Hannover Messe: Kollege Roboter?
24. April 2017Wer ein Faible für Roboter hat, der wird in diesen Tagen in Hannover vergleichsweise einfach fündig. Auf der größten Industrieschau der Welt gibt es sie zuhauf: Die Kollegen aus Stahl, die mit immer eleganteren Bewegungen immer mehr Tätigkeiten übernehmen können. Waren es früher nur einfache Handgriffe, so können die stählernen Helfer heute schon viel mehr: Sie kommunizieren untereinander, sie sind mobile Assistenten.
Auf ihrem gut zweistündigen Rundgang begutachtete die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel etliche Exemplare der neuen Spezies und kam zu dem Schuss: "Man merkt, dass Industrie 4.0 nicht nur ein Projekt ist, sondern dass es realisiert wird und in kompakten Lösungen auch angeboten wird."
Bedienung ohne Anleitung
Wenn hier in Hannover manches durchaus spielerisch wirkt, etwa wenn einer von den Stahl-Typen zum Tischtennis-Match lädt, so hat das Ganze doch einen ernsten Hintergrund. Denn dieses neue, Industrie 4.0 genannte Phänomen, es hält nunmehr tatsächlich Einzug in die Fabrikhallen. Messechef Jochen Köckler kennt den Grund dafür: "Das iPhone hätte sich niemals so schnell durchgesetzt, wenn nicht jemand da gewesen wäre, der gesagt hat: Wir brauchen keine Bedienungsanleitung mehr. Und dieses Denken zieht jetzt in die Fabriken ein."
Aber natürlich stellen sich viele die Frage: Wenn der Roboter alles kann, was bleibt dann für mich übrig? Köckler meint, wenn die sich neuen Technologien durchgesetzt hätten, dann würden auch wieder Jobs nach Westeuropa und damit auch nach Deutschland zurückkehren. Eine hier vorgestellte Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) scheint das zu bestätigen: 2015 habe es demnach über 500 Rückverlagerungen gegeben. Die Gründe: höhere Flexibilität und sinkende Lohnkosten aufgrund der stärkeren Automatisierung der Produktion. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sagt für 2017 sogar die Schaffung von 500.000 neuen Arbeitsplätzen voraus.
Und auch sonst fallen die Antworten auf der der Messe fast immer positiv aus. Zum Beispiel die von Robert Bauer, Chef des Mittelständlers Sick aus dem Schwarzwald, einem führenden Hersteller von Sensortechnik. "Wir glauben, wenn Industrie 4.0 nicht von uns gemacht wird und zwar richtig, dann machen es andere und dann sind Arbeitsplätze wirklich gefährdet", so Bauer gegenüber der DW. So sei Industrie 4.0 ein weiterer Schritt in der Automatisierung, "und da haben wir ja schon viele Schritte hinter uns." Das schaffe eher Arbeitsplätze für Deutschland. "Schwierig wird es, wenn wir uns selbst nicht drauf einstellen."
Roboter für Menschen
Ähnlich sieht das Till Reuter. Er ist Chef von Kuka, jenem Automatisierungs-Unternehmen, das unlängst von einem chinesischen Investor übernommen wurde. Man baue Roboter für Menschen, sagt Reuter im Gespräch mit der DW. Roboter sollten Menschen in der Produktion und in der Arbeitswelt unterstützen, Roboter sollten helfen, dass man im täglichen Leben besser und länger in gewohnter Umgebung wohnen und arbeiten könne. "Von daher sind wir überzeugt, dass Roboter dem Menschen helfen." Natürlich erwartet man in der Automatisierung, dass Menschen höher qualifizierte Tätigkeiten ausüben.
Assistenzsysteme aller Art, unter anderem Greif-Roboter, die für die Messe-Show Lego zusammenbauen, bietet das Familienunternehmen Schunk aus dem schwäbischen Lauffen an. Roboter als Jobkiller? Der Chef des Weltmarktführers, Henrik Schunk erwartet eher eine Verdreifachung des Umsatzes. Denn schließlich könnten die deutschen Hightech-Unternehmen davon profitieren, wenn zur "Kompetenz bei der Hardware jetzt die Software kommt."
Bildungsoffensive ist Pflicht
Schunk sagt im DW-Gespräch aber auch, es werde mit Sicherheit Tätigkeiten geben, wo ein autonomes System produktiver ist. Aber die Automatisierung gebe es schon 30 Jahre. "Auf den Titelseiten stand schon immer: Werden die Jobs wegfallen? Aber wenn man sich den Arbeitsmarkt, die Beschäftigung in Deutschland anschaut, das sucht seinesgleichen." Und das, obwohl die Ausstattung der Produktion mit Robotern in den letzten zehn Jahren extrem zugenommen habe. "Ich würde mir keine Sorgen machen. "
Voraussetzung sei allerdings, so Schunk weiter, eine Bildungsoffensive. Dafür aber seien vor allem die Unternehmen selbst verantwortlich. Schunk ist schon seit vielen Jahren Stammgast der Hannover Messe. Erst zum zweiten Mal dabei ist dagegen der US-Industrieriese General Electric (GE). Dessen Deutschland-Chef Stephan Reimelt sieht die Industrie in Sachen Digitalisierung eher noch am Anfang.
Bei GE habe man schon vor einigen Jahren damit angefangen, die Digitalisierung in den eigenen 500 Werken voran zu bringen. "Wir haben allein im letzten Jahr die Produktivität in unseren eigenen Werken um 730 Millionen Dollar gesteigert. Wir lernen dabei enorm viel und unsere Kunden partizipieren davon." Die Entwicklung gehe rasant weiter. Wichtig sei es zu erkennen, "dass wir alle noch eine Menge vor uns haben." Dabei setzen die Amerikaner allerdings anders als Deutschland mit dem von der Politik gesetzten Rahmen "Industrie 4.0" auf offene Ressourcen, wie sie in dem dort forcierten "Industrial Internet Consortium" (IIC) vereinbart sind.
Ob Industrie 4.0 oder IIC: Den Überblick, wo man aktuell steht, den gibt es zumindest in den kommenden Tagen gebündelt in Hannover. 200.000 Besucher werden erwartet, um sich selbst ein Bild davon zu machen, wohin die Reise geht in Sachen Digitalisierung der Produktion.