Die Goldene Palme ist der prestigeträchtigste Festivalpreis der Welt. 19 Regisseurinnen und Regisseure bewerben sich in diesem Jahr um die Auszeichnung für den besten Film. Doch auch Cannes steht derzeit unter Schock.
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Auf den Stufen zum Ruhm - noch kein Favorit für die Goldene Palme
Bisher gilt das Rennen um die Goldene Palme noch als völlig offen. Bei den 70. Filmfestspielen in Cannes zeichnet sich noch kein Favorit ab: Die meisten Kritiker hoffen auf die zweite Festivalhälfte.
Bild: Getty Images/AFP/A.Thuillier
Bewährtes Duo: Haneke und Huppert
Die beiden haben schon mehrmals miteinander gedreht: der österreichische Regisseur Michael Haneke und die französische Schauspielerin Isabelle Huppert. Zwei Goldene Palmen hat Haneke bisher erobert, nun nimmt er Anlauf für eine dritte. Gemeinsam mit Isabelle Huppert präsentierte Haneke in Cannes seinen neuen Film "Happy End".
Bild: Reuters/S. Mahe
Ein Happy End ist fraglich
Vor der Galavorführung zeigten sich Haneke und sein Team auf dem berühmten Teppich vor dem Festivalpalais in Cannes. Anschließend ging's in die Premiere. Doch die Reaktionen auf "Happy End", eine Geschichte um Familie, Tod und Flüchtlinge, waren sehr verhalten. Bei der Pressevorführung hatte es gar Buh-Rufe gegeben. Ein dritte Goldene Palme dürfte es wohl nicht geben.
Bild: Reuters/S. Mahe
Kaum Chancen für Giorgos Lanthimos
Die Treppe zum Ruhm dürfte in diesem Jahr in Cannes auch für den Regisseur Giorgos Lanthimos steil und steinig sein. Der neue Film des Griechen "The Killing of a Sacred Deer" (hier eine Filmszene) wurde sehr skeptisch aufgenommen, auch hier buhte das Publikum teilweise. Der prominent besetzte Film, u.a. mit Nicole Kidman und Colin Farrell, ist eine britisch-irische Co-Produktion.
Bild: Festival de Cannes
Viel Prominenz auf dem Roten Teppich
Zwar zieht der internationale Wettbewerb, an dessen Ende die Goldene Palme vergeben wird, die allermeiste Aufmerksamkeit auf sich, doch in Cannes gibt es noch viel mehr zu sehen. In zahlreichen Nebenreihen zeigen viele prominente Regisseure ihre neuen Werke, beteiligen sich aber nicht am Palmen-Rennen. Regie-Legende Claude Lanzmann präsentierte am Montag seinen neuen Film "Napalm".
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Legende auf der Leinwand
Eine legendäre Figur der Filmgeschichte ist auch der Franzose Jean-Luc Godard. Der inzwischen 86-jährige Regisseur, der mit "Außer Atem" 1960 weltberühmt wurde, ist nicht persönlich in Cannes. Stattdessen hat Regisseur Michel Hazanavicius Godard zur Hauptperson in seinem Film "Le Redoutable" gemacht. Godard wird von Louis Garrel gespielt, Stacy Martin verkörpert seine Partnerin Anne Wiazemsky.
Bild: Les Compagnons du Cinéma - Photo Philippe Aubry
Auch Agnès Varda zeigte sich auf dem Roten Teppich
Noch zwei Jahre mehr auf dem Buckel als Godard hat Regiekollegin Agnès Varda (dritte von l.). Die 1928 geborene Varda, bekannteste Regisseurin der "Nouvelle Vague", präsentierte ihren neuesten Film. "Visages Villages" ist eine Dokumentation über die Freundschaft der Filmemacherin mit dem französischen Fotografen und Street Art Künstler JR (zweiter von l.) - und lief außerhalb des Wettbewerbs.
Zu Beginn des Festivals hatte es Streit um die Teilnahme von zwei Filmen des Streaminganbieters Netflix gegeben. Jetzt wurde auch die zweite Netflix-Produktion uraufgeführt. "The Meyerowitz Stories" von Regisseur Noah Baumbach kam gut an. Vor allem auch, weil die betont unspektakulär in Szene gesetzte Familiengeschichte prominent besetzt ist, u.a. mit Ben Stiller, Adam Sandler und Emma Thompson.
