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Handelsstreit auf umstrittener Zahlenbasis

Gernot Heller Reuters
11. Juni 2018

Auf dem G7-Gipfel in Kanada spielten Zahlen und Fakten eine wichtige Rolle beim Streit über gegenseitige Strafzölle. Offenbar hat aber jede Seite ihre eigene Definition von viel und wenig.

Symbolbild Sanktionen Hafen Stacheldraht
Bild: picture alliance/dpa/D. Reinhardt

Der Streit zwischen den USA und den Europäern über neue Zölle und andere Handelsbeschränkungen spielt sich nach Einschätzung des renommierten Ifo-Experten Gabriel Felbermayr auf einer fragwürdigen Datenbasis ab. Eigentlich, so das Fazit seiner Analysen, gibt es ein ziemlich ausgewogenes Bild - wenn man alle relevanten Geschäfte zwischen den USA und der EU einbezieht und nicht nur die des traditionellen Warenhandels. Die aktuelle Debatte leide unter einer "verzerrten Wahrnehmung".

Im Blick hat der Wissenschaftler damit nicht nur US-Präsident Donald Trump, der am liebsten von den gut 800 Milliarden Dollar US-Defizit im Warenhandel mit seinen Partnern in aller Welt spricht. Auch die Europäer nutzen ihre Chancen zu wenig und müssten zudem Fehler in ihrer Statistik beheben. Für Felbermayr ist es jedenfalls die Leistungsbilanz, die letztlich ein umfassendes Abbild der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Regionen ergibt. Sie enthält nicht nur den reinen Waren-, sondern auch den Dienstleistungsverkehr und die darauf entfallenen Geldrückflüsse in die beteiligten Länder. Und da kommt der Wissenschaftler auf Basis offizieller US-Zahlen zu einem ganz anderen Schluss.

Die "übersehenen" Gewinne von Apple, Amazon, Google und Facebook

"Nach den eigenen Zahlen der Amerikaner steht unter dem Strich der Leistungsbilanz ein Plus von 14 Milliarden Euro für die USA", beschrieb Felbermayr die Verhältnisse im gesamten Wirtschaftsverkehr zwischen den USA und den Europäern. Diese Situation einer "schwarzen Null" zugunsten der USA gebe es schon seit 2008. Als Grund identifizierte der Wissenschaftler in erster LInie die Geschäfte und Gewinne der US-Riesen aus der Internetwirtschaft, wie Apple, Amazon, Facebook und Google. Das, so seine Analyse, wiegt den Überschuss der Europäer im Güterhandel komplett auf.

Die US-Regierung selbst spricht, wenn sie überhaupt über etwas anderes als den Warenhandel spricht, allenfalls von ihrem Defizit in der Leistungsbilanz gegenüber dem Rest der Welt von 466 Milliarden Dollar für 2017 - den Mini-Überschuss in der Summe von Waren-, Dienstleistungs- und Geldflüssen mit den Europäern erwähnt sie dagegen kaum. Am liebesten aber spricht Trump, so etwa auch in seinen jüngsten Twitter-Mitteilungen, vom Minus im reinen US-Warenhandel mit der Welt, der sich im vergangenen Jahr auf 811 Milliarden Dollar belief. Davon entfallen allerdings nur 153 Milliarden Dollar auf die Europäer und rund 65 Milliarden Dollar auf die Deutschen.

Wenig hört man von Trump, aber auch den Europäern, von dem US-Überschuss im grenzüberschreitenden Verkehr allein mit Dienstleistungen von 243 Milliarden Dollar. Und in diese Zahl fließen denn auch die meisten Leistungen der Internetkonzerne ein. Auch gegenüber den Europäern verzeichnen die USA nach Zahlen ihrer Regierung hier ein Plus von 51 Milliarden Dollar. Allein mit Deutschland bleibt ein Mini-Defizit von drei Milliarden Euro bleibt. Noch weniger hört man in der aktuellen Debatte von den Rückflüssen an Geldern aus den Auslandsaktivitäten der US-Wirtschaft in die USA, etwa aus Gewinnen ihrer Aktivitäten im Waren- und Dienstleistungsbereich. Bezieht man die auch noch mit ein - es geht hier gegenüber der EU immerhin um Beträge von über 100 Milliarden Dollar - kommt man in der Leistungsbilanz zwischen den USA und der EU am Ende auf den Mini-Überschuss der USA, den Felbermayr in seinen Berechnungen hervorhebt.

"Game of Trade" - wer spielt gegen wen?

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Großer Überschuss im Handel mit den Niederlanden

Gegenüber Deutschland allerdings, so weisen die US-Zahlen aus, bleibt auch in der Leistungsbilanz ein US-Defizit von 64 Milliarden Dollar. Das allerdings, so argumentiert der Ifo-Wissenschaftler und auch die Bundesregierung, darf man nicht isoliert betrachten. Vielmehr müsse man auf die EU insgesamt schauen. Als Grund dafür wird die Praxis der großen US-Internetriesen angeführt, die Gewinne aus ihren Geschäften etwa in Deutschland und Europa über Länder einzustreichen, in denen die Steuerlast relativ gering ist, etwa Irland oder die Niederlande. Und in der Tat: mit den Niederlanden kamen die USA zuletzt auf einen Überschuss in der Leistungsbilanz von fast 100 Milliarden Dollar - weit mehr als das Defizit mit den Deutschen.

Und auch hinter den großen deutschen Exportzahlen in die USA steht mehr, als es Trump bislang erkennen lässt. Rund die Hälfte der deutschen Ausfuhren 2017 von 117,6 Milliarden Dollar entfällt nämlich nach amtlichen deutschen Zahlen auf Vorleistungs- oder Investitionsgüter. Das aber heißt: sie kommen der US-Wirtschaft damit unmittelbar zugute, etwa als Bauteile für wichtige Maschinen oder Vorprodukte für Industrieanlagen. Deren Reduzierung, das ergibt sich daraus logischerweise, würde also auch die US-Wirtschaft empfindlich treffen. Dass letztlich deutsche Produkte und Investitionen mehrere Hunderttausend Jobs in den USA geschaffen haben, ist ein Argument, das die Bundesregierung immer wieder gegenüber Trump bemüht haben, ohne dass man sich damit bislang aus der Schusslinie bringen konnte.

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