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Politik

Hamas und Fatah sorgen für viele Gewinner

12. Oktober 2017

Hamas und Fatah haben sich bei den Friedensverhandlungen in Kairo geeinigt und wollen eine gemeinsame Regierung bilden. Hat sie Bestand, bringt das nicht nur den Palästinensern Vorteile, sondern der ganzen Region.

Ägypten Kairo Vetrags-Unterzeichnung von Fatah und Hamas
Bild: Getty Images/AFP/K. Desouki

Die Vereinbarung steht: Die beiden rivalisierenden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah wollen noch bis zum Ende dieses Jahres eine Einheitsregierung bilden und dann gemeinsam die Verwaltung des Gazastreifen übernehmen. Bis November will die Regierung auch die Grenzübergänge zu Israel und Ägypten kontrollieren. So ließen es Vertreter der beiden Gruppen aus dem Umfeld der derzeit in Kairo laufenden Versöhnungsgespräche verlauten.

Die Einigung war bis zuletzt zwar unsicher. Erwartet worden war sie aber doch. Zu sehr hatten sich auf Seiten der Hamas wie auch der Fatah zuletzt die Probleme angehäuft, als dass sie schlicht hätten weitermachen können wie bisher. Der politische Druck war derart angewachsen, dass beiden Parteien kaum etwas anderes als die Flucht nach vorne blieb. "Die Neuordnung des palästinensischen Heims ist keine Option, die wir beliebig unter anderen auswählen könnten", hatte der ägyptische Vermittler Mohammed Ibrahim kurz vor dem Durchbruch in der palästinensischen Tageszeitung Al Quds gewarnt. "Die Einigung ist zwingend. Wenn wir sie jetzt verpassen, riskieren wir, so leicht keine weitere Möglichkeit mehr zu finden."

Das Kalkül der Hamas

Die Hamas steht im Gazastreifen vor allem seitens der eigenen Bevölkerung unter Druck. Seitdem sie nach den Parlamentswahlen 2006 den schmalen Küstenstreifen regiert, hat sich dort wenig zum Besseren und sehr viel zum Schlechteren gewandelt. Die Arbeitslosigkeit beträgt 40 Prozent, viele der rund zwei Millionen Bewohner leben unter schwierigsten materiellen Bedingungen. Die Strom- und Wasserversorgung ist häufig unterbrochen, die Infrastruktur ist zu weiten Teilen zerstört oder nicht funktionsfähig.

Einigt euch! Demonstration für Versöhnungsgespräche im GazastreifenBild: picture-alliance/NurPhoto/M. Faiz

Die Schäden gehen auf die drei Kriege zurück, die sich die Hamas gegen das militärisch vielfach überlegene Israel leistete. Damit begeisterte sie zwar die Hardliner der Region, verscherzte es sich aber mit dem Großteil der Bevölkerung, die unter den Kriegen am meisten zu leiden hatte.

Die Situation verschärfte sich auch aufgrund außenpolitischer Faktoren: eine Zeit lang hatte die Hamas Unterstützung aus Syrien und Iran erhalten. Nach den Revolutionen des Jahres 2011 und dem damit einsetzenden Krieg in Syrien fiel diese Hilfe aber weg. Als Ersatz sprang Katar ein. Das reiche Emirat investierte rund eine Milliarde US-Dollar in die Infrastruktur und weitere Einrichtungen in dem Küstenstreifen. Mitte dieses Jahres aber startete eine von Saudi-Arabien geführte Koalition einen Boykott gegen Katar. Begründet wurde dieser unter anderem damit, Katar unterstütze terroristische Vereinigungen - gemeint war auch die Hamas. Katar musste nun für sich selbst sorgen. Die Hamas verlor einen weiteren, zudem höchst potenten Unterstützer.