Bild: Netflix/Atsushi Nishijima
Chancen für den Schweden Ruben Östlund
Der schwedische Regisseur Ruben Östlund präsentierte im Rennen um die Goldene Palme sein Werk "The Square", eine hintersinnige Satire um die Hohlheit des Kunstbetriebs. Im Mittelpunkt des Films steht ein erfolgreicher Kunstkurator, der sein Denken und Handeln in Frage stellt. "The Square" bekam wohlwollende Kritiken.
Mit seinem Debüt als Regisseur wurde der in Marokko geborene französische Drehbuchautor und Cutter Robin Campillo in diesem Jahr nach Cannes eingeladen. Campillo erzählt in "120 Battements par Minute" die Geschichte von der Ausbreitung der Krankheit AIDS. Auch dieser Film wurde in Cannes mit Wohlwollen, aber nicht mit Begeisterungsstürmen aufgenommen.
Bild: Céline Nieszawer
Winkt eine Goldene Palme?
Die Hälfte des Wettbewerbs ist rum, ein eindeutiger Favorit für die Palme ist bisher nicht in Sicht. Von den bisher gezeigten Beiträgen bekam das neue Werk des russischen Regisseurs Andrey Zvyagintsev (zweiter von l.), "Nelyubov", mit die besten Kritiken. Zvyagintsev, 2014 in Cannes als bester Drehbuchautor ausgezeichnet, gibt in seinem Film Einblicke in die zerüttete russische Gesellschaft.
Bild: Reuters/S. Mahe
Auch Todd Haynes enttäuschte
Zu den Filmen, die im Wettbewerb mit vielen Vorschusslorbeeren angekündigt, dann aber von der Presse eher negativ besprochen wurden, gehörte auch "Wonderstruck". Der neue Film des US-Amerikaners Todd Haynes, sonst zu Recht ein Liebling der internationalen Kritik, erzählt von zwei gehörlosen Jugendlichen. Auf dem Roten Teppich präsentierten sich die Darsteller noch in bester Laune.
Bild: Reuters/S. Mahe
Die Stars geben sich die Ehre
Und Cannes ist ja auch vielmehr als Filme schauen! Der Rote Teppich, die Pressekonferenzen, die abendlichen Galas und die Premierenfeiern auf den Yachten vor der Küste von Cannes gehören ebenso zum Festival. Das Schaulaufen der internationalen Film-Prominenz leitete in diesem Jahr die italienische Diva Monica Bellucci mit einem glamourösen Auftritt ein.
Bild: picture alliance/dpa/H.Boesl
Liebling der Fotografen
Auch die französische Oscarpreisträgerin Marion Cotillard wird dort, wo sie auftritt, zum Blickfang für die Pressefotografen und ihre Fans. Ihr neuer Film "Les Fantômes d’Ismaël" hat das Festival in Cannes vor ein paar Tagen eröffnet. Der Film kam sehr schlecht weg bei der Kritik. Die Schauspielerin wird's verschmerzen - sie ist derzeit gefragt wie kaum eine andere Darstellerin.
Bild: picture alliance/dpa/Shootpix
Auch Uma Thurman lacht
Einen ebenso spektakulären Auftritt vor der Kulisse in Cannes auf dem Roten Teppich hatte Cotillards amerikanische Kollegin Uma Thurman. Sie bringt in diesem Jahr zwar keinen neuen Film mit an die Côte d’Azur, doch ist sie als Jury-Vorsitzende der Festivalsektion "Un Certain Regard" tagtäglich in Cannes präsent. Die Schauspielerin wurde vor allem mit den Filmen von Quentin Tarantino berühmt.
Bild: picture alliance/dpa/Shootpix
Warten auf die zweite Festivalhälfte
Nach all den Filmen, die nur mit mäßigem Beifall aufgenommen wurden, hofft das Publikum und möglicherweise auch die Jury auf das alles überragende Werk in der zweiten Festivalhälfte. Bis dahin gilt: Schöne Bilder gibt es immer auf dem Roten Teppich, besonders wenn schöne Frauen in teuren Roben die Treppe hinaufschreiten - wie hier die die chinesische Schauspielerin Wang Luodan.
