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David gegen Goliath - Klimaschützer gegen Kohlelobby

13. September 2018

Im alten Hambacher Wald geht es um die Zukunft: Gewinnt die Kohleindustrie mit Hilfe von Politik und Polizei noch Zeit für längeren Profit? Oder bekommt der Klimaschutz durch Bürgerprotest einen wichtigen Schub?

Deutschland Tagebau Hambach Waldspaziergang
Bild: DW/G. Rueter

Deutschland erlebt im Hambacher Wald derzeit einen Kampf zwischen zwei sehr unterschiedlichen Interessen: Auf der einen Seite steht Deutschlands mächtiger Energiekonzern RWE, der noch möglichst lange mit Braunkohle Geld verdienen will und auf der anderen Seite junge Klimaaktivisten, die um ihre Zukunft bangen. Sie wollen der Klimazerstörung nicht mehr tatenlos zusehen und werden von einer breiten bürgerlichen Bewegung in ihrem Protest unterstützt.

RWE beruft sich bei der geplanten Rodung des Altwaldes auf vor Jahrzehnten erteilte Genehmigungen und Beschlüsse der Politik. Das Unternehmen will unter dem Wald noch in einigen Jahren Braunkohle fördern.

Sowohl die NRW-Landesregierung aus CDU und FDP als auch die oppositionelle SPD stellen sich deutlich hinter den mächtigen Kohlekonzern. Grüne und Linke plädieren dagegen für einen beschleunigten Kohleausstieg. Sie fordern wie Waldbewohner, Anwohner und Umweltschützer ein Aussetzen der geplanten Waldrodung zumindest bis zum Abschluss der Arbeit der Kohlekommission im Dezember. 

Mehr dazu: Klima oder Kohle: Eskalation um Hambacher Wald

Kohleausstiegsplan bis Dezember

Im Auftrag der Bundesregierung soll die sogenannte Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung einen Kohleausstiegsplan für Deutschland erarbeiten. Ziel der Kommission ist die Erstellung eines Vorschlags für den Kohleausstieg in Deutschland. Mit einem geregelten Kohleausstieg will Deutschland seine gesetzten Klimaziele erreichen, seine Verpflichtung zur CO2-Reduktion im Rahmen des Pariser Klimaabkommens erfüllen und den Strukturwandel in den Kohleregionen möglichst optimal mit einem breiten Konsens gestalten.

Mitglieder der Kohlekommission protestieren in Hambach gegen die Rodung des Waldes durch RWE vor Dezember.Bild: DW/G. Rueter

Eskalation oder Deeskalation?

Während die Kohlekommission in Berlin derzeit regelmäßig tagt und Vertreter aus Parteien, Umweltverbänden, Industrie, Gewerkschaften und Wissenschaft über das notwendige Tempo und die Herausforderungen des Kohleausstiegs diskutieren, entwickelt sich der Hambacher Wald zu einem Nebenschauplatz der Interessen und des dahinter liegenden Konflikts.

RWE verdient derzeit mit seinen Braunkohlekraftwerken noch viel Geld und will dieses Geschäft nicht freiwillig aufgeben. Das Unternehmen besteht auf einem bereits erteilten Rodungsrecht des umstrittenen Hambacher Waldes, um die darunter liegende Kohle eines Tages noch verstromen zu können.

Einen dringenden Appell von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und Anwohnern auf Rodungsverzicht im Hambacher Wald bis zum Abschlussbericht der Kohlekommission lehnen RWE und auch die NRW-Landesrgierung ab.

Den Appell "lehne ich rundweg ab", sagt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart gegenüber der DW. "Es gibt keinerlei Begründung davon jetzt abzurücken", so der Minister, der zugleich auch für den Klimaschutz in der Landesregierung zuständig ist.

Umweltverbände, Anwohner, Waldbewohner und Opposition zeigen sich empört über die unversöhnliche Haltung von RWE und der NRW-Landesregierung, damit würde die Arbeit der Kohlekommission torpediert.

"RWE hat die Lunte für eine unnötige Eskalation entzündet. Während Politik und Kohlekommission versuchen, einen sozial- und umweltverträglichen Kohleausstieg zu vollziehen, will RWE sowohl das Klima als auch gesellschaftliche Konflikte anheizen", sagt Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring (DNR) und Mitglied in der Berliner Kohlekommission. 

Mehr dazu: Täuscht RWE Öffentlichkeit und Kohlekommission?

Schlafplätze der Aktivisten sollen geräumt werden. Laut NRW-Regierung wegen "Verstoßen von Brandschutzvorschriften". Bild: picture alliance/dpa/O. Berg

Fassungslos beobachten Anwohner und Klimaschützer nun auch die begonnene Räumung von Baumhäusern der Klimaschützer aus angeblichen Sicherheitsgründen für die Waldbewohner. Laut Erlass der Nordrhein-westfälischen Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sei "Gefahr im Verzug für Leib und Leben der Baumhausbewohner aus Brandschutzgründen". Deshalb dürfe es aus Sicherheitsgründen keinen zeitlichen Aufschub der Räumung geben. 

