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Hamidas Imperium

Benjamin Braden27. Februar 2009

Eine Jemenitin gründet Anfang der 1960er Jahre ein kleines Restaurant. Heute hat sie mehr als 50 Angestellte - und ist in ihrer Heimat immer noch ein Einzelfall. Es ist nicht üblich, dass Frauen selbstständig sind.

DW / Benjamin Braden
Restaurantbesitzerin Hamida wacht über ihren BetriebBild: DW / Benjamin Braden

Das Restaurant von Hamida hat etwas von einer umgebauten Wohnung: Im Erdgeschoss lebt die Familie. Und im ersten Stock ist kein großer Speisesaal zu finden, sondern viele kleine Räume und ein enger Flur. Als Hamida ihr Restaurant Anfang der 1960er Jahre eröffnete, war es eine kleine Gastwirtschaft für die Dorfbevölkerung. Heute ist es im ganzen Land bekannt. Um die Mittagszeit herrscht Hochbetrieb: Junge Kellner und Kellnerinnen balancieren riesige Aluminium-Teller, es duftet nach frischem Brot, Kaffee und würzigem Essen. Die Gäste von Hamida sitzen auf traditionellen, bunt bestickten Sitzkissen. Die meisten sind Touristen.

Der flache Holztisch vor Maike vam Fliet ist gerade abgeräumt, und jetzt wird ihr Tee serviert. Vam Fliet arbeitet in der niederländischen Botschaft in Sana'a. Seit drei Jahren fährt sie regelmäßig die 30 Kilometer nach Shibam. Viele Touristen wissen allerdings nicht, dass eine Unternehmerin wie Hamida im Jemen etwas Außergewöhnliches ist. Maike vam Fliet bewundert die Jemenitin dafür, dass sie das Restaurant aufgebaut hat. "Hier ist es absolut außergewöhnlich, dass Frauen ein Unternehmen führen. Aber Hamida hat ja nicht nur ein richtig schönes Restaurant aufgebaut, sondern sie beschäftigt Frauen. "Das ist selten in einer Gesellschaft, wo der Alltag von Männern und Frauen eigentlich strikt getrennt ist. Unternehmerinnen wie Hamida gibt es im Jemen nur eine Handvoll. "Es ist einfach fantastisch hier," findet die Niederländerin.

Inzwischen ist zu Hamidas Restaurant auch noch ein Hotel dazu gekommenBild: DW / Benjamin Braden

Hamida besitzt heute nicht nur ein Restaurant, sondern auch drei Hotels. Die Chefin des kleinen Imperiums thront auf einem Diwan im Erdgeschoss. Von ihrem Sofa aus hat sie alles unter Kontrolle, das Handy immer griffbereit. Neben Hamida sitzt ihre 23-jährige Tochter Arwa. Eine von zehn Kindern - und alle arbeiten sie für die Mutter. Arwa mahlt mit einer Mühle frische Khat-Blätter zum einem feinen Granulat. Auf das Kauen der aufputschenden Blätter will Hamida nicht verzichten, doch fehlen ihr dazu die Zähne. Hamida dürfte um die siebzig Jahre alt sein, ihr wahres Alter verrät sie nicht. Bis heute packt sie mit an, steht jeden Morgen um fünf Uhr auf. Denn den Einkauf erledigt sie nach wie vor höchstpersönlich. "Ich bin sozusagen das zentrale Management hier: Das Geld, die Bestellungen, alles ist in meiner Hand!"

Eine starke Frau in der jemenitischen Männerwelt

Fünfzig Angestellte hat Hamida, etwa ein Drittel davon sind Frauen. Alle kommen aus ihrer Familie. Dass bei Hamida Frauen in der Öffentlichkeit arbeiten, ist im Jemen ungewöhnlich. Sorgen um ihren Ruf macht sich die Unternehmerin trotzdem nicht. "Wenn Du weißt, dass Du das Richtige tust, denk' nicht darüber nach, was die anderen denken."

Mit traditionellen jemenitischen Gerichten begeistert Hamida die GästeBild: DW / Benjamin Braden

Alle paar Minuten kommen Angestellte des Restaurants in den kleinen Raum. Fragen um Rat, geben dicke Geldscheinbündel ab oder bitten um Bares. Schnaufend händigt Hamida das Geld an ihre Tochter Arwa aus.Die zählt die Scheine, denn zählen kann Hamida bis heute nicht. Hamidas männliche Angestellten bekommen 1000 Rial, umgerechnet knapp vier Euro, pro Tag – für Khat. Dazu die täglichen Mahlzeiten. Die Frauen erhalten Essen, Khat und Kleidung. Aber kein Geld. Ihre Mutter ist eine strenge Chefin, erzählt Arwa. Gerade deshalb ist sie stolz auf sie. "Ich denke, diese Arbeit können nur starke, tapfere Menschen machen. Das ist meine Mutter! Meine Mutter arbeitet wie ein Mann – und ich bin stolz auf sie."

Und auch Hamida ist stolz auf ihr kleines Imperium in Shibam. "Dass ich ohne Schule, ohne Kurse das alles aufbauen konnte, ist ein Geschenk Gottes!" Die Idee, Hotels zu eröffnen, hatte ein Tourist. "Er sagte: Warum hast Du nur ein Restaurant? Warum machst Du nicht ein Hotel auf, das ist viel besser!" Das war der Anfang von Hamidas Unternehmen. Ans Aufhören denkt Hamida noch nicht. Bald will sie ihr viertes Hotel bauen, wenn möglich auch außerhalb von Shibam expandieren. Wer ihr nachfolgen soll, wenn sie einmal nicht mehr arbeiten kann, das weiß sie noch nicht genau. Eins aber ist sicher: ein Mann wird es nicht sein.