Bild: picture-alliance/Photoshot
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Eine Schweigeminute hatten die Festivalmacher für den Nachmittag angesetzt - so sollte der schrecklichen Tat von Manchester gedacht werden. Angesichts des Horrors, der mutmaßlich auf einen Terrorakt zurückzuführen ist, verblassen natürlich alle Diskussionen über Filmkunst und die Frage, wer am Ende die Goldene Palme gewinnt. "Dies ist ein weiterer Angriff auf Kultur, Jugend und Fröhlichkeit, auf unsere Freiheit, Generosität und Toleranz", hieß es seitens der Festspielleitung.
Trotzdem - oder jetzt erst recht: Das Festival geht weiter. Gerade Frankreich hatte ja in der letzten Zeit mehrere terroristische Anschläge zu verkraften. Vom Terror will man sich das Lebensgefühl und die Kultur nicht vermiesen lassen. Dass die Angst vor Terrorismus auch das Festival an der Côte d’Azur im Griff hat, sieht man an der erhöhten Präsenz von Polizei und Militär. 2016 hatte Cannes ebenfalls unter Schock gestanden. Die Pariser Anschläge vom November 2015 hatte die Grande Nation nachhaltig erschüttert.
Im vergangenen Jahr ging der Favorit leer aus
Im Mai 2016, als das Festival dann unter starken Sicherheitsvorkehrungen stattfand, war die Enttäuschung über den Ausgang der Palmen-Konkurrenz besonders auf deutscher Seite groß. Aber auch auf Seiten der allermeisten Festivalbeobachter aus dem Ausland. Maren Ades Film "Toni Erdmann" war bis zur feierlichen Preisverleihung der große Favorit gewesen. Sowohl das Publikum in Cannes als auch die Pressevertreter aus aller Welt hatten die irrwitzige Geschichte um eine kriselnde Vater-Tochter-Beziehung, die sich zu großen Teilen in Rumänien abspielt, zum Palmenfavoriten erkoren.
Doch die Jury um ihren Vorsitzenden, den australischen Mad-Max-Regisseur George Miller, hatte anderes im Sinn. Sie vergab den Hauptpreis des Festivals an Ken Loachs Sozialdrama "I, Daniel Blake". Loachs Film über einen in die Arbeitslosigkeit gestürzten Tischler aus dem Norden Englands war eine erschütternde Anklage gegen soziale Kälte. Ein Film, der sein Publikum tief berührte. Ein Film aber auch, der formal wenig wagte und ganz auf die Wucht seiner Geschichte setzte, weniger auf ästhetischen Mut.
Die Kritiker sahen "Toni Erdmann" vorne
"Toni Erdmann" ging am Ende komplett leer aus, bekam auch keinen offiziellen Nebenpreis des Festivals. Doch immerhin konnte sich Maren Ade mit dem Preis der internationalen Kritikervereinigung FIPRESCI trösten. Und auch danach konnte sich die Regisseurin kaum noch retten vor Auszeichnungen und vor allem einem enormen Publikumszuspruch.
Juryentscheidungen sind oft umstritten. In Cannes, aber noch vielmehr auf anderen Festivals, in Venedig oder Berlin zum Beispiel. Und so dürften sich die Festivalbeobachter auch in diesem Jahr zur Halbzeit der Veranstaltung mit Wetten, wer den nun Chancen auf die Goldene Palme hat, sehr zurückhalten. Die deutsche Presse hielt sich in den ersten Tagen mit Lob jedenfalls sehr zurück. Kaum ein Film begeisterte das Fachpublikum.
Buhrufe für Michael Hanekes neuen Film "Happy End"
In Cannes gab es während der (Presse-)Vorstellungen der Wettbewerbsfilme sogar zum Teil lautstarke Buhrufe - auch während des neuen Films des zweifachen Palmen-Gewinners Michael Haneke. Das Festival wartet also auf eine zweite, womöglich bessere Hälfte. Und dann auf eine weise Entscheidung des diesjährigen Jurypräsidenten, des spanischen Filmregisseurs Pedro Almodóvar. Der wird am Abend des 28. Mai verkünden: "The winner is ...".