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Film

Filmstar Hardy Krüger ist tot

Sven Töniges
20. Januar 2022

In seiner Jugend stand Hardy Krüger vor einer steilen NS-Karriere. Doch nach dem Krieg wurde er Filmstar und Kämpfer gegen rechte Gewalt. Nun ist er im Alter von 93 Jahren gestorben.

Hardy Krüger
Hardy Krüger war ein internationaler Star Bild: picture-alliance/Eventpress MP

"Mit dem Tod bin ich aufgewachsen, ich hatte mich an ihn gewöhnt", antwortete Hardy Krüger 2018 in einem Interview kurz vor seinem 90. Geburtstag auf die Frage, ob er sich vor dem Tod fürchte. Der Filmstar im Ruhestand verwies auf all das, was er überlebt hatte: Fronteinsätze im Zweiten Weltkrieg, Bombenkrieg, Todesurteil und Erschießungskommando. "So viel Glück kann ein einzelner Mensch gar nicht haben", resümierte er.

Jetzt teilte seine Künstleragentur in Hamburg mit, dass Krüger im Alter von 93 gestorben ist. "Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau Anita, mit der er 46 Jahre lang glücklich zusammen war, und seiner Familie", so die Agentur.

Die NS-Karriere zu Füßen 

Die keineswegs glückliche Zeit der Weltwirtschaftskrise ist es, in die Eberhard August Franz Ewald Krüger am 12. April 1928 im rauen Berliner Stadtteil Wedding hineingeboren wird. Der Vater, ein Ingenieur, ist Fan von Adolf Hitler und frühes NSDAP-Mitglied. Zu Hause auf dem Klavier steht eine Büste Hitlers. 

"Ich bin als Nazi erzogen worden", erzählte Krüger immer wieder mit Blick auf seine Eltern und Lehrer. Mit dreizehn wird er gar auf der sogenannten Ordensburg im bayerischen Sonthofen aufgenommen: eine NS-Kaderschmiede, die die künftige Elite des Regimes formen soll. 

Als Nazi-Eliteschüler wirkt Krüger 1943 in einer Nebenrolle im Film "Junge Adler" mit. Ausgerechnet bei den Dreharbeiten zu diesem NS-Propaganda-Streifen hört Krüger im vertrauten Gespräch von einem älteren Schauspieler den Satz über Hitler, der sein Leben verändert: "Dein Halbgott, dieser österreichische Anstreicher, der ist ein Verbrecher." Krüger erfährt, was in Lagern wie Bergen-Belsen und Dachau geschieht.

Todesurteil

Gerade als er seinen Glauben an Regime und "Endsieg" verloren hat, wird Krüger im Frühjahr 1945 mit der SS-Einheit "Nibelungen" an die Front befohlen. Als er sich weigert, auf US-Soldaten zu schießen, verurteilt ihn ein Standgericht wegen "Feigheit vor dem Feind" zum Tod durch Erschießen. Doch der SS-Mann, der das Urteil vollstrecken soll, schießt nicht. Weil Krüger, damals sechzehn Jahre alt, noch ausgesehen habe wie ein Kind, vermutet dieser später.

Jahre nach dem Krieg spielte Hardy Krüger im Kriegsfilm "Die Brücke von Arnheim" mitBild: picture-alliance/dpa

Stattdessen wird er nun als Melder in den Bombenhagel geschickt. Einen Meldegang in den Alpen nutzt Krüger zur Desertion, gerät später aber in US-Kriegsgefangenschaft. Und wieder hat er Glück. Ein US-Captain lässt ihn laufen. Auch als er kurz darauf in die Hände sowjetischer Soldaten gerät, kann er entkommen. Nach einmonatiger Flucht durch Süddeutschland gelangt Eberhard Krüger zurück nach Berlin. Im Jahr 1945 kommt er ins zerstörte Hamburg.

Aus Eberhard wird Hardy Krüger

In der Hansestadt ermuntert ihn der Regisseur Wolfgang Liebeneiner, Statist am Schauspielhaus zu werden. Beim britisch kontrollierten Radio Hamburg arbeitet Krüger als Sprecher. Im Vorstellungsgespräch sitzt der einstige NS-Eliteschüler einem englischen Juden gegenüber. Mit den Worten "Ich will Gnade vor Recht ergehen lassen", gibt er Krüger eine Chance. Der ändert seinen Namen. Denn die Sowjetunion, wo Krügers Vater in Lagerhaft starb, verlangte die Auslieferung "dieses Nazi-Sohns". Nachdem aus Eberhard Hardy Krüger geworden ist, lassen sie von ihm ab. 

Hardy Krüger in jungen Jahren Bild: picture-alliance/United Archives

Der Entschluss, Schauspieler zu werden, ist längst durch Bühne und Radio gereift. Doch der deutsche Film ist Krüger zu seicht. Die französische "Nouvelle Vague" hat es ihm angetan. Also geht er 1954 zum Klinkenputzen nach Paris, wo man nicht auf ihn gewartet hat: "Deutsche wie Sie hatten wir hier genug, zu Hunderttausenden, in grauer Uniform. Wir können Sie hier nicht brauchen, hauen Sie ab", bekommt er zu hören. 

Durchbruch mit "Einer kam durch"

Auch die Engländer wollen zunächst nichts von ihm wissen. Doch 1957 kann er im Kriegsfilm "Einer kam durch" den Fliegeroffizier Franz von Werra spielen, dem mehrfach die Flucht aus britischer Kriegsgefangenschaft gelang. Die Premiere des Films ist die Geburtsstunde des internationalen Filmstars Hardy Krüger.

1957, Krüger lebt inzwischen als international beachteter Schauspieler in England, wird die Synagoge in Köln mit Hakenkreuzen beschmiert. Krüger ist entsetzt und richtet sich mit einem Artikel in der britischen "Daily Mail" an seine deutschen Landsleute: Er könne nicht verstehen, wieso Alt-Nazis Lehrer werden dürfen, die KPD aber verboten sei. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer schimpft über diesen "jungen Deutschen, der die Bundesregierung von England aus belehren" wolle. Hardy Krüger kann er damit nicht zum Schweigen bringen.

Kampf gegen alte und neue Nazis

Über Jahrzehnte setzt Krüger seine Prominenz und Ressourcen ein, "jeden Alt-Nazi und jeden neuen Nazi" zu bekämpfen. Mit unzähligen Schulbesuchen, Vorträgen und 2014 mit der Initiative "Gemeinsam gegen rechte Gewalt" tritt er noch mit fast 90 Jahren neonazistischen Tendenzen entgegen. In seinen letzten Jahrzehnten, in denen Krüger mit seine Frau Anita in Kalifornien und Hamburg lebt, musste er erleben, dass sein Engagement gegen Rechts in Deutschland wieder dringlicher wurde. 

Jetzt ist der gebürtige Berliner für immer verstummt.

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