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Gaza im Kreuzfeuer

14. Juni 2007

Der Bürgerkrieg in Gaza eskaliert weiter. Mittlerweile beraten die UN über die Entsendung einer Friedenstruppe, was die islamischen Staaten aber ablehnen. Palästinenser-Präsident Abbas hat eine Entscheidung angekündigt.

Militante Palästinenser in Gazastadt, AP
Militante Palästinenser in GazastadtBild: AP

Nach Eroberung fast des gesamten Gazastreifens haben Kämpfer der radikal-islamischen Hamas-Bewegung am Donnerstag (14.6.07) verbliebene Stützpunkte der rivalisierenden Fatah in Gaza beschossen. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan waren die Hauptziele der Angriffe Gebäude des Geheimdienstes und der Polizei.

In der Nacht zum Donnerstag hatten die Hamas eine weitere Stadt im Gazastreifen unter ihre Kontrolle gebracht. Ihre Kämpfer setzten sich in Chan Junis fest und leiteten einen Angriff auf Rafah ein. Heftige Kämpfe tobten auch in der Stadt Gaza, wo am frühen Morgen nach Klinikangaben drei Menschen getötet wurden. "Chan Junis ist am Ende, aber wir halten noch Rafah", sagte der Fatah-Funktionär Siad Sarafandi. "Sie schießen auf jeden, der zur Fatah gehört", sagte ein Offizier in Rafah. Aus Chan Junis berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AP, dass Fatah-Kämpfer sich ergeben und der Fatah ihre Waffen ausgehändigt hätten. Die Hamas sprengte ein Gebäude der Sicherheitskräfte und hisste ihre grüne Fahne.

Hauptquartiere angegriffen

Hamas-Kämpfer während Feuergefecht in GazastadtBild: AP

In der Stadt Gaza griffen Hamas-Milizionäre die Hauptquartiere aller drei Einheiten der Sicherheitskräfte an, die mit der Fatah verbunden sind. Beobachter äußerten die Einschätzung, dass damit die Schlussphase des Bürgerkriegs im Gazastreifen eingeleitet werden könnte. Die Hamas-Kämpfer besetzten die Dächer benachbarter Häuser und sperrten die Zugangsstraßen. Sie riefen die belagerten Fatah-Kräfte auf, sich zu ergeben. Am Donnerstagmorgen zogen sich Fatah-Kämpfer nach Angaben der Partei aus mehreren Gebäuden in Gaza zurück und sprengten sie in die Luft, um sie nicht in die Hand der Hamas fallen zu lassen.

Auch das Büro des Fatah-Chefs und palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas wurde von Hochhäusern aus beschossen. Abbas und der zur Hamas gehörende Ministerpräsident Ismail Hanija riefen erneut zur Einstellung der Kämpfe auf. Abbas bezeichnete den Bürgerkrieg als verrückt. Bisher sind aber alle Aufrufe zur Waffenruhe ungehört verhallt. Die im Gazastreifen bedrängten Fatah-Kämpfer kritisierten Abbas und warfen ihm vor, sie im Stich zu lassen und ihnen keine Orientierung zu geben.

Gaza im Kreuzfeuer

Die Bewohner des Gazastreifens sehen sich im Kreuzfeuer zwischen beiden Parteien. "Alle sind hier terrorisiert", sagte der Arzt Wael Abdel Dschawad in Gaza. "Es wurde durch die Fenster in unsere Wohnung geschossen, die Kinder haben geschrien."

Bei den Kämpfen am Mittwoch wurden mindestens 20 Menschen getötet. Unter ihnen ist auch ein Mann, der sich zusammen mit anderen unbewaffneten Bewohnern den Hamas-Kämpfern in den Weg stellte und erschossen wurde. Seit Sonntag kamen mehr als 60 Menschen ums Leben.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon (Mitte) bei Gesprächen des Nahost-Quartetts in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Unterdessen nahm der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Beratungen über die mögliche Entsendung einer Friedenstruppe in den Gazastreifen auf. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon teilte am Mittwoch in New York mit, Abbas habe ihn am Dienstag gebeten, eine solche Möglichkeit zu prüfen. Auch der israelische

Ministerpräsident Ehud Olmert habe diesen Vorschlag aufgebracht.

OIC gegen UN-Mandat

Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) lehnte diesen Vorstoß jedoch ab. OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu erklärte in Kuala Lumpur, im Gazastreifen würden keine ausländischen Truppen benötigt, sondern die dortigen Akteure müssten besser miteinander auskommen.

In Washington verurteilte ein Regierungssprecher die Kämpfe zwischen der Hamas und der Fatah im Gazastreifen. "Gewalt dient nicht dem Interesse des palästinensischen Volkes", sagte der Sprecher des Weißen Hauses.

Palästinenser rufen nach internationaler Hilfe

Bundeskanzlern Angela Merkel telefonierte am Mittwoch sowohl mit Abbas als auch mit Israels Ministerpräsident Ehud Olmert. In dem Telefonat mit Abbas habe Merkel Unterstützung bei den Bemühungen um eine Stabilisierung der Lage zugesagt, teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Abend in Berlin mit. Olmert versicherte demnach der Bundeskanzlerin seine Bereitschaft, weiterhin mit Abbas zusammenzuarbeiten. Merkel betonte, es müsse alles unternommen werden, um der Gewalt Einhalt zu gebieten.

Er fordert Hilfe von UN, EU und den USA: Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas (Archivbild)Bild: AP

Zuvor hatten auch die USA Abbas ihre Unterstützung zugesichert. Washington habe auch andere Länder in der Region dazu aufgerufen, Abbas und jene moderaten Politiker zu unterstützen, die der Gewalt abgeschworen hätten und eine politische Lösung mit Israel am Verhandlungstisch suchten, sagte US-Außenamtssprecher Sean McCormack.

EU-Staaten sollen Zurückhaltung aufgeben

Die Palästinenserregierung bat die EU angesichts der Lage um Hilfe. Die EU-Staaten sollten ihre Zurückhaltung gegenüber der Regierung der nationalen Einheit aufgeben, forderte Informationsminister Mustafa Barguti in der "Berliner Zeitung". "Wir sind arm, haben keine Ressourcen, die Menschen sind verzweifelt und ohne Hoffnung. Das ist die Ursache des Problems." Deshalb müsse die EU Druck auf Israel ausüben, das sich seit mehr als einem Jahr weigere, den Palästinensern zustehende Einnahmen aus Steuern und Zöllen freizugeben. Mittlerweile sei die Summe auf fast 850 Millionen Dollar angewachsen, sagte Barguti.

Abbas kündigt "wichtige Entscheidung" an

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat für Donnerstag eine "wichtige Entscheidung" angekündigt, wie sein Büro am Morgen mitteilte. Dabei gehe es um die Kämpfe im Gazastreifen und die Zukunft der Regierungskoalition mit der radikalislamischen

Hamas. Die Ankündigung verstärkte die Vermutung, dass die von Abbas geführte Fatah die Regierung verlassen wird. Die Minister der Fatah haben ihre Zusammenarbeit in der Regierung bereits ausgesetzt. (vem)

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