Studie zu WTO Programm "Aid for Trade"
14. Oktober 2009Wann hilft ein freier und liberalisierter Welthandel Entwicklungsländern und wann schadet er? Dieser Frage gehen die Wirtschaftswissenschaftler des Hamburgischen WeltWirtschaftinstituts (HWWI) und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) in ihrer neuen Studie nach. Am Beispiel Kenia, Tansania und Uganda wurde untersucht, ob die Initiative "Aid for Trade" der Welthandelsorganisation (WTO) Wirkung zeigt. Das WTO-Programm versucht, die Rahmenbedingungen in einem Entwicklungsland zu verbessern. Vor allem jene, die notwendig sind, damit das Land vom freien Welthandel wirklich profitieren kann. Die jetzt vorgelegte Studie will die WTO-Initiative wissenschaftlich untermauern, will Leitlinien für eine maßvolle und nachhaltige Einbindung von Entwicklungsländern in die internationalen Handelsstrukturen entwickeln.
Das erscheint vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Weltwirtschaftskrise besonders dringlich, denn die Krise stoppte die Expansion des Welthandels 2008 abrupt. Für 2009 wird sogar ein Rückgang des Welthandelsvolumens um zehn Prozent erwartet, was laut Studie vor allem die Wachstumschancen der besonders armen Entwicklungsländer reduzieren dürfte. Wie kann also ein intelligenteres Handelskonzept die Entwicklung fördern? Hier setzt die Studie an.
Mehr Staat, gute Bildung und ein bisschen Infrastruktur
Erste Erkenntnis: Vom Handel profitiert nur das Land, das eine kritische Masse gut ausgebildeter Arbeitnehmer hat und indem es einen stabilen staatlichen Rahmen gibt. Die Studie fordert starke, funktionstüchtige Staatswesen für Entwicklungsländer, denn gerade wenn schwache Länder mit starken Partnern (sprich Industriestaaten) Handel betreiben, spalte sich die Gesellschaft schnell in Gewinner und Verlierer, sagt Professor Matthias Busse vom HWWI. "Nur ein relativ starker und gut funktionierender Staat ist in der Lage, effizient den Verlierern der Globalisierung helfen zu können", sagt Professor Busse, der an der Ruhr Universität Bochum auch den Lehrstuhl für Internationale Wirtschaftsbeziehungen inne hat. Bei den drei untersuchten Ländern schneidet Kenia am besten ab, trotz der politischen Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2007. Was aber wie eine Analyse mit gesundem Menschenverstand klingt, verteidigen Wissenschaftler und Unternehmensberater vehement. Empirisch können sie nämlich auch belegen, dass manches Entwicklungshilfeinstrument wenig sinnvoll erscheint.
Zweite Erkenntnis: In den vergangenen Jahren wurde in der Entwicklungszusammenarbeit der Wert einer funktionierenden Infrastruktur überschätzt. Professor Matthias Busse geißelt vor allem jene Infrastrukturprojekte, die Straßen, Brücken und Häfen ins Blaue hinein gebaut haben. "Es fehlte oft das Nachdenken darüber, ob genau diese Infrastruktur das Land besser in die Strukturen der Weltwirtschaft integrieren wird."
Stärkung der Interessenvertreter der Privatwirtschaft gefordert
Dritte Erkenntnis: Damit mehr gesellschaftliche Gruppen vom Handel einen Nutzen haben, muss die Interessenvertretung der Privatwirtschaft besser organisiert werden. Die Stärkung von Wirtschaftsverbänden und Kammern sei entscheidend, sagt Nikolaus Roloff, Leiter der Abteilung Handelsförderung der Wirtschaftsprüfergesellschaft. Gerade die organisierte Interessensvertretung biete die Möglichkeit, Akteure zu vernetzen, regionale Interessen auch dem nationalen Gesetzgeber zu Gehör zu bringen und Mindeststandards für bestimmte Wirtschaftssektoren zu verankern. "Es müssten allerdings von Seiten der Verbände auch Kapazitäten aufgebaut werden, die diese Funktion wahrnehmen können", gibt Nikolaus Roloff zu bedenken.
Und wo bleibt der Süd-Süd-Handel?
Doch bereits bei der Vorstellung der Studie wurde auch Kritik laut. Vor allem, dass sowohl die WTO-Initiative "Aid for Trade" wie auch die Studie hauptsächlich den Nord-Süd-Handel betrachten, sei eine Schwäche der Studie wie der gegenwärtig praktizierten Entwicklungszusammenarbeit. Zwar gingen nach und nach mehr Mittel in Handelsfördermaßnahmen der "Süd-Süd-Kooperation"; Denken und Handeln der Entwicklungs- wie Handelsakteure seien aber noch zu sehr von klassischen Rollenmustern der Entwicklungszusammenarbeit geprägt, so der Vorwurf. Außerdem wurde vor allem der Ansatz, über die Stärkung von Wirtschaftsverbänden und Kammern einen gerechteren Handel erzielen zu wollen, kritisiert. Schließlich sei nicht ausgemacht, so die Argumentation, dass privatwirtschaftliche Interessenvertreter, zumal in für Korruption anfälligen Staaten, tatsächlich Gemeinwohl orientiert denken und handeln würden.
Fazit: Auch wenn die Studie wohl nicht abschließend über Chancen und Risiken des Welthandels für die drei Beispielländer Kenia, Tansania und Uganda Auskunft geben kann; Wissenschaftler wie Unternehmensvertreter freuten sich darüber, dass bislang gültige Denkverbote durchbrochen wurden. So hätte man früher entweder Entwicklungszusammenarbeit oder aber Handel betrieben, nie beides, sagt Professor Matthias Busse: "Leute aus der Entwicklungszusammenarbeit haben sich angeschaut, wie Institutionen funktionieren und wie Regulierung umzusetzen ist, alles mit einer innenpolitischen Brille. Handelsexperten dagegen hatten ausschließlich Handel im Kopf. Und bei Aid for Trade sollen jetzt endlich beide Gruppen zusammengebracht werden."
Eine Lösung für die international strittigen Handelsfragen in der Doha-Entwicklungsrunde bietet das noch nicht. Vielleicht kann die Studie aber einen Anstoß geben, für den Auftakt einer neuen Debatte.
Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Henrik Böhme