Haftstrafe für Erdogan-Gegner Imamoglu wegen Beleidigung
16. Juli 2025
Ekrem Imamoglu ist Präsidentschaftskandidat der sozialdemokratischen CHP. In der Türkei gilt er bei der voraussichtlich 2028 abgehaltenen Wahl als wichtigster Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Doch gegen Imamoglu laufen eine Reihe von Verfahren.
Nun wurde der im Frühjahr abgesetzte Istanbuler Bürgermeister wegen Beleidigung und Bedrohung eines Amtsträgers verurteilt. Strafmaß: ein Jahr und acht Monate Haft. Das Gericht in Istanbul sprach Imamoglu zugleich vom Vorwurf frei, einen Staatsanwalt "zur Zielscheibe" gemacht zu haben, wie die Nachrichtenagentur DHA und der Staatssender TRT berichteten.
Haftstrafen dieser Länge müssen in der Türkei in der Regel nicht abgesessen werden. Imamoglu hatten in diesem Fall mehr als sieben Jahre Haft und ein Politikverbot gedroht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Haftstrafe muss von zwei Berufungsgerichten bestätigt werden. Imamoglu befindet sich zurzeit wegen anderer Vorwürfe in Untersuchungshaft.
Zweite Verurteilung wegen angeblicher Beleidigung
Hintergrund des Urteils sind Äußerungen Imamoglus, nachdem das Haus eines Vorsitzenden der Jugendorganisation seiner Partei CHP gestürmt worden war. An den Istanbuler Oberstaatsanwalt Akin Gürlek gerichtet, hatte Imamoglu unter anderem gesagt, dessen Verstand sei "verrottet".
Es ist das zweite Mal, dass ein Gericht gegen Imamoglu wegen Beleidigung von Amtsträgern eine Haftstrafe verhängt. Im Jahr 2022 wurde er zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Grund: Imamoglu hatte Beamte des Wahlvorstands wegen der Entscheidung kritisiert, im Jahr 2019 das Ergebnis der Wahlen in Istanbul zu annullieren. Damals hatte der CHP-Politiker den Kandidaten der regierenden AKP geschlagen. Imamoglu hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Eine Überprüfung durch ein anderes Gericht steht aber noch aus.
Imamoglu streitet alle Vorwürfe ab - auch im aktuellem Fall. "Ich kämpfe gegen den Missbrauch der Justiz und gegen ihre Verwendung als politisches Instrument. Dies ist in der Tat eine Beleidigung unserer Nation", wird der 55-Jährige vom Sender Halk TV und anderen türkischen Medien zitiert.
Imamoglu droht Wahlausschluss
Sollte die Verurteilung aus dem Jahr 2022 aufrechterhalten werden, könnte Imamoglu von der Teilnahme an künftigen Wahlen ausgeschlossen werden. Im März hatte die Universität Istanbul zudem Imamoglus Universitätsdiplom annulliert. Ohne Hochschulabschluss darf er nicht für das Präsidentenamt kandidieren.
Zahlreiche Bürgermeister der größten Oppositionspartei CHP wurden abgesetzt und verhaftet. Oppositionelle sehen dahinter den Versuch der Regierung, sich bei der Lokalwahl 2024 verlorene Posten zurückzuholen. Erdogans AKP landete damals erstmals in ihrer Geschichte bei einer landesweiten Wahl auf dem zweiten Platz hinter der CHP. Die Regierung weist jegliche Einflussnahme auf die Justiz zurück.
AR/se (dpa, rtr, afp)