Die Grünen in Japan
18. November 2012DW: Was war der Auslöser für die Gründung der japanischen Grünen?
Uiko Hasegawa: Eindeutig der Unfall im Atomkraftwerk Fukushima im März 2011. Eine Anti-Atomkraftbewegung gab es in Japan schon vorher, aber erst im Juli 2012 haben wir uns zur Partei zusammengeschlossen. Inzwischen haben wir 1000 Mitglieder. Wir setzen uns dafür ein, dass Japan aus der Kernenergie aussteigt.
Inwieweit haben die deutschen Grünen Sie inspiriert?
Die deutschen Grünen haben uns sehr viel gegeben, sie sind ein Vorbild für uns. Große praktische Unterstützung haben wir von der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn bekommen, die zu uns nach Japan gekommen ist. Sie hat uns erzählt, dass sie auch als Mutter zweier Söhne immer auf Demos gegangen sei. Inzwischen sehe ich immer mehr japanische Mütter auf Demonstrationen, die ihre Kinder schützen wollen - das ist unsere Klientel!
Sie sitzen mitten im Saal und beobachten die teils hitzigen Debatten der 800 Delegierten auf diesem Bundesparteitag. Wie wirkt das auf Sie?
Ich erlebe hier am eigenen Leib, dass die direkte Partizipation ganz groß geschrieben wird. Das ist sehr aufwendig bei einer Partei von der Größe der deutschen Grünen. Es beeindruckt mich sehr, dass das trotzdem so intensiv gelebt wird.
Welche politische Leistung der deutschen Grünen ist für Sie eine Inspiration?
Die Verbindung von politischen Idealen mit realistischen Lösungen. Meiner Meinung nach ist das der Schlüssel zum Erfolg. Wir Grünen in Japan sind da vielleicht noch zu einseitig auf unsere Ideen konzentriert, aber es braucht immer auch eine konkrete Lösung. Den Grünen in Deutschland ist diese Mischung gut gelungen.
A propos Realpolitik: Wie groß sind denn die Chancen, dass Japan tatsächlich aus der Kernenergie aussteigt?
Die Chancen sind recht groß, denn die meisten Japaner wollen die Atomkraft nicht mehr. Das zeigen alle Umfragen. Die Wirtschaftsverbände sind aber strikt gegen den Ausstieg und nehmen auch Einfluss auf die großen Parteien.
Ist der Atomausstieg das einzige Thema für die japanischen Grünen?
Nein. Der Atomunfall von Fukushima hat auch andere Defizite in der japanischen Demokratie ans Tageslicht gebracht. Zum Beispiel haben wir nur eine einzige Frau in unserer jetzigen Regierung, das ist doch ein Unding! Wir fordern die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Außerdem ist die Schere zwischen Arm und Reich bei uns in Japan viel zu weit auseinandergegangen. Und natürlich dürfen wir auch unsere Meere nicht leer fischen und müssen den Klimawandel stoppen.
Was sind die größten Schwierigkeiten, mit denen Ihre noch junge Partei zu kämpfen hat?
In Japan haben es kleine Parteien sehr schwer, in das etablierte Parteiensystem vorzustoßen. Das liegt an unserem komplizierten Wahlsystem. Die größte Hürde ist eine finanzielle: Jede Partei muss hohe Summen hinterlegen, wenn sie Kandidaten bei der Parlamentswahl aufstellt. Bei der Wahl im Dezember können wir also leider nicht antreten, wir haben schlicht das Geld nicht.
Die Fragen stellte Nina Werkhäuser.