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Haiti: Wütender Protest gegen Gangs und Kidnapping

8. August 2023

Verbrecherbanden haben das Sagen in weiten Teilen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince. Die Zahl der Entführungen ist stark gestiegen. Der Frust der Bürger darüber entlädt sich nun in Protest.

Haiti | Proteste in Port-au-Prince (07.08.2023)
Proteste in Port-au-Prince: Die Gewalt verschärft die VersorgungslageBild: Odelyn Joseph/AP Photo/picture alliance

Port-au-Prince ist ein Hort des Verbrechens. Nach Einschätzung von Experten haben Banden bis zu 80 Prozent von Haitis Hauptstadt unter ihre Kontrolle gebracht. Seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse vor gut zwei Jahren terrorisieren sie die Einwohner. Auch immer mehr Entführungen werden aus dem Karibikstaat gemeldet.

Vielen Bürgern langt es. Mehrere Tausend Menschen haben in Haiti jetzt gegen die grassierende Bandengewalt demonstriert, die in der vergangenen Woche zum Tod eines Polizisten geführt hatte. "Wir wollen Sicherheit", riefen sie am Montag in Port-au-Prince.

"Wir können so nicht mehr leben. Alle umliegenden Viertel sind fest in der Hand der Gangs", sagte einer der jungen Demonstranten der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Leute haben ihre Häuser schon verlassen." Die Demonstranten beklagen die Todesfälle im Zusammenhang mit der Bandenkriminalität und den Mangel an medizinischer Versorgung. Es brauche eine "Intervention" gegen die Bandenaktivitäten, so die Demonstranten. "Wir fordern Panzer", sagte einer der Protest-Teilnehmer.

UNICEF: "Alarmierenden Anstieg von Entführungen"

Laut UNICEF hat es zudem einen "alarmierenden Anstieg" der Entführungen von Frauen und Kindern gegeben. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien fast 300 davon registriert worden - in etwa so viele wie im gesamten vergangenen Jahr und fast dreimal so viele wie 2021, teilte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in New York mit.

UNICEF-Regionaldirektor Conille: "Äußerst besorgniserregend"Bild: UNICEF

Die Zahl der gekidnappten Männer ist noch höher. Laut dem UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) wurden im vergangenen Jahr in Haiti insgesamt 1359 Entführungen gezählt - mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor und knapp sechsmal so viele wie 2020.

Haitis Banden terrorisieren die Bevölkerung mit brutaler - auch sexueller - Gewalt. Kinder und Frauen werden in den meisten Fällen zu finanziellen oder taktischen Zwecken von bewaffneten Gruppen entführt, teilte UNICEF mit. "Die Opfer, denen es gelingt, nach Hause zurückzukehren, haben mit tiefen physischen und psychischen Narben zu kämpfen, möglicherweise über viele Jahre hinweg", so das Kinderhilfswerk.

"Frauen und Kinder sind weder Waren, noch sind sie Tauschobjekte. Und sie dürfen nicht solch unvorstellbarer Gewalt ausgesetzt werden", mahnt Garry Conille. Er ist der Regionaldirektor für Lateinamerika und die Karibik bei UNICEF. Der rasante Anstieg von Entführungen und Freiheitsberaubungen sei äußerst besorgniserregend und bedrohe das haitianische Volk und diejenigen, die gekommen sind, um ihm zu helfen, so Conille.

Denn die Gewalt richtet sich auch gegen ausländische Helfer. Nach Angaben der christlichen Hilfsorganisation El Roi wurden vor knapp zwei Wochen auf ihrem Gelände bei Port-au-Prince eine US-Krankenschwester und ihr Kind entführt.

Prekäre Versorgungslage

Zuletzt kam es zu einer Selbstjustiz-Bewegung der Bürger gegen die Gangs. Die Gewalt verschärft auch die ohnehin schon prekäre Versorgungslage. Fast die Hälfte der elf Millionen Bewohner des armen Karibikstaats leidet laut Vereinten Nationen unter akutem Hunger.

Demonstranten in Haitis Hauptstadt (am Montag): "Wir fordern Panzer"Bild: Richard Pierrin/AFP/Getty Images

Seit dem Mord an Präsidenten Moïse hat Haiti eine Interimsregierung. Diese bat die internationale Gemeinschaft im Oktober um Hilfe durch eine bewaffnete Truppe - dazu kam es bislang nicht. Kenia bekundete kürzlich, eine multinationale Truppe anführen und 1000 Polizisten nach Haiti schicken zu wollen. Eine Beurteilungsmission und ein UN-Mandat stehen noch aus.

Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UN) sind im vergangenen Jahr rund 73.500 Menschen vor der zunehmenden Gewalt und Armut aus Haiti geflohen. 5,2 Millionen Menschen - fast die Hälfte der haitianischen Bevölkerung - sind nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen.

AR/sti (rtr, dpa, afp)

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