Der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel schlug auf Twitter vor, angesichts der massiven Silvestergewalt besser über die Gewalttäter zu reden. "Die muss man politisch, medial und mit Polizei und Justiz bekämpfen statt aus der Ferne über die Strategie der Polizei zu schlaumeiern", kritisierte der Ex-Vize-Kanzler.

Ob das jetzt die Aktion fünf Prozent sei, fragte unterdessen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ebenfalls über den Kurznachrichtendienst. "Sind immer die anderen schuld? Oder kann man Extremisten einfach mal so nennen und ihren Angriff verurteilen?", monierte die Unionspolitikerin weiter.

Sachsens Innenminister Wöllner nach einem Treffen mit Leipziger PolizeibeamtenBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Angriff auf den Rechtsstaat 

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sieht nach dem Angriff auf drei Polizisten in der Silvesternacht eine neue Stufe linksextremer Gewalt erreicht. Man müsse zur Kenntnis nehmen, "dass diese Gewaltausbrüche nicht nur Sachen betreffen, sondern dass sie gezielt Menschenleben gefährden", sagte Wöller in Leipzig nach einem Treffen mit beteiligten Beamten. "Das ist eine neue Dimension", erklärte Wöller: "Wir werden das nicht hinnehmen." 

Man werde weder in Sachsen noch in Leipzig rechtsfreie Räume dulden. Angriffe auf Polizisten seien Angriffe auf den Rechtsstaat "und damit auch Angriffe auf uns und die friedliche, freiheitliche Gesellschaft", betonte er. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warf derweil der Linkspartei vor, die Attacken auf Polizisten in Leipzig zu verharmlosen. Dass Politiker und Mandatsträger der Linkspartei "sich mit den linksextremen Chaoten solidarisieren, ist ein Skandal", sagte Herrmann der "Passauer Neuen Presse". Linke Kreise, auch Linkspartei-Politiker, hatten der Polizei vorgeworfen, mit ihrem Durchgreifen nach Stein- und Flaschenwürfen provoziert zu haben.

lh/sti (afp, dpa, epd)

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