Handball - eine deutsche Erfolgsgeschichte
11. Januar 2024"Es hat gut begonnen. Nicht nur mit dem Spiel des deutschen Teams, sondern auch mit der Kulisse hier", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der im Düsseldorfer Fußballstadion das Auftaktspiel der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei der Heim-EM verfolgt hatte: "Ich hätte gegen ein Wintermärchen, das heute beginnt, nichts einzuwenden." Steinmeier war einer von 53,586 Fans, die im Düsseldorfer Stadion den souveränen 27:14-Sieg des DHB-Teams gegen die Schweiz sahen. So viele Zuschauende waren noch niemals zuvor weltweit bei einem Handballspiel.
"Ich glaube, niemand hat das schon mal erlebt, und vielleicht wird es auch niemand noch mal erleben", sagte der deutsche Spielmacher Juri Knorr über die Rekordkulisse. Und der im Spiel überragende Torhüter Andreas Wolff ergänzte: "Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so berühren würde. Aber es war unbeschreiblich."
Überraschungssieg bei der EM 2016
Die deutschen Handballer würden bei dem Turnier im eigenen Land gerne an die Europameisterschaft 2016 in Polen anknüpfen. Das Team des damaligen Trainers Dagur Sigurdsson war als Außenseiter gestartet, hatte dann aber mit einem Finalsieg gegen Spanien den Titel geholt. Es war der größte Erfolg für den Deutschen Handball-Bund (DHB) seit dem WM-Titel 2007. In vielen Städten waren tausende Fans zum Public Viewing gekommen, um das denkwürdige EM-Finale auf großen Leinwänden zu verfolgen. TV-Sender verzeichneten Rekord-Einschaltquoten - Deutschland war komplett im Handball-Fieber.
Doch diese Erfolgsgeschichte ist mittlerweile fast acht Jahre her. Seitdem wartet die deutsche Handball-Nationalmannschaft auf einen Titel - was aber der Beliebtheit des Sports bisher nicht geschadet hat.
Hallenhandball erst seit 1972 olympisch
Die Handball-Faszination hat gute Gründe. Deutschland gilt als Mutterland dieses Sports. Seit mehr als 100 Jahren wird hierzulande Handball gespielt, zuerst unter freiem Himmel auf dem Großfeld, später unter dem Hallendach auf kleinerer Spielfläche. Der "Hallenhandball" ist dabei noch gar nicht so alt und wurde erst bei den Olympischen Spielen 1972 in München zu einer olympischen Disziplin. Danach setzte sich die "überdachte" Version des Handball-Spiels gegen Feldhandball endgültig durch.
Das erste internationale Handballspiel auf dem Feld fand 1919 zwischen Deutschland und Österreich statt. Das Duell war der Auftakt in eine erfolgreiche Ära, die bis heute anhält. Nach der Einführung der ersten deutschen Handballmeisterschaft 1921 konnte die deutsche Nationalmannschaft 1938 gleich zwei WM-Titel (Feld und Halle) erringen. Es folgten sechs weitere WM-Erfolge: vier im Feldhandball, zwei in der Halle (1978 und 2007).
Hinzu kommen zwei Europameistertitel (2004 und 2016) sowie eine Goldmedaille im Feldhandball bei den Olympischen Spielen 1936.
Deutschland setzt Bestmarken
Handball hat in Deutschland somit eine lange Tradition und ist seit dem Umzug in die Halle auch die beliebteste Hallensportart. Insgesamt muss der Sport nur dem Volkssport Nummer Eins, dem Fußball, den Vortritt lassen. Die Zahlen sind beeindruckend. Laut dem TV-Sender Sport1 besuchten in der aktuellen Bundesliga-Saison rund 817.000 Zuschauer die bislang 168 Spiele, das macht einen Schnitt von fast 4900 Zuschauern pro Partie.
Deutschland weist weltweit die höchsten Besucherzahlen im Handball auf. Und die Bundesliga der Männer gilt in Fachkreisen als stärkste Liga der Welt. Viele Erstligisten spielen regelmäßig in europäischen Wettbewerben wie der Champions League. Zuletzt konnte der SC Magdeburg die Eliteklasse gewinnen. Es war der 21. Champions-League-Titel für eine deutsche Mannschaft - Deutschland ist damit die erfolgreichste Nation in diesem Wettbewerb.
Erfolgreiche Nachwuchsförderung
Ein Grund für den Erfolg ist, dass der Deutsche Handballbund (DHB) im Jugendbereich aus dem Vollen schöpfen kann. Der DHB ist der größte Handballverband der Welt. Er hat knapp 760.000 Mitglieder, die in gut 4.200 Vereinen organisiert sind. Um auch in Zukunft weiter zu den Top-Nationen zu gehören, stellte der DHB 2012 die Nachwuchsförderung auf neue Beine und rief einen sogenannten "Elitekader" ins Leben.
"Deutschland gewann viele Medaillen und Titel bei Junioren-Europa- und Weltmeisterschaften, stellte zudem bei jedem Turnier immer ein, zwei Spieler des Allstar-Teams. Die aber spielten mit 22 oder 23 Jahren immer noch nicht im A-Nationalteam", erklärte Wolfgang Sommerfeld, langjähriger Co-Trainer der Junioren-Nationalmannschaft. "Wir wollten in Sachen Anschlussförderung etwas ändern und starteten mit den Klubs dieses Kooperationsprojekt - auch wenn Verband und Vereine teilweise unterschiedliche Interessen verfolgten."
Mentoren wie der Europameister von 2016, Martin Strobel, unterstützen junge Spielerinnen und Spieler und vermitteln zwischen Verband und Vereinen. Das Konzept gibt den Erfindern Recht: Gleich sechs Spieler des ersten "Elitekaders" schafften den Sprung in die DHB-Auswahl und wurden 2016 in Polen Europameister. Seit 2019 gilt das Förderprogramm auch für Frauen.
Der Artikel wurde nach dem Auftaktspiel des DHB-Teams am 11. Januar aktualisiert.