Wer hätte gedacht, dass ich Winzling so berühmt werden würde. Gerade hat mich der WWF zum Gewinner im Tierreich für 2019 gekürt. Ich galt 30 Jahre lang als "verschollen," doch mittlerweile gibt es einige Fotos von mir.
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Eigentlich liegen mir Soziale Medien gar nicht. In der Öffentlichkeit zeige ich mich nur äußerst ungern, verstecke mich lieber und komme nur nachts aus der Deckung. Deshalb weiß ich auch nicht so recht, was ich mit dem ganzen Medienrummel um mich anfangen soll.
Ich hatte das ganz gut hinbekommen, mit dem Versteckspiel: Erst 1906 wurde ich in Zentralvietnam entdeckt. Vier meiner Artgenossen hatten Jäger damals erlegt und dem britischen Biologen Oldfield Thomas zur Verfügung gestellt. Er beschrieb meine Art im Jahr 1910.
Ich bin ein sogenanntes Klein-Kantschil, auch als Hirschferkel bekannt. Bis Ende des Jahrhunderts erlegte ein Jäger - soweit bekannt - nur noch ein weiteres Mal einen meiner Artgenossen, und zwar 1990.
Fotoshooting im Dschungel-Camp
Mein Undercover-Dasein endete zwischen 2017 und 2018 ganz abrupt. Damals hatten vietnamesische, deutsche und US-Zoologen bei mir im tropischen Regenwald, nahe der Küstenstadt Nha Trang, Kameras aufgestellt.
Über 2000 Mal tappte ich und Artgenossen von mir in die Fotofallen. Das heißt aber nicht, dass die ganze Sippschaft so groß ist, denn sicher wurden die meisten von uns mehrfach fotografiert. Veröffentlicht haben die Zoologen ihre Ergebnisse am 11. November 2019 in der Fachzeitschrift nature: ecology&evolution
Da stehe ich nun auf dem Siegerpodest neben Elefanten aus Myanmar, dem europäischen Goldschakal, dem bolivianischen Sehuencas-Wasserfrosch und der mongolischen Saiga-Antilope, auch wenn ich mit denen nun wirklich nicht viel zu tun habe.
Höchstens mit der Saiga-Antilope verbindet mich, dass auch ich ein Paarhufer bin. Dabei bin ich viel kleiner als sie und habe etwa ein Dreißigstel ihres Körpergewichts. Selbst ein ausgewachsener Feldhase wiegt zwei bis dreimal so viel wie ich mit meinen 1,5 Kilogramm.
Kasachstan - den Saigas auf der Spur
07:40
Übrigens bin ich der kleinste bekannte Paarhufer überhaupt. Vielleicht stammt daher mein anderer Name: Vietnamesischer Maushirsch. Wobei ich Wert darauf lege zu betonen, dass ich mich da schon eher als Hirsch denn als Maus sehe! Und: Ich habe Reißzähne. Also Vorsicht, klein bedeutet noch lange nicht harmlos ...
Einige Geheimnisse gebe ich nicht preis
Meine Vorlieben und Hobbies behalte ich trotzdem erst einmal weiter für mich, damit die Forscher noch etwas zu tun haben. Sie können noch so viel über mich und meine Lebensweise herausfinden. Wichtig ist mir aber schon, dass mein Lebensraum geschützt wird - vor Abholzung und vor Jägern. Dafür setzt sich ja auch der WWF ein.
So hoffe ich, dass es mir am Ende nicht doch noch so ergeht wie den Verlierern im Tierreich von 2019: den Eisbären und Kaiserpinguinen, der Jangtse-Riesenweichschildkröte, dem Sumatra-Nashorn und den Jaguars und Koalas, deren Bestände stark zurückgegangen sind.
Das sind die Wildtiere des Jahres 2020
Jedes Jahr nominieren Umwelt- und Naturschutzverbände die Tiere des Jahres, die ihrer Ansicht nach mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier die diesjährigen Vertreter und ihre Geschichte.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/fotototo
Zeuge eines gesunden Bodens
Der Maulwurf ist zwar bei Gärtnern unbeliebt, steht aber unter strengem Naturschutz. Eigentlich sollten wir uns freuen, wenn wir seine Hügel finden. Denn sie sind der Beweis, dass es dem Boden gut geht und er voller Kleinstlebewesen steckt. Der blinde Grabkünstler baut sich seine Schlaf-, Nest- und Vorratskammern unter der Erde und frisst gerne Schädlinge wie Schnecken oder Engerlinge.
