Harren auf Harry
20. Juli 2007Die Hysterie übertrifft alles bisher Dagewesene. Der größte Online-Buchhändler Amazon verzeichnet fast 2,2 Millionen Vorbestellungen, 170.000 davon in Deutschland. Der US-Verlag Scholastic druckt als Startauflage zwölf Millionen Stück des siebten und letzten Bandes "Harry Potter and the Deathly Hallows". In Großbritannien sollen in den ersten 24 Stunden drei Millionen Exemplare über den Tisch gehen. Die Startauflage des ersten Bandes lag einst bei 500 Stück.
In Harrys Heimat Großbritannien rüsteten sich Fans mit Zauberstäben und Hexenbesen für den offiziellen Verkaufsstart in der Nacht auf Samstag (21.7.) kurz nach Mitternacht britischer Zeit (1.01 Uhr MESZ). Einige, die es gar nicht abwarten können, lagern bereits seit Donnerstag nahe des Piccadilly Circus in London - dort soll Europas größte Potter-Party steigen. Der Buchhändler Waterstone's erwartet tausende Fans und lädt zum Schlange-Stehen plus Magierschau ein. Eine Hotline soll für die folgenden 48 Stunden eingerichtet werden: für hysterische Fans - "falls Harry stirbt", erklärt eine Sprecherin.
Fünfzehn Millionen für ein Geheimnnis
Ob Potter denn nun wirklich das Zeitliche segnet, weiß offiziell noch niemand. Das Geheimnis um das Schicksal des Zauberlehrlings war dem Bloomsbury-Verlag immerhin 15 Millionen Pfund wert. Zur Bewachung wurden Grundstücke angemietet und Sicherheitsteams engagiert; Mitarbeiter mussten unterschreiben, sich nicht zum Inhalt zu äußern.
Alles vergebens: Etwa 1200 Exemplare hatten US-Buchhändler in den USA bereits versehentlich an Kunden ausgeliefert, die "New York Times" veröffentlichte bereits eine Buchrezension, ohne allerdings konkrete Details über das Schicksal Harry Potters zu verraten. Hacker stellten schon vor Wochen eine 700seitige Raubkopie ins Netz, in der Harry Potter ein völlig überraschendes Ende nimmt: Nämlich als dreifacher Vater.
Tod als Transe?
Grundlage vieler Mutmaßungen ist die geheimnisvolle Ankündigung von Autorin Joanne K. Rowling, im letzten Band der Serie zwei wichtige Figuren sterben zu lassen. Das Thema beschäftigt sogar Schriftstellerkollegen. "Ich hoffe, Harry stirbt an einer Überdosis Heroin, in Frauenkleidern, in einem Transvestitenclub in Amsterdam", erklärte der französische Autor Frédéric Beigbeder - die Fan-Hotline hätte wohl Hochbetrieb.
Harry entweiht den Sabbat
Doch Harry hat nicht nur Fans. Der größte Unmut regt sich derzeit in Israel. Für orthodoxe Juden stellt der Verkaufsstart eine schwere Störung des heiligen Sabbats dar. Handelsminister Eli Jischai soll Buchhandlungen, die die gesetzliche Sabbat-Ruhe verletzen, kräftige Strafen angedroht haben. Bei christlich-evangelikalen Gruppen steht Harry sogar auf den Index: Wegen Propagierung von Okkultismus. Auch der Vatikan hatte sich schon warnend geäußert. Die britischen Anglikaner dagegen wollen die Abenteuer des Zauberlehrlings für die christliche Botschaft nutzen. Der Bischof von Oxford, John Pritchard, will in den Geschichten biblische Parallelen entdeckt haben.
Wer sich hingegen wirklich gar nichts aus der Harry-Hysterie macht, kann auf eine Ende hoffen: Die letzten Zeilen zu schreiben, sei ein schmerzlicher Verlust wie ein Trauerfall gewesen, hatte die Autorin vermeldet. Das klang erfreulich endgültig. Echte Fans können aber ohnehin nicht akzeptieren, dass die Potter-Reihe jemals ein Ende haben wird. "Es wäre traurig für uns zu sagen, jetzt ist Feierabend", sagt Saskia Preißner, Gründerin eines 100.000 Mitglieder zählenden Fanclubs. Falls Joane K. Rowling die Serie tatsächlich beendet, wollen die Potter-Anhänger eine eigene Fortsetzung schreiben.
Tod bringende Heilige?
"Harry Potter and the Deathly Hallows" erscheint vorerst nur auf Englisch. Für die deutsche Ausgabe, die am 27. Oktober erscheint, erwartet der Carlsen Verlag einen Absatz von mehr als drei Millionen Exemplaren. Über die Übersetzung des Titels herrscht noch Uneinigkeit: "Harry Potter und die geweihten Räume des Todes" lautet eine Mutmaßungen, die durch deutsche Chatrooms geistern. Auch von "todbringenden Heiligen" ist die Rede und von dem Titel "Harry Potter und die Todesheiligen". (ina/sams)