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Politik

"Serbien verteilt Waffen im Kosovo"

Bahri Cani
26. Januar 2017

Der Präsident des Kosovo beschuldigt Serbien, neue Spannungen in der Region zu schüren. Belgrad verfolge dabei das russische Modell aus der Ukraine, warnt Hashim Thaçi in einem Interview mit der Deutschen Welle.

Kosovo Einweihungszeremonie Präsident Hashim Thaci in Pristina
Bild: Reuters/H. Reka

In jüngster Zeit haben mehrere Vorfälle die brüchigen Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo zusätzlich belastet. Die frühere serbische Provinz hatte sich 2008 für unabhängig erklärt, was Serbien nicht anerkennt - im Gegensatz zu 110 anderen Staaten, darunter auch 23 der 28 EU-Mitglieder. Die offizielle serbische Politik sieht das Kosovo immer noch als Teil Serbiens. Im Kosovo lebt eine relativ große serbische Minderheit, überwiegend im Norden des Landes rund um die Stadt Mitrovica.

Die Stadt zerfällt in zwei Teile - einen serbischen und einen albanischen. Die in der Stadt lebenden Serben haben eine Mauer in der geteilten Stadt gebaut. Gleichzeitig schickte man aus der serbischen Hauptstadt Belgrad einen Zug mit der Aufschrift "Kosovo ist Serbien" - in 20 Sprachen - nach Mitrovica. Der Zug wurde allerdings kurz vor der Grenze zum Kosovo gestoppt.

In Frankreich wurde Ramush Haradinaj verhaftet, ein einflussreicher albanischstämmiger Politiker aus dem Kosovo und einer der Kommandanten der paramilitärischen Befreiungsarmee des Kosovo (UCK), die im Krieg gegen Serbien gekämpft hatte. Die französische Polizei handelte aufgrund eines internationalen Haftbefehls aus Serbien. Belgrad beschuldigt Haradinaj, im Kosovo-Krieg 1999 Kriegsverbrechen an Serben verübt zu haben.

 

Deutsche Welle: Herr Präsident, warum kommt es gerade jetzt zur Verschärfung der Lage im Kosovo?

Hashim Thaçi: Die Mauer, der Zug und die Verhaftung von Ramush Haradinaj - all diese Zwischenfälle hat Belgrad direkt provoziert. Die Mauer ist ein kosovarisches Thema und das Kosovo muss sie entfernen. Solch eine Mauer darf es nicht in Mitrovica geben. Das diskutieren wir nicht mit Belgrad.

Provokation aus Belgrad: Zug mit der Aufschrift "Kosovo ist Serbien"Bild: picture-alliance/AP Photo/D. Vojinovic

Was den Zug angeht, hatte dieser klar provozierende Motive. Der Zug war von einem russischen Vorbild inspiriert, aber unsere Entschlossenheit hat ihn fern gehalten. Wäre der Zug näher gekommen, ich bin mir nicht sicher, ob das nicht zu einem bewaffneten Konflikt geführt hätte. Wir hatten Informationen, dass im Zug Waffen und Paramilitärs waren, die Kosovo destabilisieren sollten. Wir wissen, dass Serbien einen Plan hat, Kosovo zu teilen und dass Belgrad die Serben im Norden des Kosovo bewaffnet. 

Haben Sie konkrete Beweise für diese Behauptungen über die Lieferung von Waffen?

Definitiv. Serbien ist dabei, das russische Modell aus der Ukraine anzuwenden. Das Land schickt Zivilisten aber auch uniformierte Personen in den Norden des Kosovo. Serbien verteilt Waffen an Serben im Norden des Kosovo, angeblich um auf die Angriffe der Albaner vorbereitet zu sein.

Ich lade die Serben ein, nicht ein Opfer der nationalistischen Politik Belgrads zu werden. Mein Aufruf richtet sich an sie. Es ist ein Aufruf zu Frieden und Dialog. Anstelle der Aufrufe für eine ethnische und territoriale Teilung des Landes rufe ich auf zu einer Integration in die NATO und die EU!

In den vergangenen Tagen gab es Meldungen über die Verhaftung einer russischen Spionin im Kosovo. Wie stark ist der russische Einfluss im Nordkosovo?

Serbien nutzt den Stil und die Methoden Russlands in der Ukraine. Dort gibt es Russen, die eng mit Belgrad kooperieren. Sie sind dabei, paramilitärische Einheiten vorzubereiten. Sie haben zwar noch keine Uniformen, aber sie sind mit modernen Handwaffen bewaffnet. Das wird direkt von den Belgrader Behörden gesteuert.

Ich habe meine Sorge schon der EU mitgeteilt. Das Schweigen aus Brüssel ist beunruhigend. Ähnliches geschah in den 1990er Jahren in Bosnien, in Kroatien und Kosovo - wir haben die Folgen gesehen. Deshalb muss die EU sich an die früheren Verhaltensmuster Belgrads erinnern, die sich nicht von den heutigen unterscheiden.

Kommen diese Informationen nur von der kosovarischen Polizei oder auch von den internationalen Truppen im Kosovo? Haben Sie Beweise dafür?

Geteilte Stadt: serbische Fahnen im Norden von MitrovicaBild: DW/B.Cani

Die Informationen sind geprüft und bestätigt. Sie liegen auch den EU-Behörden im Kosovo vor.

Es gibt Stimmen in Serbien, aber auch im Kosovo, die eine Aufteilung des Kosovo befürworten. Ist so etwas möglich?

Wir sind gegen die Teilung. Eine Teilung würde bedeuten, die Tür für gefährliche Konzepte zu öffnen, die den ganzen Westbalkan mit einbeziehen würden. Kosovo engagiert sich dafür, dass die territoriale Souveränität und die Integrität des Landes erhalten bleiben.

Sie haben die Politik der EU mehrfach kritisiert. Warum?

Die EU zeigt aktuell keine Führungskraft und keine Vision in Bezug auf den Westbalkan. Brüssel reagiert zu spät und antieuropäische Elemente sind dabei, das Momentum auszunutzen. Deutschland hat eine außerordentlich positive Rolle gespielt - konkret und visionär.

Aber das Zögern der EU hat die nationalistischen Töne in Belgrad wiederbelebt. Wir müssen als unabhängiges Land darauf eine Antwort geben. Die EU selbst muss beginnen, Kosovo als souveränen und unabhängigen Staat zu behandeln.

Die USA haben einen neuen Präsidenten, der ständig wiederholt: "America first". Haben Sie Angst, dass Amerika die Truppen aus dem Kosovo zurückziehen wird? Sie haben kürzlich in Washington mit Vertretern der neuen Administration gesprochen...

Uns wurde bestätigt, dass die USA weiterhin ihre Aufmerksamkeit auf den Balkan und das Kosovo richten werden. Auf keinen Fall wird das Engagement der vergangenen Jahre in Frage gestellt.

Hashim Thaçi ist ein kosovarischer Politiker und seit April 2016 der Präsident der Republik Kosovo. Von 2008 bis 2014 war er der erste Ministerpräsident der Republik Kosovo nach der Unabhängigkeitserklärung. In den 1990er Jahren war Thaçi Mitbegründer und Führer der paramilitärischen Organisation Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK), die im Kosovo-Krieg 1999 gegen die serbischen Truppen kämpfte.

Das Gespräch führte Bahri Cani.

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