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Politik

Anschlag auf Synagoge in Hagen vereitelt

16. September 2021

Es ist der höchste jüdische Feiertag - und Nordrhein-Westfalens Polizei hatte Hinweise auf eine "mögliche Gefährdungslage" an der Synagoge in Hagen. Vier Verdächtige wurden nun festgenommen.

Festnahme eines der vier Verdächtigen in Hagen
Festnahme eines der vier Verdächtigen in HagenBild: Alex Talash/dpa/picture alliance

Auf die Synagoge im nordrhein-westfälischen Hagen sollte offenbar ein Anschlag verübt werden. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte in Düsseldorf, die Polizei habe am Mittwoch einen ernstzunehmenden konkreten Hinweis darauf erhalten, dass es aus Anlass des jüdischen Feiertags Jom Kippur an diesem Donnerstag zu einem Anschlag kommen könne. Tatort, Tatzeit und Täter seien benannt worden. Der Hinweis habe zudem Rückschlüsse auf eine "islamistisch motivierte Bedrohung" zugelassen.

16-jähriger Syrer festgenommen

Die jüdische Gemeinde habe eine geplante Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Nach Räumung und Absuchen der Synagoge am Mittwochabend auch mit Sprengstoffspürhunden habe die Polizei keine gefährlichen Gegenstände im Gebäude oder im Umfeld gefunden. Die Ermittlungen hätten gleichwohl zur Identifizierung und Festnahme eines 16-jährigen syrischen Staatsbürgers aus Hagen geführt, erklärte Reul. Drei weitere Personen seien vorläufig festgenommen worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat die Ermittlungen übernommen.

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul: "Rückschlüsse auf islamistisch motivierte Bedrohung"Bild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet versicherte: "Wir werden alles tun, um aufzuklären, welche Netzwerke möglicherweise hinter diesem Anschlag standen." Die Lage sei ernst gewesen, sagte der Kanzlerkandidat der Union am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Bremen. Die unmittelbare Gefahr sei gebannt.

Lambrecht: "Schreckliche Bedrohungslage für Juden"

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht bezeichnete es als "unerträglich, dass Jüdinnen und Juden erneut einer so schrecklichen Bedrohungslage ausgesetzt sind". "Der Kampf gegen Antisemitismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen hat für uns allerhöchste Bedeutung", betonte sie. Ähnlich äußerte sich Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz: "Wir müssen Antisemitismus in all seinen Ausprägungen entschieden bekämpfen.

"Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland": "Ich bin entsetzt über neuerliche Pläne für einen Anschlag auf eine Synagoge an Jom Kippur." Jom Kippur gilt als jüdischer Buß- und Bettag und ist für viele Juden der heiligste Tag im Jahr.

Bewaffnete Polizisten müssen die Synagoge in Hagen schützenBild: Markus Klümper/Sauerlandreporter/dpa/picture alliance

Unterdessen forderte der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, "eine schnelle Reaktion der muslimische Gemeinden", um Hass und Gewalt zurückzuweisen. "Dieser Fall ist ein Zeichen dafür, dass Antisemitismus unter muslimischen Migranten weit verbreitet ist", sagte Heubner den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Es brodele latent unter der Oberfläche und könne immer ausbrechen. "Das ist kein Generalverdacht gegenüber allen Muslimen, aber eine Realität", betonte er.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, erklärte auf Twitter, der womöglich vereitelte Anschlag in Hagen zeige, wie akut die Bedrohung durch den Antisemitismus sei. Er dankte den Sicherheitsbehörden, die den Vorfall in Hagen aufgedeckt hätten. Auch die Türkisch-Islamische Union DITIB verurteilte die mutmaßlichen Anschlagspläne. "Ein Anschlag auf eine Synagoge ist ein Anschlag auf ein Gotteshaus, und damit ein Anschlag auf die gesamte Gesellschaft", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes, Kazim Türkmen. Die DITIB wolle "unseren jüdischen Glaubensgeschwistern unsere Solidarität und unser Mitgefühl übermitteln".

Schlimme Erinnerungen

Das Geschehen in Hagen weckt Erinnerungen an den Terroranschlag in Halle in Sachsen-Anhalt. An Jom Kippur 2019 - damals am 9. Oktober - hatte ein bewaffneter Rechtsextremist versucht, gewaltsam in die örtliche Synagoge einzudringen und dort ein Massaker unter den versammelten 51 Menschen anzurichten. Als er damit scheiterte, erschoss er auf offener Straße eine Passantin und später einen jungen Mann in einem Dönerimbiss.

Der Täter wurde inzwischen wegen zweifachen Mordes und vielfachen Mordversuchs verurteilt. Er erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe.

sti/wa/jj (afp, dpa, rtr)