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Handball-Stars warnen vor zu hoher Belastung

Herbert Schalling
11. April 2019

Mit einem deutlichen Appell weisen internationale Handball-Stars auf die permanente Überbelastung in ihrer Sportart hin. Eine schon lange währende Diskussion nimmt damit neuen Schwung auf.

Deutschland | Handball WM | Deutschland - Norwegen l Patrick Wiencek
Bild: Reuters/A. Hilse

Am vergangenen Freitag hat der Handballer Patrick Wiencek seine Sporttasche gepackt und ist auf Reisen gegangen. Zuerst fuhr er mit seinem Verein, dem THW Kiel, zur Pokal-Endrunde des Deutschen Handball-Bundes (DHB) nach Hamburg. Nach zwei Spielen am Wochenende waren Wiencek und seine Teamkollegen Pokalsieger. Gefeiert wurde kaum. Am Montag ging es für den 30-Jährigen nach Berlin zur Nationalmannschaft. Mit der reiste der Zwei-Meter-Mann nach Polen zum Qualifikationsspiel für die nächste Europameisterschaft. Am Samstag steht schon das Rückspiel in Deutschland an. Danach wird Wiencek nach Kiel zurückkehren, dort zwei Tage trainieren und dann schon wieder nach Berlin fahren: zum Bundesliga-Punktspiel am Donnerstag gegen die Füchse Berlin.

Viele Spiele in wenigen Tagen - keine Ausnahme, sondern Alltag für Spitzenhandballer wie Wiencek. Bei der Weltmeisterschaft im Januar mussten die Halbfinalteilnehmer Dänemark, Norwegen, Frankreich und Deutschland zehn Spiele in nur 18 Tagen bestreiten. Und nach nur eineinhalb Wochen Pause ging es für Wiencek in der Bundesliga weiter.

Nationalspieler Christian DissingerBild: picture alliance/Fotostand

Dass eine derartige Überbelastung nicht ohne Folgen bleibt, hat Patrick Wiencek selbst erfahren müssen. Die EM 2016 mit dem Titelgewinn für Deutschland verpasste er wegen eines Kreuzbandrisses. Für seinen Kieler Klubtrainer Alfred Gislasson liegt der Zusammenhang zwischen der permanenten Überbelastung der Spieler und der steigenden Zahl von Verletzungen auf der Hand: "Ich habe mir weltweit jeden Halblinken zwischen 20 und 24 (Jahren) angeschaut. Fast jeder hat schon einen Kreuzbandriss hinter sich.“

"Unverantwortlich" 
Gegen die Terminhatz in ihrer Sportart protestieren jetzt die internationalen Top-Stars mit einer Videobotschaft. Innerhalb kürzester Zeit wurde sie in den sozialen Netzwerken zigtausend Mal abgerufen. Profis wie Welthandballer Mikkel Hansen aus Dänemark bezeichnen die Zahl von 80 Spielen pro Saison als viel zu hoch. "Die Folgen für die Gesundheit sind unverantwortlich und am Ende auch schlecht für unsere Sportart", mahnt im Video ein Ausnahmekönner wie der Franzose Nikola Karabatic.

Die Kritik ist nicht neu. Nur geändert hat sich bisher recht wenig. "Die Botschaft der Spieler bringt das Problem jetzt noch mal konzentriert auf den Tisch. Das finde ich gut“, meint Oliver Roggisch. Der 40-Jährige, der selbst viele Jahre international spielte, kennt das Probleme aus zwei Perspektiven. Zum einen ist Roggisch Teammanager der deutschen Nationalmannschaft und in dieser Funktion daran interessiert, dass bei einer WM oder EM die besten Spieler für das Nationalteam einsatzfähig sind.

Lösung gemeinsam suchen

Als sportlicher Leiter der Rhein Neckar Löwen weiß er aber auch um die Sorgen vieler Bundesliga-Klubs: "Diese hohen Belastungen betreffen die Topleute, die in der Nationalmannschaft und mit ihren Klubs international spielen. Das sind vielleicht zehn Prozent." Deshalb kann Roggisch auch verstehen, dass sich viele der 18 Vereine gegen eine Reduzierung der Bundesliga aussprechen. "Die Klubs müssen die Spieler bezahlen. Fehlten die Einnahmen von zwei oder vier Heimspielen pro Saison, würde das große Lücken in die Etats reißen."

Von einem Termin zum nächsten: Nationalspieler haben einen dicht gedrängten SpielplanBild: Reuters/A. Hilse

Eine Lösung könne nur gemeinsam gefunden werden, ist auch Axel Kromer überzeugt. "Die Spieler sind unser wertvollstes Gut. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Aktiven und Funktionären“, meint der Sportdirektor des Deutschen Handball-Bundes. "Wir als DHB sind in Gesprächen mit der Bundesliga, mit der europäischen Föderation EHF und dem Weltverband IHF." Wichtig sei, so Kromer, dass alle partnerschaftlich agierten: "Was nicht passieren darf ist, dass der eine sein Programm reduziert und der andere seine Wettbewerbe weiter aufbläst." Als ersten Schritt wird es bei der EM im nächsten Jahr und bei der WM 2021 mehr Ruhetage während der Turniere geben.

Reisestrapazen reduzieren

Der größte Fortschritt wäre jedoch, den Spielern im Sommer eine längere Erholungsphase zu verschaffen. "Basketballprofis in den USA machen pro Saison sogar 80 bis 90 Spiele. Dafür haben sie jedoch drei Monate Sommerpause", macht Holger Glandorf einen Vorschlag für eine Reform des Spielkalenders. Der 36-jährige Ex-Nationalspieler vom deutschen Meister SG Flensburg-Handewitt zählt immer noch zu den leistungsstärksten Handballern in der Bundesliga.
Eine Verringerung der Reisestrapazen könne auch durch einen anderen Spielplan erreicht werden, meint Henning Fritz, als Torhüter 2007 mit Deutschland Weltmeister. "Bei Auswärtsfahrten könnte es ein Spiel am Freitag und ein weiteres am Sonntag in der gleichen Region geben. Vorrangiges Ziel muss es sein, die geistige Frische der Spieler zu erhalten", sagt Fritz, der während seiner aktiven Zeit durch den permanenten Stress unter Burnout-Symptomen litt.

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