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Harte Zeiten für Migranten vom Balkan

Lidija Tomic /alu30. September 2015

Seit die Bundesregierung Serbien zum sicheren Herkunftsland erklärt hat, werden Serben, die in Deutschland Asyl beantragt haben, zurückgeschickt. Lidija Tomic hat ein Wiederaufnahmelager in Sabac besucht.

Serbien Wiederaufnahme-Lager in Sabac
Bild: DW/L. Tomic

Etwa 200.000 Serben leben derzeit ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland oder haben Asyl beantragt. Anfangs kamen sie wegen des Bürgerkrieges in Ex-Jugoslawien, doch als danach Arbeitslosigkeit und Armut in ihrer Heimat zunahmen, begannen die Menschen aus wirtschaftlichen Gründen zu kommen. Wer keinen Job findet, versucht Asyl zu beantragen und während des Verfahrens von Sozialleistungen des deutschen Staates, wie Kindergeld, zu leben. Die ganz große Mehrheit, bis zu 90 Prozent, sind Roma, die nicht nur unter Armut, sondern auch unter Diskriminierung leiden.

Fast niemand von ihnen wird in Deutschland bleiben dürfen. Denn die Bundesregierung hat neben Serbien, Mazedonien und Bosnien jetzt auch Albanien, Kosovo und Montenegro zu "sicheren Herkunftsländern" erklärt und damit praktisch jegliche Chance auf Asyl für die Bewohner dieser Länder ausgeschlossen. Die Bundesregierung geht für diese Balkanstaaten davon aus, dass es weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung gibt.

Serbien ist "sicheres Herkunftsland"

"Im Rahmen der Rückkehrvereinbarung sind seit 2008 rund 7000 Serben aus Deutschland zurückgeschickt worden," erklärte Ivan Miskovic, Sprecher des serbischen Kommissariats für Flüchtlinge und Migration der Deutschen Welle. "Wir erwarten, dass bis Ende des Jahres 2000 weitere kommen."

Das Wiederaufnahmelager im serbischen SabacBild: DW/L. Tomic

Angesichts eines großen Zustroms von Flüchtlingen und Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika, entscheiden die deutschen Behörden immer seltener positiv über Asylanträge von Migranten vom Westbalkan. Etwa 75.000 Anträge, vornehmlich aus Serbien, dem Kosovo und Albanien werden wohl abgelehnt werden, denn Deutschland will Verfahren und Ausweisungen beschleunigen.

"Die Zahl der Menschen, die aus Deutschland zurückgeschickt werden, hat zwar in diesem Jahr zugenommen, aber in den letzten Monaten haben wir keinen weiteren Zuwachs verzeichnet," so Miskovic. "Serbien hat bereits mit der Rückkehrvereinbarung Maßnahmen zur Reintegration ergriffen."

Rückkehr unausweichlich

Meist wohnen die Rückkehrer in Serbien wieder bei ihren Familien. Wer nirgendwo einziehen kann, landet in zentralen Unterkünften in Sabac und Bela Palanka. Dort bekommen sie einen kleinen Raum, erhalten Lebensmittel und Hilfe bei der Beschaffung persönlicher Dokumente, der Staatsbürgerschaft, der Gesundheitsversorgung, sowie Informationen über ihre Rechte, Pflichten und Möglichkeiten.

Fikreta Kucevic, 63, ist derzeit die letzte Rückkehrerin, die in der zentralen Unterkunft "Varna" in Sabac untergekommen ist. 1992 ging sie mit ihrem Sohn nach Deutschland, auf der Suche nach einem besseren Leben. "Meine Ehe war gescheitert. Ich hatte keine Arbeit und keine Möglichkeit, meinem Sohn ein Dach über dem Kopf zu geben. Viel Hoffnung hatte ich nicht mehr. Es war Krieg und ich entschied, Sjenica zu verlassen und in Köln um Asyl zu bitten," erzählt Fikreta der DW.

