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Harris und Trump: Streit um Wirtschaft und Finanzen

Arthur Sullivan
11. September 2024

Zentrale Punkte der Präsidentschaftsdebatte in den USA waren Inflationsbekämpfung und Wirtschaftspolitik. Es zeigen sich grundsätzliche Unterschiede - auf einem Gebiet, auf dem sich Trump für besonders kompetent hält.

Kamala Harris und Donald Trump während ihrer Debatte gleichzeitig auf einem großen und einem kleinen Bildschirm
Kamala Harris und Donald Trump während ihrer DebatteBild: Morry Gash/AP/picture alliance

Sollte es noch Ungewissheiten darüber gegeben haben, welche Themen die US-Präsidentschaftswahl bestimmen würden - die erste Viertelstunde der gestrigen Debatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump räumte jeden Zweifel aus. Angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Lage belegten sich die Kandidaten mit Vorwürfen, für die Inflation verantwortlich zu sein und skizzierten einige ihrer ökonomischen Absichten.

Harris begann die Debatte mit ihren Plänen, die "Mittelklasse wieder aufzubauen" - etwas, auf das sie immer wieder zurückkommen würde. Sie griff Versprechen ihrer Kampagne auf, darunter Hilfen und Steuererleichterungen für Hauskäufer, Kinderbetreuung und kleine Betriebe, 

Nur Sekunden, nachdem er das Wort ergriffen hatte, erwähnte Trump China und lobte die Zölle, die er in seiner Präsidentschaft erhoben hatte und versprach, sie nach einer Wiederwahl noch zu verschärfen.

Er griff die Biden-Regierung für ihre Wirtschaftsbilanz scharf an. "Wir haben eine schreckliche Wirtschaft", sagte er und behauptete, die Inflationskrise sei die "schlimmste" in der Geschichte des Landes.

Dreht sich alles um die Inflation?

Trump versuchte, von einer vermuteten "Nostalgie" für die Wirtschaftslage der Vor-Pandemiezeit zu profitieren, als er Präsident war: "Ich habe eine der großartigsten Wirtschaftsperioden in  der Geschichte unseres Landes geschaffen, und das werden wir wieder tun!", prahlte er.

Harris konterte Trumps Anschuldigungen, die Biden-Administration sei für die Inflation verantwortlich, die den Großteil der entwickelten Staaten 2021 und 2022 getroffen hatte. "Was wir getan haben ist, hinter Donald Trump wieder aufzuräumen."

Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Amerikaner mit der Wirtschaftslage unzufrieden ist, besonders die Inflation bleibt das bestimmende Thema. Eine Umfrage von YouGov/The Economist aus dem Juli zeigt, dass dies das bei weitem wichtigste Thema für die Wähler ist.

"Es ist einer dieser seltsamen Fälle, in denen meiner Meinung nach die öffentliche Meinung nicht Schritt hält mit der wirtschaftlichen Realität" sagte William Reinsch vom Center for Strategic and International Studies in Washington noch vor der Debatte zur DW. "Die Öffentlichkeit ist sehr besorgt wegen der Inflation. Alle Indikatoren zeigen, dass sie nachlässt und schon deutlich gesunken ist. Aber die Öffentlichkeit scheint noch immer im "das-ist-alles-ganz-schrecklich"-Modus gefangen zu sein, auch wenn das objektiv betrachtet nicht stimmt."

Adam Posen, Präsident des Peterson Institute for International Economics, sagt, dass es wohl unfair sei, Harris für die vergangene Inflation verantwortlich zu machen, es sei aber zu erwarten. Der DW erklärte er: "Wenn Sie Präsident sind oder ein Teil seiner Administration, dann werden Sie immer daran gemessen, wie es um die Inflation und das Wirtschaftswachstum insgesamt steht."

Welche Zölle wollen Trump und Harris?

03:18

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Handel und Steuern

Laut Posen unterscheiden sich die wirtschaftlichen Vorstellungen der Kandidaten in fünf Punkten: den Steuern, den Zöllen, der Einwanderungsfrage, dem Einfluss des Staates und der Rolle der Zentralbank Fed.

Während Harris Steuerkürzungen für die Mittelklasse verspricht, gehen Trumps Steuerpläne dahin, Steuererleichterungen für Unternehmen im Vergleich zur Zeit seiner Präsidentschaft (2017 bis 2021) noch weiter auszuweiten.

"Harris scheint sehr auf eine Politik konzentriert, die den Armen und der Mittelklasse zu Gute kommt", fasst Reinsch zusammen. "Von Trumps Steuererleichterungen werden vor allem die Reichen profitieren."

