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Die wahren Gewinner des US-China-Handelsstreits

Kira Schacht
30. Oktober 2020

Wegen hoher Zölle auf Produkte aus China wenden sich US-Importeure anderen Ländern zu. Eine DW-Analyse zeigt, wo Amerikaner Handys, Computer, Möbel und Kleidung jetzt stattdessen kaufen.

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Dung Trans Geschäft boomt: "Letztes Jahr haben wir unsere Fabrik um eine zweite Etage erweitert. Und gerade schaue ich mir einen neuen Standort an, der viermal größer ist als der jetzige." Für sein Unternehmen Spartronics, das im Auftrag anderer Firmen elektronische Produkte herstellt, ist der andauernde Handelsstreit zwischen China und den Vereinigten Staaten ein Segen. Und damit ist er nicht allein.

Die Vereinigten Staaten und China sind seit mehr als zwei Jahren in einen Handelsstreit verwickelt. Zwischen Juli 2018 und September 2019 haben die USA die Zölle auf fast alle Importe aus China auf bis zu 25 Prozent erhöht.

Diese Strafzölle haben bereits tiefgreifende Auswirkungen. Vor Beginn des Streits stammten 23 Prozent aller US-Importe aus China - mehr als 526 Milliarden Dollar allein im Jahr 2017, und ungefähr so viel wie aus den benachbarten Ländern Kanada und Mexiko zusammen. Ende 2019 waren es nur noch 18 Prozent - ein Rückgang um mehr als 26 Milliarden Dollar.

"Die beiden größten Verlierer des Konflikts sind die USA und China selbst", sagt Yasuyuki Sawada, Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB). Eine Analyse der Bank aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Beschäftigung in beiden Ländern unter dem Konflikt leiden.

Importe aus China gingen während des Konflikts zurück

Für US-Verbraucher bedeutet der Streit, dass sie für chinesische Produkte höhere Preise zahlen müssen. In China hat er vor allem zu einem Rückgang an Exporten geführt, wie eine UN-Analyse im November 2019 aufzeigte.

So haben US-Firmen Ende 2019 wesentlich weniger Mobiltelefone, Computer und Möbel aus China bezogen als Ende 2017, also vor dem Handelskrieg.

2020: Ein Waffenstillstand und eine Pandemie

Im Januar 2020 unterzeichneten die USA und China ein erstes Abkommen, das den Konflikt deeskalieren sollte. Der Deal verlangt von China, zusätzliche US-Produkte in Milliardenhöhe zu kaufen, um seinen Handelsüberschuss mit den USA zu verringern. Die Bedingung wurde schon vor Inkrafttreten des Abkommens als unrealistisch erachtet.

Die Pandemie hat das nur verschärft. "Die Vorgabe, zusätzliche US-Produkte zu importieren, erscheint jetzt sehr anspruchsvoll, denn das Wachstum der chinesischen Wirtschaft wird viel geringer ausfallen, als im Januar vorhergesagt wurde", sagt Yasuyuki Sawada. Außerdem bleiben die bisher verhängten Zölle in Kraft; das Abkommen brachte nur eine Pause, keine Lösung des Konflikts.

Die Pandemie brachte die globalen Lieferketten dann weitgehend zum Erliegen. Doch Chinas Wirtschaft konnte sich seit dem zweiten Quartal 2020 wieder erholen. Nach dem Lockdown gehörte es zu den ersten Ländern, die Volkswirtschaften wie die USA wieder mit den benötigten Produkten versorgen konnten.

"Zum Teil lag das an den steigenden Exporten von Gesundheitsgütern und -ausrüstung", sagt Sawada. So haben sich Importe von Gesichtsmasken aus China in die USA mehr als verzehnfacht.

Dazu beigetragen haben auch die vielen Zollausnahmen, die die USA in den vergangenen Monaten für Operationshandschuhe und Gesichtsmasken, aber auch für elektronische Artikel, Autoteile und andere Produkte gewährt haben. All dies hat den Handel zwischen den USA und China beinahe wieder auf das Niveau von vor Beginn des Streits ansteigen lassen.

Aber die Auswirkungen des Handelskrieges sind immer noch spürbar. Während in den USA die Preise für Importe aus China stiegen, ließ die Nachfrage nach Mobiltelefonen, Computern, Lampen oder Druckern nicht nach. US-Konsumenten und Hersteller schwenkten daher auf andere Länder um.

Südostasien und Mexiko profitierten vom Handelsstreit

"Der Gewinn scheint am größten zu sein für die Länder, die ähnliche Produkte wie China herstellen können", sagt Sawada.

Zu den Profiteuren gehörte zunächst der US-Nachbar Mexiko: Zwischen 2017 und 2019 exportierte das Land als Folge des Handelsstreits schätzungsweise 4,7 Milliarden Dollar mehr in die USA.

Noch wichtiger sind die zusätzlichen Milliarden für Länder wie Vietnam, Malaysia oder Taiwan, die ein niedrigeres Bruttoinlandsprodukt als Mexiko haben.

Hier ist Vietnam der klare Gewinner: Die 6,4 Milliarden Dollar, die das Land während der zwei Jahre des Konflikts an US-Exporten hinzugewann, entsprechen fast dem Doppelten seiner gesamten jährlichen Gesundheitsausgaben.

Das ist das Ergebnis einer DW-Analyse, die Exporte in die USA zwischen 2017 und 2019 untersucht hat. Ein Anhaltspunkt für die Bedeutung eines Landes ist auch der Marktanteil seiner Exporte in bestimmten Branchen des Ziellandes USA.

