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Harmonischer Start ins Arbeitsjahr

Kay-Alexander Scholz23. Januar 2014

Die Bundesregierung hat auf Schloss Meseberg, 60 Kilometer vor den Toren Berlins, einen Jahresplan vereinbart und Projekte vorgestellt. Auch ein neuer Teamgeist soll in der ländlichen Atmosphäre entstanden sein.

Gruppenfoto des Regierungskabinetts (Foto: AP)
Gruppenfoto des Regierungskabinetts - Merkel läuft nach einem Ski-Unfall auf KrückenBild: picture-alliance/AP Photo

Bundesregierung zufrieden mit Klausur

01:45

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Kanzlerin Angela Merkel hat ein neues Lieblingsprojekt. Auf der Pressekonferenz nach einer zweitägigen Klausurtagung der Bundesregierung kündigte sie an, dass sich die Bundesminister mit dem Thema "Gutes Leben" beschäftigen werden. Welche qualitativen Anforderungen die Bürger an eine gute Lebensqualität stellten und welche Schlussfolgerungen daraus für die Politik zu ziehen seien, das liege ihr "sehr am Herzen", so Merkel. Natürlich spielten materielle Faktoren eine wichtige Rolle. Aber es ginge auch um andere Faktoren wie Arbeits- und Familienzeit oder um die Frage, wer sich kümmert, wenn man krank ist. Die Kanzlerin möchte so die Arbeit einer Enquetekommission des Bundestags weiterentwickeln, die sich in der vergangenen Legislaturperiode mit diesem post-materiellen Themenbereich beschäftigt hat.

Neue Geschlossenheit

Merkel betonte dieses Projekt wohl auch deshalb, weil es ressortübergreifend und damit beispielhaft ist. Die "intensiven Beratungen und Diskusionen" am Tagungsort auf Schloss Meseberg hätten ihr gezeigt, wie "viele Themen über ein Ressort hinaus von Bedeutung sind". Als weiteres Beispiel hierfür nannte die Kanzlerin eine zu erarbeitende digitale Agenda, um die "Formen und Facetten der Digitalisierung in den Blick zu nehmen".

Schloss Meseberg - Gästehaus der BundesregierungBild: picture-alliance/dpa

Was früher einmal Querschnittsthema genannt wurde, umschrieb Merkel vor den Journalisten als allgemeine Herausforderung für das Regierungshandeln. Damit gab die Kanzlerin auch eine Antwort auf die Sorgen und Kritik der Öffentlichkeit an dem bisher eher zerstrittenen Auftreten der Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD. Geschlossenheit als faktische Notwendigkeit - und Meseberg machte den Anfang dafür, denn "es wär schön", wie Merkel sagte.

Milliardenschwere Lernkurve beim Ökoausbau

Die Klausur hatte zum Ziel, einen Plan für das laufende Jahr 2014 aufzustellen. Unerwähnt blieb in der Pressekonferenz das von der CSU initiierte Vorhaben einer PKW-Maut für Ausländer auf deutschen Autobahnen. Auch wurde nichts über den Bundeshaushalt gesagt. Dafür aber gingen Merkel und ihr Vize, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, ausführlich auf die bereits am Mittwoch beschlossenen Eckwerte einer Reform des sogenannten Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ein. Es sei wichtig, "dass wir im Bereich der Energieversorgung die industrielle Basis sichern und die Bürger nicht durch einen zu hohen Anstieg des Strompreises überstrapazieren", sagte Merkel.

Gabriel, im Kabinett für Wirtschaft und Energie zuständig, nannte die Zahl von jährlichen 24 Milliarden Euro, die der Wirtschaft durch die Energiewende entzogen würden. Das sei die "Lernkurve, die wir jetzt noch 20 Jahre mitnehmen", gab Gabriel zu. Beim weiteren Ausbau der Ökoenergie in Deutschland müsse nun darauf geachtet werden, "dass das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht". Die Kosten zu senken und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, das ließe sich nicht durch "das Addieren von Einzelwünschen" erbringen. Gabriel ging damit auf die von verschiedenen Seiten bereits geäußerte Kritik an der EEG-Reform ein. "Die Marschroute muss vorgegeben werden", verteidigte der Minister das Vorhaben.