Trump kam in der Debatte mehrfach auf China zu sprechen. Er versprach, die Zölle, die er in seiner Amtszeit bereits einführt hatte, noch zu verschärfen. Ökonomen warnen, dass diese Pläne zu Kostensteigerungen führen würden, die am Ende die Verbraucher zahlen müssten.

"Wenn Trump tut, was er sagt", so Posen, "und den Handel mit China weiter einschränkt, wird das inflationär wirken. Es wird schlecht für das Wirtschaftswachstum sein, es wird alle möglichen Dinge verzerren und globale Folgen haben."

Präsident Biden hat weitgehend an Trumps protektionistischer Handelspolitik festgehalten und Kamala Harris würde, wenn sie gewählt werden sollte, an den existierenden Zöllen wohl nichts ändern. "Wenn Harris, was sie wohl leider tun würde", sagt Posen, "die existierende Zölle unangetastet ließe und wenigstens keine weiteren allgemeinen Zölle einführte, wäre der Schaden wohl ein bisschen geringer, als wenn Trump seine Vorstellungen umsetzen würde."

Zuwanderung

Beim Thema Zuwanderung, dem sich Trump wiederholt zuwandte, bestünden seiner Ansicht nach gewaltige Unterschiede darin, wie sich ihre jeweilige Politik wirtschaftlich auswirken würde.

Trumps Pläne, Millionen Zuwanderer zu deportieren, hätten "stagflationäre" (ein Kofferwort aus Stagnation und Inflation; Anm. der Redaktion) Auswirkungen auf die US-Wirtschaft, die auf deren Arbeit angewiesen ist: "Das würde wahrscheinlich zu einer Rezession in Bereichen wie Produktion, Landwirtschaft, Gastgewerbe, Einzelhandel und Hausbau führen und die Inflation würde deutlich anziehen."

Obwohl der Einfluss des Staates in der Debatte keine große Rolle spielte, zeigten die Standpunkte beider Politiker doch deutliche Differenzen: Trump will den politischen Einfluss, besonders gegenüber großen Unternehmen, stark zurückfahren, während Harris Preiskontrollen einführen möchte.

Was die Zentralbank angeht, hat Trump klar gemacht, dass er die Fed mehr unter Druck setzen werde, um ihre Geld- und Zinspolitik zu beeinflussen. Harris dagegen betonte, es sei wichtig, die Unabhängigkeit der Fed zu respektieren.

Sowohl Reinsch als auch Posen meinen, am deutlichsten trete der Unterschied zwischen den ökonomischen Vorstellungen beider Kandidaten hervor,  wenn man den Einfluss ihrer jeweiligen Politik auf die Staatsverschuldung betrachte. Verschiedene Modelle würden zeigen, dass Trumps Politik das Defizit in rund zehn Jahren um mehrere Billionen Dollar anwachsen ließe, und das wäre ein Vielfaches dessen, wozu die Pläne von Kamala Harris führen würden.

Von ihm - oder seinem Redenschreiber - stammt die Erkenntnis: "It's the economy, stupid!": Ex-Präsident Bill ClintonBild: Andrew Harnik/Getty Images

The economy, stupid

Während die Debatte der vergangenen Nacht sich anderen Themen zuwandte, wie etwa Abtreibungsrecht oder den Kriegen in Nahost und in der Ukraine, wurde deutlich, dass beiden - aber vor allem Donald Trump - die Wirtschaftspolitik am wichtigsten war. Denn die Wirtschaft zählt! Oder, wie es 1992 in Bill Clintons Wahlkampf geheißen hatte: "It's the economy, stupid."

Gegen Ende der Auseinandersetzung, es ging gerade um "Rassen"-Politik, kam Trump wieder auf Bidens Wirtschaftspolitik zu sprechen. "Sie zerstören unsere Wirtschaft, sie haben keine Ahnung, was eine gute Wirtschaft überhaupt ist. Und vergessen Sie nicht: Sie ist Biden. Sie versucht, von ihm wegzukommen. Die schlimmste Inflation, die wir je hatten, eine grauenvolle Wirtschaft."

Harris konterte, in dem sie wieder zu ihren wirtschaftlichen Plänen, die sie eingangs ausgeführt hatte, zurückkehrte. Dieser Augenblick offenbarte schlaglichtartig Trumps Überzeugung, Wirtschaft sei das Thema, auf das er sich konzentrieren müsse um die Wahlen im November gewinnen zu können.

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.

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