Der frühere chilenische Staatschef zählt zu den prominentesten Opfern der Pinochet-Diktatur. Erst 37 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod kommen der Mörder und fünf Komplizen nun hinter Gitter.
Anzeige
In der Hauptstadt Santiago de Chile sprach Richter Alejandro Madrid die sechs Männer schuldig, den Politiker Eduardo Frei Montalva 1982 nach einer Operation in einem Krankenhaus vergiftet zu haben. Ein Arzt, der dem Ex-Präsidenten (1964-1970) das Gift verabreichte, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ein zweiter Arzt wurde wegen Komplizenschaft zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Haftstrafen wurden zudem gegen Freis früheren Fahrer, einen Ex-Geheimdienstagenten und zwei Palliativmediziner verhängt.
Emittlungen dauerten mehr als 15 Jahre
Frei war im Januar 1982 im Alter von 71 Jahren an einer plötzlichen Infektion gestorben, als er in einer Privatklinik behandelt wurde. Der Ex-Staatschef und seine christdemokratische Partei hatten zu dem Zeitpunkt als wichtigste Opposition gegen Diktator Augusto Pinochet an Stärke gewonnen.
Die Ermittlungen zu Freis Tod zogen sich über 15 Jahre, sein Leichnam wurde zwei Mal für Obduktionen exhumiert. Untersuchungen zeigten, dass er durch Senfgas und das giftige Metall Thallium ermordet wurde. Die entsprechenden Ermittlungen waren von Freis Sohn Eduardo angestrengt worden, der von 1994 bis 2000 ebenfalls chilenischer Staatschef war. Der amtierende Präsident von Chile, Sebastian Pinera, betonte auf Twitter: "Wir verurteilen diesen Mord mit Empörung."
Mehr als 3200 Menschen ermordet
Während der Pinochet-Diktatur zwischen 1973 und 1990 wurden in dem südamerikanischen Land laut einem offiziellen Bericht 40.018 Menschen inhaftiert, gefoltert oder getötet. Die chilenische Regierung schätzt, dass mehr als 3200 Menschen ermordet wurden, darunter etwa 1200, die spurlos verschwunden sind.
sti/pgr (afp, ap, rtr)
Chile: "Über Folter spricht man nicht"
Nach dem Putsch in Chile 1973 unterdrückte die Junta unter Augusto Pinochet brutal jede Opposition. 45 Jahre später widmet sich die Ausstellung des Fotojournalisten José Giribás in Köln und Berlin den Opfern.
Bild: Jose Giribas
Villa Grimaldi, Santiago de Chile
Im Südosten Santiagos lag dieser Komplex, der von der Militärjunta beschlagnahmt wurde. Der militärische Geheimdienst DINA und dessen Nachfolgeorganisation CNI machten daraus ein berüchtigtes Haft- und Folterzentrum. Etwa 4.500 Personen wurden hier festgehalten, 18 wurden hingerichtet. 226 werden noch vermisst. 1988 wurde das Gebäude zerstört. Heute befindet sich hier eine Gedenkstätte.
Bild: Jose Giribas
Colonia Dignidad
Die Colonia Dignidad ist eine 1961 in der Gemeinde Parral im Süden Chiles gegründete Siedlung, in der sich eine deutsche Sekte befand, die von dem wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder angeklagten deutschen Staatsbürgers Paul Schäfer geleitet wurde. Das Areal wurde während der Pinochet-Diktatur als Haft- und Folterzentrum benutzt.
Bild: Jose Giribas
Adriana Bórquez Adriazola
Als Mitglied der Kommunistischen Partei Chiles wurde sie im April 1975 verhaftet und in die Colonia Dignidad gebracht. Später wurde sie in der Haftanstalt Venda Sexy festgehalten und sexualisierter Folter ausgesetzt. "Ich habe mir nie vorstellen können, dass ein Mensch derartige Erniedrigungen erleiden könnte. Und nie habe ich geglaubt, welche Auswüchse Sadismus erreichen kann."