Auch Merkel argumentierte für die EEG-Reform. Es stimme nicht, dass nun kein Ausbau des Ökostroms mehr stattfinde, wie Kritiker behaupten. Wenn man das langfristige Ziel betrachte, bis zum Jahr 2050 auf einen Ökostromanteil von 80 Prozent zu kommen, "dann liegen wir genau auf dieser Linie". Denn die Bundesregierung habe sich in den Koalitionsverhandlungen auf den Ausbau bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent geeinigt. Zur Frage der Offshore-Energie betonte Merkel, diese Technologie stecke im Vergleich zur Onshore-Windenergieerzeugung oder Solarstrom noch in den Kinderschuhen und brauche eine Chance, marktfähig zu werden. So wie alle anderen Arten des Ökostroms auch marktfähig werden müssten, so Merkel. "Intensive und strittige Beratungen" deuteten sich bereits an, so Merkel weiter, aber die Entscheidung sei richtig.

Angela Merkel und ihr Vize Sigmar Gabriel verteidigten die Pläne für Rente und den ÖkostromBild: Getty Images

Moralische Verpflichtung bei der Rente

Das zweite große innenpolitische Vorhaben der noch jungen Regierung, nämlich Verbesserungen bei der Rente für Mütter und Bürger mit 45 Arbeitsjahren, soll noch im Januar auf den Weg gebracht werden, kündigte Merkel an. Im Gegenzug zu dieser "Unterstützung für Ältere" gebe es für die Jüngeren eine Demografie-Reserve.

Ihr Vize Gabriel ging ausführlich auf die Kritik am Rentenpaket ein. Er kritisierte den Versuch, in der öffentlichen Diskussion jung gegen alt ausspielen zu wollen und begründete die Eingriffe ins Rentensystem mit der "moralischen Verpflichtung, den älteren Generationen einen fairen Lebensabend" zu ermöglichen. Diese hätten schließlich unter schwierigeren Verhältnissen als heutzutage gearbeitet und würden nun keine "überbordenden Renten" bekommen. Die aktuellen Maßnahmen seien ein "angemessener Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft", wofür auch mehr Steuergeld möglich sein müsse.

Keine Entscheidung zu Zentralafrika

Merkel berichtete, Außenminister Frank-Walter Steinmeier habe am Abend das Kabinett einen umfassenden Überblick über die internationale Sicherheitslage gegeben. Bei den Konfliktherden Syrien, Afrika und Nahost werde sich Deutschland nicht seiner Verantwortung entziehen und "seinen Beitrag leisten", sagte die Kanzlerin.

Konkret sei es vorstellbar, dass Deutschland seine Ausbildungsmission in Mali verstärke. So Merkel. Einen Kampftruppeneinsatz aber soll es nicht geben. Und weil man dort wenig Erfahrungen habe und die Abstimmungen auf EU-Ebene noch liefen, habe das Kabinett keine Beschlüsse bezüglich der Krise in Zentralafrika vereinbart.

Dazugelernt

Am Ende der Pressekonferenz fragte einer der Journalisten, welche Unterschiede Merkel sehe zur Kabinettsklausur im Jahr 2006, als CDU, CSU und SPD schon einmal unter ihrer Führung gemeinsam zu regieren begannen. Die beiden Wirtschaftskrisen hätten die Welt anders werden lassen. Zum einen sei Europapolitik inzwischen "fast Innenpolitik". Zum anderen habe die soziale Marktwirtschaft in der Globalisierung ihre Stärke bewiesen und müsse deshalb gestärkt werden.

Sozial und gleichzeitig marktwirtschaftlich sein zu wollen - an diesem Image hat die neue Bundesregierung auch in Meseberg gefeilt. Ein gemeinschaftliches Auftreten aller Minister soll, so scheint es, diese Balance stützen. Sigmar Gabriel sagte, Zusammenarbeit und gemeinschaftliche Verantwortung seien bei den beschlossenen Projekten als Voraussetzungen für den Erfolg definiert worden. Dieser Aspekt habe ihm in Meseberg besonders gefallen.

Kritik an Meseberg kam von der Opposition. Linksfraktionschef Gregor Gysi nannte die Ergebnisse der Klausur "relativ mager". Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte: "Uns reicht das nicht. Eine große Koalition muss auch große Lösungen
präsentieren."

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