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Arbeitsmarkt

1. Mai 2011

Mit dem 1. Mai ist es soweit: Sieben Jahre nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union dürfen Bürger aus acht weiteren EU-Staaten ohne jede Einschränkung zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Aber werden sie das auch?

Ein polnischer Arbeiter des Subunternehmens "Polbau" trägt Holzlatten auf eine Baustelle. (Foto: dpa)
Sehr gefragt: Bauarbeiter aus PolenBild: picture-alliance/dpa

In Krankenhäusern und auf Pflegestationen würden Bewerber mit offenen Armen empfangen, hier gibt es viele offene Stellen. Bedarf gibt es außerdem in technischen Branchen. Ein Thema ist die neue Freizügigkeit auch in deutschen Handwerksbetrieben. Ausgebildete Handwerker werden kaum kommen, sagt Alexander Legowski vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. "Wir haben ja schon Zehntausende – etwa aus Polen – als selbständige Handwerker in Deutschland in der Handwerksrolle stehen." Als Selbständige konnten sie sich ja schon seit Mai 2004 in Deutschland anmelden. Legowski glaubt aber, dass Polen und Tschechen vor allem Interesse an einer Ausbildung in Deutschland haben und daher der Andrang "zumindest in der Grenzregion erst einmal sehr groß sein wird".

Andrang erwünscht

Die deutsche duale Ausbildung hat im Ausland einen guten RufBild: picture-alliance/dpa

Wenn in polnischen oder tschechischen Medien über die bevorstehende Freizügigkeit und den deutschen Ausbildungsmarkt berichtet werde, sagt Legowski, dann stünden beim Zentralverband des Deutschen Handwerks die Telefone nicht mehr still. Legowski freut das, denn gerade die ostdeutschen Handwerksbetriebe leiden unter den Folgen des demographischen Wandels. Für die Handwerkskammern entlang der Grenze kann die Freizügigkeit daher gar nicht schnell genug kommen. "Dort ist die Not am größten", weiß er. Im Bundesland Brandenburg seien in den vergangenen zwei Jahren viele hundert Ausbildungsplätze frei geblieben.

Tiefbauer mit Weitblick

Während die ersten Ausbildungsstellen in grenznah angesiedelten Unternehmen bereits vergeben sind, hat sich im Tiefbauunternehmen Frisch & Faust in Berlin bis jetzt noch kein potenzieller Auszubildender aus Mittel- oder Osteuropa gemeldet. Dabei sucht das Unternehmen ständig neue Lehrlinge, denn die Geschäfte rund um die Errichtung, Wartung und Sanierung von Kanalrohren, Trinkwasser- und Gasleitungen laufen gut, sagt der kaufmännische Leiter Dieter Mießen. Seine Firma arbeitet bundesweit und hat darüber hinaus auch Kontakte in die arabische Welt, nach Bahrein. Von den 110 Mitarbeitern sind 22 Auszubildende. "Es gibt kein Berliner Tiefbauunternehmen, das mehr Auszubildende hat als wir", sagt Mießen nicht ohne Stolz.

Migranten gesucht

Mit der hohen Ausbildungsquote will sich das Unternehmen gegen den drohenden Fachkräftemangel wappnen. In sechs Berufen wird ausgebildet, Mießen kümmert sich zunehmend auch darum, Jugendliche mit Migrationshintergrund für eine Ausbildung als Kanalbauer, Mechaniker oder auch Bürofachkraft zu begeistern. "In Zukunft sollen ein Viertel unserer Auszubildenden Jugendliche mit Migrationshintergrund sein."

Ohne sie geht es bald nicht mehr: Menschen mit MigrationshintergrundBild: picture-alliance/dpa

Mießen sieht die Situation pragmatisch. In ein paar Jahrzehnten, sagt er, werde die Mehrzahl der in Berlin lebenden Menschen einen Migrationshintergrund haben. Dieser demographische Wandel müsse sich in der Belegschaft widerspiegeln. Daher sei es selbstverständlich, dass im Zuge der Freizügigkeit auch EU-Bürger aus Mittel- und Osteuropa auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen würden. Langfristig würden sich die Volkswirtschaften in Europa weiter verzahnen. "Das hört nicht an der Oder auf", meint Mießen. "Wir haben hier eine sehr hohe Affinität in Richtung Osten, und das wird sich auch in der Wirtschaft widerspiegeln."

Nachbesserungen gefordert

Dieter Mießen: Freut sich über jeden qualifizierten BewerberBild: Fotostudio Charlottenburg

Mießen freut sich über jeden qualifizierten Bewerber - und so sehen das auch andere Unternehmer. Bei den Gewerkschaften ist die Stimmung nicht ganz so entspannt, vielfach wird vor billigen Leiharbeitern und Lohndumping gewarnt. Denn zukünftig können auch Firmen aus den osteuropäischen EU-Staaten in Deutschland uneingeschränkt Dienstleistungen anbieten und Aufträge übernehmen. Für ihre Arbeiter müssen sie die Steuern in den ersten sechs Monaten nur nach heimischem Recht entrichten. Das Gleiche gilt für die Sozialabgaben: Hier gibt es eine Frist von zwei Jahren. Das aber wäre deutlich weniger, als deutsche Firmen für ihre Beschäftigten zahlen müssen. Hier, so heißt es bei den Gewerkschaften, gebe es noch erheblichen Verbesserungsbedarf.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Henrik Böhme

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