"Harry, hol' schon mal den Wagen"
27. Mai 2003Um ein Haar wäre aus Horst Tappert ein richtiger Kommissar geworden. Dass der Mann mit den typischen Tränensäcken unter den Augen mal Schauspieler werden sollte, war reiner Zufall. Als Sohn eines Beamten aus Wuppertal hätte er sich gut vorstellen können, auch Polizeibeamter zu werden. Zunächst stellte er sich jedoch 1945 als Buchhalter bei einem Theater in Stendal vor. Dort erkannte man sofort sein schauspielerisches Talent. Kurz darauf spielte er bereits im Stück "Die Flitterwochen" mit. Später nahm er Schauspielunterricht und arbeitete 1956 bei den Münchner Kammerspielen. Ende der 1950er Jahre begann dann seine Film- und Fernsehkarriere. Unter anderem spielte er in dem erfolgreichen Dreiteiler "Die Gentlemen bitten zur Kasse". Bis heute identifiziert man ihn jedoch mit seiner erfolgreichsten Rolle: als Stephan Derrick in der gleichnamigen Krimi-Serie des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).
Eleganter Kommissar
In den insgesamt 281 Derrick-Folgen stellte Horst Tappert in seiner Filmrolle 278 Täter und hatte es mit 344 Opfer zu tun. Nur drei Mal misslang es Derrick, die Verbrecher zu fassen. Dafür schnappte der Filmkommissar zusätzlich zu den "normalen Tätern" noch vierzehn Wirtschaftskriminelle, zwölf Räuber und zehn Drogenhändler ganz nebenbei. Ort des Geschehens war immer München und Umgebung.
Kommissar Derrick gilt als klassischer Gentleman unter den TV-Polizisten. Ein stets elegant gekleideter Serienkommissar, der nur selten und höchst ungern zur Dienstwaffe griff. Ein sauberer Typ eben, ohne Ecken und Kanten. Ein Mann ohne Ehefrau, der gerade mal in vier Folgen Interesse am anderen Geschlecht zeigte. Um so treuer stand ihm jedoch sein Begleiter Inspektor Harry Klein, gespielt von Fritz Wepper, zur Seite. Dessen Rolle war allerdings sehr viel bescheidener und beschränkte sich zuweilen auf geistreiche Sätze wie "Stephan, es ist die Tatwaffe" oder "Sie sind vorläufig festgenommen. Ab!". Berühmt geworden ist die Serienfigur auch durch den Spruch "Harry, hol' schon mal den Wagen!". Ein Satz, der in der Serie übrigens nie so gesagt wurde.
Weltweiter Exportschlager
"Die alten Werte werden in meinen Krimis belebt", sagte einmal der Drehbuchautor von Derrick, Herbert Reinecker, über seine Arbeit. Und die Moral ist immer dieselbe: Der Täter bekommt seine gerechte Strafe und der Zuschauer seine moralische Erziehung. Aber gerade mit diesem Anspruch hatte Hauptdarsteller Tappert zuweilen Schwierigkeiten. Er beschwerte sich öffentlich über die Moralpredigten, die er in der Serie zu halten hatte. Dabei machten gerade die den Erfolg der Serie im In- und Ausland aus. Derrick wurde zum Exportschlager des ZDF. In über 100 Länder wurde die Serie verkauft. In Europa, Zentral- und Südamerika, Australien, Japan, China, Indien und rund 30 afrikanischen Staaten ermittelte Derrick. In Frankreich und Holland entstanden sogar Fan-Clubs.
Symbolfigur des netten Deutschen
Die norwegisch-deutsche Willy-Brandt-Stiftung überreichte Horst Tappert den "Willy-Brandt-Preis 2002". Wolfgang Biermann, Geschäftsführer der Stiftung, begründet das mit der sympathischen Rolle des Derrick: "Nach dem Zweitem Weltkrieg gab es in Norwegen sehr viele Vorbehalte gegenüber den Deutschen. Horst Tappert als freundlicher, deutscher Fernseh-Kommissar hat dazu beigetragen, das Bild des Deutschen in Norwegen zu verbessern. Er ist zur Symbolfigur des netten Deutschen geworden."
Endlich zur Ruhe setzen
1998 flimmerte in Deutschland die letzte Derrick-Folge über den Bildschirm. Danach spielte Tappert noch in einigen Fernsehfilmen mit. Doch zu seinem 80. Geburtstag am Montag (26. Mai 2003) überlegt er mit der Schauspielerei ganz aufzuhören. Wenn ein Stoff aber gut und die Rolle schön sei, sei nicht ausgeschlossen, dass er noch einmal rückfällig werde, sagt Tappert. Solange gibt es für Fans ganz bestimmt noch die ein oder andere Wiederholung von Derrick.