Ein Beispiel: Vor dem Konflikt kamen 62 Prozent aller von den USA importierten Computer aus China. Ende 2019 waren es nur noch 44 Prozent. Für China entspricht das einem entgangenen Verkaufswert von mehr als fünf Milliarden US-Dollar.

Aber Chinas Verlust war Taiwans und Mexikos Gewinn: Sie gewannen jeweils rund sechs Prozentpunkte an Marktanteilen hinzu. Ende 2019 stellten sie zehn bzw. 25 Prozent der von den USA importierten Computer.

Die Pandemie hat jedoch die Zugewinne, die Mexiko in den vergangenen zwei Jahren erzielt hat, zunichte gemacht. Mexikos Exporte in die USA sind eingebrochen; heute verkauft das Land weniger Waren in die USA als vor Beginn des Handelsstreits.

Dagegen konnten die südostasiatischen Volkswirtschaften ihre Gewinne bisher halten. Vietnam und Taiwan haben ihre Exporte in die USA sogar weiter gesteigert.

Das liegt zum Teil daran, dass sich Länder wie Vietnam schon vor Beginn des Handelsstreits gegenüber ausländischen Herstellern als Alternative zu China positioniert haben, auch weil die Löhne in China inzwischen relativ hoch sind. Samsung aus Südkorea etwa, der weltgrößte Hersteller von Mobiltelefonen, hat 2019 seine letzte Handyfabrik in China geschlossen und produziert zunehmend in Vietnam.

"Vietnam hat nach und nach die Produktion gesteigert, ausländische Investoren angezogen und die Exporte in die USA erhöht", sagt Khiem Vu, Manager für Vietnam bei Global Resources, einer Firma, die Unternehmen mit Lieferanten in Asien verbindet.

Der Handelskonflikt habe die Entscheidung multinationaler Konzerne beschleunigt, ihre Produktion von China in andere Länder zu verlagern, sagt er. "Viele haben ihre derzeitigen chinesischen Hersteller gezwungen, ihre Produktion nach Vietnam zu verlagern. Chinesische Hersteller für Crocs (Schaumstoffschuhe) zum Beispiel haben in Phu Tho Werke mit mehreren tausend Arbeitern gebaut, die nur den US-amerikanischen Markt bedienen".

Elektronik aus Vietnam ist gefragt

Crocs ist nicht der einzige Schuhhersteller, der diesen Schritt macht; Vietnam exportierte Ende 2019 rund 30 Prozent mehr Schuhe in die USA als zwei Jahre zuvor, während Chinas Schuhexporte im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zurückgingen. "Bei arbeitsintensiven Produkten wie Taschen, Koffer, Brillen, Bekleidung, Möbel, Technik und Elektronik sind vietnamesische Lieferanten wegen der Zölle auf chinesische Produkte nun wettbewerbsfähiger denn je", sagt Khiem Vu.

Mehr noch als Schuhe oder Koffer sind es elektronische Artikel - wie die, die Spartronics herstellt - sowie Mobiltelefone und Computer, die den größten Aufschwung erfahren haben. Vietnam exportierte Ende 2019 mehr als doppelt so viele Mobiltelefone in die USA wie zwei Jahre zuvor. 

Für Spartronics hat die Pandemie das Wachstum sogar beschleunigt. "Wir haben Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein", sagt Dung Tran. Ein Teil seines Geschäfts besteht in der Herstellung medizinischer Produkte wie Beatmungsgeräte und COVID-19-Tests. "Dieser Teil des Unternehmens wächst unglaublich. Es gleicht die Schwierigkeiten in anderen Segmenten mehr als aus."

All dies hat sichtbare Veränderungen in Vietnam bewirkt, sagt Dung Tran: "Ich habe früher im Silicon Valley in Kalifornien gelebt. Was wir heute in Vietnam sehen, erinnert mich an den damaligen Dotcom-Boom. Wenn Sie schon einmal in Vietnam waren und jetzt zurückkehren, werden Sie mehr Gebäude sehen, mehr Wolkenkratzer."

Die Frage sei, wie schnell das Land seine Infrastruktur ausbauen könne, um mit dem Wachstum mitzuhalten, sagt er. "Plötzlich gibt es Stau an Häfen und Flughäfen wegen der schieren Menge angelieferter Waren. Die Regierung bemüht sich nachzubessern, aber es wird Zeit brauchen."

Zurück zu freiem Handel

Dung Tran ist zuversichtlich, dass die Veränderungen, die er in seinem Unternehmen und in ganz Vietnam erlebt, Bestand haben. "Südostasien und Vietnam werden weiter wachsen, trotz der Handelskonflikte."

Dennoch wünscht er sich ein Ende des Handelsstreits: "Wir können ohne China nicht leben. Wir müssen uns auf faire Art und Weise aufeinander verlassen können. Das ist sehr wichtig." 

Der Handelsstreit zwischen den Schwergewichten USA und China, das zeigt auch diese Analyse, hat Auswirkungen auf viele weitere Länder. "iPads, iPhones und andere Geräte werden heute über sehr komplizierte, eng verzahnte Lieferketten hergestellt", erklärt Yasuyuki Sawada. "Wenn chinesische Firmen weniger produzieren, beeinträchtigt das auch die Zulieferer in anderen asiatischen Ländern und hat dort negative Effekte." 

Auch Sawada hofft auf ein Ende des Handelsstreits. "Die asiatisch-pazifische Region hat in den letzten Jahrzehnten sehr vom freien Handel profitiert. Wenn es irgend möglich ist, sollten wir dahin zurückkehren."

 

Christine Laskowski hat zur Berichterstattung beigetragen.
Daten, Code und Methodik hinter dieser Analyse finden sich in diesem Github-Repository.

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