Bild: picture-alliance/C. Huetter
Anspruchslos, und trotzdem gefährdet
Der Brombeer- oder auch Grüne Zipfelfalter ist der Schmetterling des Jahres. Er liebt Wiesen, Weiden und Hecken. Auch beim Futter ist er wenig wählerisch und saugt an ganz unterschiedlichen Blüten, wie Hahnenfuß, Klee und Weißdorn. Dennoch geht sein Bestand deutlich zurück. Der Grund: Einige Flächen werden zu intensiv landwirtschaftlich genutzt, andere wiederum zu wenig. Sie wachsen zu.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Navarro
Symbol für Glück und Liebe
Turteltauben sind - anders als ihre urbanen Verwandten - auf artenreiche Wald- und Feldränder angewiesen. Insbesondere die intensive Landwirtschaft macht ihnen aber das Leben schwer. So sind die Bestände seit 1980 fast um 90 Prozent eingebrochen. Auch Jäger stellen den kleinen Täubchen nach. Ihre Gefährdung ist ein globales Phänomen, denn Turteltauben sind Zugvögel. Sie überwintern in Afrika.
Bild: picture-alliance/imagebroker/T. Hinsche
Schillernd in schönstem Grün
Besonders die Männchen der Zauneidechse haben ein bezauberndes Äußeres. In der Paarungszeit schimmern sie smaragdgrün. Sie leben in ganz Eurasien - von England bis an den Baikalsee. Neben steinigen Randbereichen von Wäldern und Feldern siedeln sie auch gerne in der Nähe von Menschen - an Mauern und in Gärten. In Deutschland gilt die Zauneidechse als gefährdet.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Molter
Liebhaberin von Mooren und sauberem Wasser
Die Speer-Azurjungfer ist vom Aussterben bedroht. Die Kleinlibelle benötigt Moore und nährstoffarme Gewässer. Überdüngte Landschaften sind hingegen nichts für sie. Das liegt daran, dass die Libelle einen Großteil ihres Lebens im Larvenstadium im Wasser verbringt.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Post
Kuchenbäckerin
Anders als die meisten anderen Wildbienen, sammelt die Auen-Schenkelbiene Pflanzenöle und vermengt sie mit Pollen zu einem Ölkuchen. Dieser ist nährstoffhaltiger als zuckerbasierter Pollen, den andere Bienen in ihre Nester eintragen. Daher braucht die Wildbiene des Jahres geeignete Ölpflanzen wie Gilbweiderich, der in der Nähe von Bächen und Gräben wächst. Sie hat viele Verwandte in den Tropen.
Bild: Dick Belgers/CC-by-3.0
Ein unbekannter Fisch mit Nase
Dieser Karpfenfisch hat nicht nur eine, er heißt sogar Nase (Chondrostoma nasus). Weil er so unbekannt ist, haben die deutschen Angler und Taucher ihn gemeinsam zum Fisch des Jahres gekürt. Die Nase ernährt sich von Algen, die sie von Steinen und Kies abfrisst. Leider gehen dem Fisch immer mehr Laichgebiete verloren, weil die Flüsse verbaut oder zuviel Sedimente eingetragen werden.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/A. Hartl
Vorsicht, giftig!
Der Schwarzblaue Ölkäfer hat es in sich: das Reizgift Cantharidin. Schon die alten Ägypter setzten es in der Medizin ein. In Honig zubereitet sollten Ölkäfer potenzsteigernd wirken. Aber Vorsicht: In höherer Konzentration haben manche Mörder es auch immer wieder als Gift benutzt. Die Larven der Ölkäfer leben parasitär von Wildbieneneiern und Pollen. In Deutschland stehen sie auf der Roten Liste.
Bild: picture-alliance/WILDLIFE/4Nature
Was ist das für ein Meeresleuchten?
Dieser blaue Schein im nächtlichen Meer vor der kalifornischen Küste stammt von Dinoflagellaten. Das sind Einzeller, die ausschließlich im Meer vorkommen. Die Deutsche Gesellschaft für Protozoologie hat die Tierchen zu den Einzellern des Jahres gekürt. Dinoflagellaten produzieren ein Gift, das sich in Muscheln anlagern kann. Vorsicht ist angebracht, wenn das Meer sich tagsüber rot färbt.
Bild: cc/by/sa/Niels Olson
Gar nicht asselig
Als Höhlentier des Jahres muss sich die Mauerassel mit ihrem eleganten Panzer eigentlich nicht verstecken, auch wenn sie das gerne tut. Sie lebt weltweit in so ziemlich allen möglichen geschützten unterirdischen Rückzugsorten. Ihren Nachwuchs brütet sie am eigenen Bauch aus, in einem wassergefüllten Brustbeutel. Andere verwandte Krebstiere legen ihre Eier in Gewässern ab.
Bild: picture-alliance/dpa/J. De Meester
Ein soziales Wesen
Myxococcus xanthus ist ein Musterbeispiel für soziale Koordination. Deshalb hat die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie sie zur Mikrobe des Jahres gekürt. Die Mikroben jagen ihre Opfer - andere Bakterien - im Schwarm und erlegen sie gemeinsam. Die Fruchtkörper, die wir hier sehen, bestehen aus tausenden stäbchenförmiger Mycococcus-Bakterien, die miteinander kommunizieren.