Hartes Ringen
21. April 2003Israels Ministerpräsident Ariel Scharon hatte wohl verstanden. Nämlich, dass Washington sich mit dem Ende des Irak-Feldzuges rasch dem israelisch-palästinensischen Konflikt zuwenden würde, um zu demonstrieren, dass die von George W. Bush beschworene Neuordnung in Nahost nicht in Bagdad Halt machen soll. Bereits vor Tagen ließ Scharon deswegen in einem Interview wissen, dass er zu schmerzlichen Kompromissen bereit sei – bis hin zur Aufgabe jüdischer Siedlungen und der Akzeptanz eines palästinensischen Staates.
Ob es Scharon hiermit ernst war, mag dahin gestellt bleiben, und es kann durchaus dazu kommen, dass der israelische Hardliner den Beweis gar nicht erst antreten muss. Dies könnte ihm nämlich einen Streit ersparen, der seit Tagen die palästinensische Führung spaltet und der bis Mittwoch maßgeblichen Einfluß nehmen könnte auf weitere Friedensbemühungen:
Ringen um Kabinett
Palästinenser-Präsident Jassir Arafat und der von ihm zum Ministerpräsidenten berufene Mahmoud Abbas ("Abu Mazen") ringen um die Kabinettsliste, die der 68-jährige Abu Mazen bis Mittwoch komplett haben will, um dem "Palästinensischen Legislativen Rat" (PLC) eine Reform-Regierung vorstellen zu können. Es ist ein hartes Ringen, denn Arafat sträubt sich, noch mehr Macht abzutreten, nachdem er die Installation eines Ministerpräsidenten selbst schon als herben Machtverlust empfunden hatte.
Nur 48 Stunden vor Ablauf eines Ultimatums von Abu Mazen" konzentriert der Streit sich auf das Amt des künftigen Innen- und Sicherheitsministers. Arafat möchte den gegenwärtigen Amtsinhaber Hani el Hassan beibehalten, während der designierte Premier sich für Mohamed Dahlan entschieden hat – einen von Arafat weitgehend unabhängigen und auf Reform bedachten Mann aus Gaza, der dort jahrelang für Sicherheitsfragen zuständig war – bis Arafat ihn absetzte.
Mazen droht
"Abu Mazen" hat gedroht, sein Amt niederzulegen und es gibt Gerüchte, dass man in der Umgebung von Arafat nach einer Alternative sucht. Selbst wenn eine solche sich finden ließe – es wäre dies ein herber Rückschlag für die Pläne des "Nahost-Quartetts" (USA, UN, EU und Rußland), die fast schon vergessenenen Friedensbemühungen in Nahost wieder in Gang zu bringen. Das Quartett hatte hierzu einen "Fahrplan" ("road map") entworfen, nach dem in der ersten Phase palästinensische Reformen durchgeführt und auf israelischer Seite "illegale" Siedlungen beseitigt werden müssen. In der zweiten Phase sollen bestehende Siedlungen "eingefroren" und palästinensische Wahlen vorbereitet werden. Auch soll ein international kontrollierter Überwachungsmechanismus für die Region geschaffen werden. Und schließlich soll – innerhalb von drei Jahren – ein palästinensischer Staat entstehen. Die Grenzen dieses Staates sollen in der dritten Phase definiert und ausgehandelt werden – zusammen mit den zentralen Problemen Jerusalem und Flüchtlinge. Dies soll im Rahmen einer internationalen Nahost-Friedenskonferenz geschehen.
Israel hat bereit mindestens 15 Einwände gegen diesen Plan vorgebracht; dass Scharon trotzdem von Konzessionen spricht, entspringt sicher der Erkenntnis, dass er sich zumindest jetzt nicht in Widerspruch zu George W. Bush setzen kann: Der ihm bisher immer sehr ergebene Präsident muss sich jetzt darum bemühen, Sympathien in der Arabischen Welt zu retten und eine zu offene pro-israelische Linie würde diesen Versuch von Anfang an zum Scheitern verurteilen.
Scharon hat sich aber vielleicht zu früh Sorgen gemacht: Wenn Arafat und "Abu Mazen" sich nicht einigen können, dann scheitert der Plan des "Quartetts" bereits an Phase eins – der Reformunfähigkeit der Palästinenser. Jassir Arafat hätte Ariel Scharon damit eine politische Vorlage par excellence geliefert.