Hofft auf eine bessere Zukunft: Fikreta KucevicBild: DW/L. Tomic

Schnell gewöhnte sie sich ein, fand Arbeit, zog ihren Sohn auf. Fünfzehn Jahre später wurde sie schwer krank und war auf soziale Leistungen vom Staat angewiesen. Ihr Sohn und die Familie halfen ihr über die schwere Zeit hinweg. Sie kümmerte sich um die Enkel und hatte die beste Zeit ihres Lebens. 2011 dann musste sie legal nach Serbien ausreisen, um sich das Recht zu erhalten, auch in Zukunft ihren Sohn zu besuchen, der inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Da ihr kein Asyl gewährt worden war, hätte ihr ansonsten die Abschiebung gedroht und damit ein Vermerk in ihrem Pass, der die Wiedereinreise nach Deutschland erschwert.

"Es fiel mir sehr schwer, zu gehen und sie alle zurück zu lassen, aber es ging nicht anders, wenn ich sie auch in der Zukunft besuchen wollte. Ich habe Deutschland freiwillig verlassen, weil ich hoffte, sie würden mich dann hin und wieder meine Familie besuchen lassen," sagt sie und wischt sich die Tränen vom Gesicht.

Neue Hoffnung

Bei ihrer Rückkehr nach Serbien fand sich Fikreta in der gleichen Situation wie bei ihrer Auswanderung viele Jahre zuvor. Sie war allein, ohne Familie, Freunde und ein Zuhause. Als sie am Flughafen von Belgrad ankam, hatte sie keine Ahnung, was sie erwarten würde. Das Rote Kreuz brachte sie ins Rückkehrer-Zentrum, dort hat sie eine einfache Unterkunft, drei Mahlzeiten pro Tag und hin und wieder eine medizinische Untersuchung. Das kleine Zimmer mit einem Bett, einem Sofa und einem Fernseher auf einem Holztisch ist ihre neue Zuflucht. "Ich war deprimiert und wollte gar nicht aus meinem Zimmer kommen, seit ich gehört hatte, dass Deutschland mich nicht wieder einreisen lässt. Und ich vermisste meinen Sohn sehr," erklärt Fikreta.

Besser wurde es, als sie begann, ihre neuen Nachbarn kennen zu lernen. Über achtzig Menschen - vor allem Familien mit Kindern, die vor dem Krieg in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo flohen – leben im Zentrum "Varna“. Obwohl sie ihre Heimat vor über zwanzig Jahren verlassen haben, glauben viele immer noch an eine bessere Zukunft, und an diesem Optimismus hält sich auch Fikreta fest. Sie schaut zu, wie die Kinder mit Spielkameraden aus dem Ort herumtoben, während ihre Eltern im Gemüsegarten arbeiten. Andere arbeiten auf den Feldern rund um das Zentrum. Sie versuchen, Schwierigkeiten gemeinsam zu überwinden, sich gegenseitig, wenn nötig zu helfen. Diese Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit in der Gemeinschaft haben Fikreta ermutigt, ein neues Leben zu beginnen.

"Dann hat auch noch mein Sohn begonnen, mich zu besuchen, das hat mir soviel neue Hoffnung gegeben, er wird weiter kämpfen. Wir sehen uns jetzt zweimal im Jahr. Bald kommen sie wieder, wenn mein Enkel Geburtstag hat im Oktober," erzählt sie der DW mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Und es gibt noch mehr gute Neuigkeiten. 2016 will das Kommissariat für Flüchtlinge und Migration das Zentrum schließen und Fikreta und den anderen Bewohnern dauerhafte Wohnungen zur Verfügung stellen. Die Stadt Sabac hat vier Grundstücke in gute Lage zur Verfügung gestellt, und einige NGOS werden bei der Umsetzung des Projektes helfen. Ende kommenden Jahres hat Fikreta hoffentlich ein neues Zuhause und genug Platz, um ihre ganze Familie willkommen zu heißen.