Bild: José Giribás
Venda Sexy, Santiago de Chile
Das 1974 enteignete Haus wurde vom chilenischen Geheimdienst als Gefängnis für Folter und Ermordungen genutzt. Etwa Hundert Personen wurden hier gefangen gehalten, 32 von ihnen werden noch vermisst. Der Name Venda Sexy beruhte darauf, dass hier festgehaltene Männer und Frauen mit sexualisierter Gewalt gefoltert wurden.
Bild: Jose Giribas
Das Haus Londres 38
Das Haus befindet sich im Zentrum von Santiago, am ursprünglichen Sitz der Sozialistischen Partei Chiles. Von 1973 bis 1975 war es das geheime Haft- und Folterzentrum der DINA. Etwa 2.000 Menschen wurden festgenommen, 84 Männer und 14 Frauen werden noch vermisst. In den späten 1970er Jahren wurde die Hausnummer zu 40 geändert, um das Auffinden zu erschweren.
Bild: Jose Giribas
Oscar Castro Ramírez
Er war 1966 einer der Gründer der Aleph-Theaterschule in Chile. Am 20. November 1974 wurden er und seine Schwester verhaftet und in die Villa Grimaldi gebracht. Einige Tage später gingen seine Mutter und sein Schwager zur Geheimpolizei, um sich zu beschweren. Sie wurden verhaftet und verschwanden spurlos. Nach mehreren Haftstrafen wanderte Oscar Castro 1976 nach Frankreich aus.
Bild: José Giribás
Palacio de las Sonrisas, Punta Arenas
Der "Palast des Lächelns" in der Innenstadt von Punta Arenas war in den 1950er Jahren der Sitz des Roten Kreuzes und ein provisorisches Marinehospital. Von 1973 bis 1976 war es das größte Haft- und Folterzentrum im Süden Chiles. Bis zu 1500 Menschen wurden hier festgehalten und gefoltert.
Bild: Jose Giribas
Haydee Oberreuter Umazabal
Wenige Tage nach der Verhaftung ihrer Mutter und ihrer anderthalb Jahre alten Tochter wurde Haydee in Santiago festgenommen. Sie war im vierten Monat schwanger und wurde zu einer Abtreibung gezwungen. Nach Verhören in verschiedenen Folterzentren wurde sie auf internationalen Druck hin freigelassen. Obwohl ihr mehrere Länder Asyl anboten, blieb sie in Chile.
Bild: José Giribás
Nationalstadion, Santiago de Chile
Kurz nach dem Militärputsch vom 11. September 1973 gab es Massenverhaftungen in Gewerkschaften, Linksparteien, Universitäten und Fabriken. Die Häftlinge wurden in provisorische Gefängnisse gebracht. Das berüchtigste war das Nationalstadion von Santiago, wo rund 40.000 Menschen gefangen gehalten wurden. Etwa 40 wurden hier exekutiert.
Bild: Jose Giribas
Higinio Alfonso Espergue Córdova
Er war Mitglied der Bewegung der revolutionären Linken (MIR) und wurde am 3. April 1975 verhaftet. In der Villa Grimaldi wurde er gefoltert und dann in weitere Haftzentren gebracht. 1976 kam er frei, ging in den Untergrund und wurde 1983 erneut verhaftet. Erst nach dem Ende der Diktatur 1991 wurde er aus der Haft entlassen.
Bild: José Giribás
Das Haus José Domingo Cañas 1367, Santiago
Das Haus gehörte einem brasilianischen Soziologen, der nach dem Putsch auswanderte. Der chilenische Geheimdienst nutzte das Gebäude als Gefängnis, Folter- und Exekutionszentrum. Nach der Diktatur ging es in Privatbesitz über. Im Jahre 2001 zerstörten es die Eigentümer, um die Einrichtung einer Gedenkstätte zu verhindern.
Bild: Jose Giribas
Patricia Zalaquett Daher
Im August 1984 wurde sie verhaftet, als sie gerade ihre vierjährige Tochter vom Kindergarten abholen wollte. Die Festnahme war Teil einer Geheimoperation, bei der sieben Mitglieder der MIR hingerichtet wurden, darunter ihr Ehemann Nelson Herrera. Sie wurde in der Bogoño-Kaserne gefoltert. Erst 2007 sprach ein Gericht sie von allen Anklagen frei.