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Halluzinogene Kröte gegen Depressionen

9. Mai 2024

LSD oder Magic Mushrooms gegen Depressionen sind häufig im Gespräch. Weit weniger bekannt ist ein Halluzinogen, das die Coloradokröte produziert. Forschende sehen großes Potenzial in der Substanz.

Kröte / Onoran-Wüstenkröte Bufo
Abwehrmechanismus oder Antidepressiva: Die Coloradokröte ist ein beliebtes ForschungsobjektBild: ZUMA Press/IMAGO

"Es ist wie bei den meisten Dingen, denen Sie in einem Nationalpark begegnen, [...], sehen Sie bitte davon ab, sie abzulecken. Dankeschön", schreibt der US National Park Service (NPS) im November 2022 auf seinen Social Media-Kanälen.

Wen der Nationalparkdienst damit meint? Die Coloradokröte (Bufo alvarius), auch Sonora-Wüstenkröte genannt, von der Parkbesuchende bitte die Finger lassen sollen. Und schon gar nicht sollten sie auf die Idee kommen, die Kröte anzulecken.

Die Kröte ist im Südwesten Nordamerikas zuhause. Mit einer Länge von fast 18 Zentimetern ist sie eine der größten Kröten Nordamerikas. Wenn sich die Coloradokröte bedroht fühlt, sondert sie ein starkes Gift ab, das sie vor Fressfeinden schützen soll. Einen ausgewachsenen Hund könnte das Gift töten. Menschen hingegen scheint das Krötengift trotzdem anzuziehen. 

Sie haben es aufs Bufo, wie das Krötengift auch genannt wird, abgesehen. Auf das weiße, milchige Sekret, das die Substanz "5-MeO-DMT" enthält. Es gilt als das stärkste bekannte Halluzinogen, das bislang entdeckt wurde. Bufo kann zu Kristallen getrocknet und in einer Pfeife geraucht werden. Der Trip gilt als heftig und kurz im Vergleich zu anderen psychedelischen Substanzen, er dauert etwa 15 bis 30 Minuten lang.

Doch: Vom Lecken an Kröten ist nicht nur aus Tierwohl-Sicht abzuraten, sondern auch, weil ohne Trocknen, Verdampfen oder ähnliches andere Giftstoffe in den Körper gelangen und auch extreme Nebenwirkungen auftreten können. 

Mit LSD, Psilocybin oder Krötengift gegen Depressionen

Aber nicht nur - nenne wir sie - Abenteurer, sind an der Kröte interessiert, auch die Forschungswelt ist es. Seit Jahrzehnten wird durch die schiere Anzahl an Studien zu psychoaktiven Wirkstoffen deutlich, dass Wissenschaftler im Bereich der psychischen Gesundheit großes Interesse an alternativen Therapiemethoden haben, etwa mit LSD, Psilocybin oder MDMA. Aber auch 5-MeO-DMT gerät aufgrund seines therapeutischen Potenzials immer mehr in den Fokus. 

Forschende der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York haben entschlüsselt, wie 5-MeO-DMT mit Serotoninrezeptoren im Gehirn interagiert. Die Studie wurde jüngst in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Serotoninrezeptoren sind in der Medizin ein wichtiger Ansatzpunkt für Medikamente, zum Beispiel für Antidepressiva. Für ihre Studie haben die Forschenden 5-MeO-DMT synthetisiert und die Wirkung auf die Serotoninrezeptoren 5-HT2A und 5-HT1A unter anderem bei Mäusen untersucht.

"Wir waren in der Lage, das 5-MeO-DMT/Serotonin-Gerüst so abzustimmen, dass wir eine maximale Aktivität an der 5-HT1A-Schnittstelle und eine minimale Aktivität an 5-HT2A erreichten", erklärt der Hauptautor Daniel Wacker, Assistenzprofessor für pharmakologische Wissenschaften und Neurowissenschaften am Icahn Mount Sinai.

Was das bedeutet? Die 5-HT1A-Rezeptoren gelten als Zielrezeptoren zur Behandlung etwa von Angstzuständen oder Depressionen. 5-HT2A-Rezeptoren hingegen sind für die von Psychedelika ausgelöste halluzinogene Wirkung verantwortlich.

Die Forschenden hoffen, dass es bald möglich sein wird, neue, aus Psychedelika abgeleitete Medikamente zu entwickeln, allerdings ohne die halluzinogenen Effekte. 

Die Coloradokröte produziert eines der stärksten bekannten Halluzinogene.Bild: Christian Hütter/imagebroker/IMAGO

"Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, wie Serotoninrezeptoren wie 5-HT1A wahrscheinlich die subjektiven Effekte der psychedelischen Erfahrung regulieren können", sagt Erstautorin Audrey Warren, Doktorandin an der Graduiertenschule für Biomedizinische Wissenschaften am Icahn Mount Sinai.

In vielen weiteren Untersuchungen wird geprüft, inwieweit 5-MeO-DMT bei der Behandlung von schweren Depressionen oder Angstzustände zum Einsatz kommen könnte. Die neuste Studie ist ein weiteres Puzzleteil.

5-MeO-DMT: Revival der Naturdroge

Nicht nur die Coloradokröte produziert 5-MeO-DMT. Das Gift kommt auch in einigen Pflanzen vor, etwa in den Samen und der Rinde von Anadenanthera peregrina. Die Hülsenfrucht ist in Südamerika verbreitet und wird dort Yopo genannt. Vielerorts werden die psychoaktiven Substanzen aus Yopo schon seit Jahrtausenden als Psychedelikum genutzt.

Das Interesse an der Coloradokröte begann in den 1960er Jahren. Inzwischen gibt es teure Retreat-Urlaube, zum Beispiel in Mexiko, wo die Substanz und allerlei anderes zu spirituellen Zwecken verabreicht wird. Oder auch nur für eine Erfahrung. Mexiko ist eines der wenigen Ländern, in denen der Konsum von 5-MeO-DMT legal ist.

Australien erlaubt Ecstasy-Wirkstoff MDMA

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Psychedelika als Medizin

Während die Behandlungsmethoden außerhalb von klinischen Studien weitgehend noch nicht erlaubt sind, hat Australien MDMA seit 2023 zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) zugelassen. Psilocybin ist bei der Behandlung von anders nicht therapierbaren Depressionen erlaubt. Doch auch hier äußern Experten noch immer Kritik.

Es heißt, die Arzneimittelbehörde habe dem Druck von Öffentlichkeit und Lobbygruppen nachgegeben, da es noch nicht genügend Beweise gebe, um einen umfassenden Zugang zu rechtfertigen. Die australische Arzneimittelbehörde argumentiert, dass die Behandlung mit intensiver Betreuung eines Psychiaters einherginge und die Therapie für behandlungsresistente Patienten womöglich die einzige Option sei. Grundsätzlich gelten strenge Vorschriften für die Vergabe der Erlaubnis, wenn ein Psychiater die Wirkstoffe einsetzen wolle. 

Am 4. Juni 2024 wird auch die US-Arzneimittelbehörde FDA  darüber beraten, ob es die Zulassung der ersten MDMA-unterstützten Therapie für PTBS empfehlen soll. Dies wäre das erste FDA-Gremium aus externen Experten, das seit 25 Jahren eine potenzielle neue PTBS-Behandlung prüft. 

 

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.
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