Umweltverbände und Waldbewohner halten den fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern für vorgeschoben und lächerlich. "Die Landesregierung assistiert dabei mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung", sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und zugleich auch Mitglied der Kohlekommission. "So wird der Eskalation des Konfliktes unnötig Vorschub geleistet. Die Räumung der Aktivisten soll eindeutig die Rodung des Waldes vorbereiten."

Für die Bürger vor Ort stelle die nun einsetzende Eskalation des Konfliktes "einen tiefen Einschnitt in unsere Lebensqualität dar", sagt Andreas Büttken von der Initiative Buirer für Buir, der im Dorf am Hambacher Wald wohnt. "Neben dem Wald und unseren Nachbarorten verlieren wir auch unseren Frieden. Der Hambacher Wald ist für uns Symbol einer zukunftsorientierten Gesellschaft und droht nun zum Mahnmal für die Zerstörung unserer Zukunft zu werden. Wir fühlen uns von den Verantwortlichen in Bund und Land alleine gelassen – vergessen", so Büttken.

Zu Besuch bei den Waldbewohnern: Immer mehr Bürger kommen zu den Waldspaziergängen und werden aktiv.Bild: DW/G. Rueter

Größter Polizeieinsatz in der Geschichte von NRW

Die derzeitige Räumung der Baumhäuser aus angeblichen Brandschutzgründen und auch die offizielle Waldrodung ab Oktober wollen Waldbewohner und Umweltverbände nicht akzeptieren. "Wir verteidigen den Wald gegen RWE und NRW-Innenminister [Herbert] Reul. In den Bäumen kämpfen wir für Klimagerechtigkeit und gegen den Kapitalismus", sagt  Waldbewohner Momo, der Anfang 20 ist. "Es wird kein Leichtes, uns aus dem Wald zu kriegen" Seinen richtigen Namen verrät er wie die anderen Waldbewohner nicht. 

"RWE überschreitet mit der Räumung eindeutig eine rote Linie für das Klima", sagt Karolina Drzewo, Pressesprecherin des Bündnisses Ende Gelände. "Es ist ein Skandal, dass die Landesregierung hier Konzern-Profite und nicht das Klima schützt. Wir fordern den Kohleausstieg als Sofortmaßnahme für globale Klimagerechtigkeit." 

Mit der begonnen Räumung des Hambacher Waldes durch die Landesregierung beginnt zugleich auch eine bundesweite Massenmobilisierung. Neben dem gewaltfreien Widerstand der Waldbewohner gegen die Zerstörung der Baumhäuser und die Rodung wollen sich viele Menschen in den nächsten Tagen und Wochen mit Demonstrationen, Sitzblockaden und Waldspaziergängen für den Erhalt des Waldes und ein zügiges Ende der Braunkohleverstromung einsetzen.

Die Polizei und auch Beobachter rechnen mit dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte von NRW in den nächsten Wochen.

Gemeinsames Engagement für die Zukunft: Hier zeigen sich Klimapilger und Waldbewohnern solidarisch. Bild: DW/Gero Rueter

Muss und darf der Wald noch gerodet werden?

Laut RWE muss der Wald in diesem Winter gerodet werden, "Eine vorübergehende Aussetzung der für Oktober 2018 geplanten Rodung im Tagebau Hambach würde bereits kurzfristig die Fortführung des Tagebaus und damit die Stromerzeugung der Kraftwerke Niederaußem und Neurath in Frage stellen", schreibt RWE-Chef Rolf Martin Schmitz an die Mitglieder der Kohlekommission. Das Schreiben liegt der DW vor.

Laut DW-Recherchen ist die Stromerzeugung dieser Kraftwerke jedoch kurzfristig nicht gefährdet und auch ohne derzeitige Rodung bleibt noch genügend Kohle für die ungebremste Stromerzeugung von mindestens drei Jahren. Mit den Belegen wurde auch RWE konfrontiert und um eine diesbezügliche Stellungnahme gebeten. Das Unternehmen widersprach den DW-Recherchen nicht.

Abbaukante in Hambach. Bei derzeitigem Baggertempo wird der Wald vorne erst in 2,5 Jahren, hinten in 4,5 Jahren erreicht.Bild: Michael Goergens

Ob die Rodung des Hambacher Waldes ab Oktober überhaupt rechtens ist, müssen in den kommenden Wochen Gerichte klären. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat ergänzend zu den laufenden Klageverfahren bei den zuständigen Gerichten zwei weitere Eilanträge eingereicht. Er will jedwede Rodungen im Hambacher Wald unterbinden.

Mit den Anträgen an das Oberverwaltungsgericht sowie die Verwaltungsgerichte Köln und Aachen sollen jegliche Baumfällungen und -schädigungen im Wald untersagt werden, bis über den Schutzstatus des Waldes und die Zukunft des Braunkohlentagebaus endgültig entschieden ist.

Hambacher Forst wird geräumt

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Kampf um den Hambacher Forst: Gespräch mit Claudia Kemfert (DIW)

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