1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

30 Millionen Iraner umgehen Internetverbote

14. Juli 2018

Dies hat der iranische Vize-Generalstaatsanwalt beklagt. Und er wischte zugleich den ungeliebten Reformern eins aus - in Person des jungen Kommunikationsministers. Der 36-Jährige denkt übers Internet nämlich ganz anders.

Jugendliche Smartphone-Nutzer im Mellat-Park im Norden der Hauptstadt Teheran (Foto: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh)
Jugendliche Smartphone-Nutzer im Mellat-Park im Norden der Hauptstadt TeheranBild: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh

Mehr als 30 Millionen Iraner umgehen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft die Internetverbote des Landes. Viele verschafften sich mit einem sogenannten VPN-Tunnel vor allem Zugang zum Chatdienst Telegram, obwohl dieser seit Mai gesetzlich verboten sei, sagte Vize-Generalstaatsanwalt Abdolsamad Chorramabadi in Teheran. Es könne nicht angehen, dass Gesetze im Land derartig ignoriert würden, beschwerte er sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna. Der Iran hat gut 80 Millionen Einwohner. Insofern trifft die Kritik Chorramabadis knapp 40 Prozent der Gesamtbevölkerung.  

Schließung aller sozialen Netzwerke gefordert 

Chorramabadi machte auch Kommunikationsminister Mohammad Javad Azari Jahromi verantwortlich. Für Jahromi, mit 36 Jahren der jüngste Minister in der Regierung von Präsident Hassan Rohani, sind die Internet-Verbote absurd. Man könne im 21. Jahrhundert den Zugang der Menschen zu Informationen nicht mehr stoppen, so der Minister.

Telegram oder auch soziale Dienste wie Instagram, Twitter und Facebook bereiten dem islamischen Establishment schon seit Jahren Kopfschmerzen. Das Internet wurde und wird bei regimekritischen Proteste als wichtigstes Kommunikationsmittel der Demonstranten genutzt. Informationen, Videos und Bilder der Proteste wurden über diese Dienste im In- und Ausland verbreitet und von Medien weltweit verwendet. Die Hardliner fordern daher, dass alle sozialen Netzwerke geschlossen werden.

Iranische Studenten bei einer Protestveranstaltung Ende Dezember 2017 in der Teheraner UniversitätBild: picture-alliance/AP Photo

Auch den Abgeordneten gedroht  

Im Mai hatte der Wächterrat sogar damit gedroht, dass die Nutzung von Twitter den iranischen Parlamentsabgeordneten den Job kosten könnte. "Der Wächterrat wird auf alles, was die ideologische Qualifikation der Kandidaten verzerren könnte, reagieren", erklärte damals ein Sprecher des Gremiums. Der Wächterrat im Iran ist nach der Verfassung auch für die ideologische Prüfung von Kandidaten für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zuständig. Irans Reformer sehen in dem Rat mit seinen zwölf erzkonservativen Mitgliedern das undemokratischste Gremium im Land.

Im Iran sind zwar unzählige Internetseiten gesperrt, aber das Twitter-Verbot zählt seit Jahren zu den absurdesten Gesetzen im Gottesstaat. Über kostenlose Datentunnel wird der Dienst nicht nur von Millionen Iranern genutzt. Auch alle iranischen Medien und sogar hochrangige Offizielle wie Rohani sind auf Twitter. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nutzt Twitter sogar für Reaktionen auf weltpolitische Entwicklungen. Rohani und das Kommunikationsministerium wollen das Twitter-Verbot schon seit Jahren aufheben, aber der Präsident kann sich gegen die Hardliner in der Justiz nicht durchsetzen. Die sind der Ansicht, dass Dienste wie Twitter und Facebook eine "Kulturinvasion des Westens" sind und das Ziel verfolgen, besonders unter den Jugendlichen im Land die religiösen Werte zu untergraben. Daher sind sie auch für ein nationales und vom Staat kontrolliertes Internet.

sti/qu (dpa)