Überlegungen im Westjordanland

Die Fatah ihrerseits hat ebenfalls keine politischen Erfolge mehr zu verbuchen. Die letzten Friedensgespräche mit Israel fanden im Jahr 2014 statt. Seitdem hat sich die Situation auch in der Westbank weiter verschärft: Israel hat zusätzliche Siedlungen errichtet. Das Westjordanland ist durch die israelische Sicherheitsstruktur zerklüftet, das Leben dort ist beschwerlich, die Mobilität eingeschränkt. Weite Teile der Bevölkerung erwarten eine Entschärfung der Situation. Diese kann die Fatah nicht liefern. Deren Leiter Mahmud Abbas sieht sich zudem Korruptionsvorwürfen gegenüber.

Zwischenschritt zur Einigung: der palästinensische Premier Rami Hamdallah Anfang Oktober im GazastreifenBild: Reuters/M. Salem

Darum ist auch der Fatah an einer Einigung mit der Hamas gelegen. Diese gilt als wichtiger Schritt, um anschließend mit Israel wieder in Verhandlungen zu treten. Nur gemeinsam - so die Annahme - sind die Palästinenser handlungsfähig. "Es schmerzt die palästinensische Führung, dass sie von ausländischen Kräften abhängig ist", heißt es in der in Ramallah erscheinenden Zeitung Al Hayat al-Jadida. "Die nationale Einheit ist für die Palästinenser eine grundlegende Voraussetzung, um unabhängige Entscheidungen treffen zu können. Nur so können wir einen unabhängigen und vereinten palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt bilden." Bereits Anfang Oktober war der palästinensische Premier Rami Hamdallah zur Übernahme der Verwaltung in den Gazastreifen gereist.

Herausforderungen und Chancen für Israel

Für Israel ist die Einigung Herausforderung und Chance zugleich. Eine Herausforderung, weil sie fortan wohl mit einer einheitlichen und darum gestärkten palästinensischen Regierung verhandeln muss. Diese umfasst mit der Hamas zudem eine Gruppe, die Israel als jüdischen Staat bis heute nicht anerkennt. Eine Chance ist die Einigung, weil sie tatsächlich zu substantiellen Vereinbarungen zwischen Israel und den Palästinensern führen könnte. Das setzt Pragmatismus auf beiden Seiten voraus.

Wachsamkeit am Golan. Auch Israel könnte von der Einigung der Palästinenser profitierenBild: Getty Images/AFP/J. Marey

Den könnten beide Parteien durchaus aufbringen. Hamas und Fatah sind vornehmlich aufgrund innenpolitischer Faktoren auf Erfolge angewiesen. Israel sieht sich durch den Krieg in Syrien außenpolitisch und militärisch herausgefordert. Der Iran hat durch seine Präsenz in Syrien sein Einflussgebiet erheblich erweitert. Die ihm dienende libanesische Hisbollah steht auf den Golanhöhen direkt an der Grenze zu Israel und stellt eine unmittelbare Bedrohung dar. Israel käme ein verbessertes Verhältnis zu den Palästinensern darum sehr entgegen.

Drei Gewinner, kein Verlierer

Auch Ägypten, wo die Gespräche zwischen Fatah und Hamas stattfinden, käme eine Einigung der beiden palästinensischen Gruppen entgegen. Die Regierung Al-Sisi könnte sich als erfolgreiche Vermittlerin präsentieren und würde so international an Gewicht und Ansehen gewinnen. Würde sich die Versorgungslage im Gazastreifen verbessern, so das Kalkül, würde sich die Lage dort auch politisch entspannen. Politischem Extremismus wäre zumindest in Teilen vorgebeugt. Dieser Umstand käme der gesamten Region zugute, nicht zuletzt auch der Sinai-Halbinsel, wo das ägyptische Militär sich seit Jahren im Kampf gegen dschihadistische Gruppen befindet.

Hat die nun erzielte Einigung Bestand, wäre es ein win-win-win-Situation. Die drei Gewinner wären Palästina, Israel und Ägypten.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika