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Politik

"Türkei kann uns nicht egal sein"

21. Oktober 2016

Der Präsident des PEN-Zentrums Deutschland fordert von Europa mehr Engagement für die in der Türkei inhaftierten Autoren. Die Deutsche Welle sprach mit Josef Haslinger auf der Frankfurter Buchmesse.

Josef Haslinger
Bild: picture-alliance/dpa

Die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in der Türkei ist ein Thema der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Die Podiumsdiskussion "Die Türkei und Europa: Wie steht es um die Meinungs- und Kunstfreiheit" wurde vom PEN-Zentrum Deutschland organisiert. Sein Präsident, der Schriftsteller Josef Haslinger, ist der Meinung, dass Europa sich für die Opposition in der Türkei und für die inhaftierten Journalisten mehr engagieren soll.

DW: Herr Haslinger, warum war es Ihnen wichtig, die Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei zu thematisieren?

Josef Haslinger: Ich glaube, dass uns die Türkei sehr nahe ist, schon deshalb, weil mehrere Millionen Türken in Deutschland leben. Das was in der Türkei passiert, das betrifft unsere Mitbürger und damit betrifft es uns. Es kann uns nicht egal sein, wie sich die Situation in der Türkei entwickelt, weil die Türkei eben diese enge Verbindung mit der Bundesrepublik hat. Weil die Türkei eigentlich ein Land ist, dass uns den Zugang, einen gemäßigten Zugang zur islamischen Welt öffnen könnte. Eine Art von Übergang zu den Ländern, mit denen wir überhaupt nicht zurande kommen, nämlich die Länder des islamischen Fundamentalismus, deren Rechtssysteme uns mittelalterlich vorkommen, wo Schriftsteller mit der Todesstrafe bestraft werden dafür, dass sie vom Glauben abgefallen sind. Die Türkei ist ja ganz anders. Wir in Deutschland haben einen besonderen Anlass und eine besondere Notwendigkeit uns hier stark zu machen.

Sie haben vor kurzem online eine Petition mit dem Titel "Für das Wort und die Freiheit - free words turkey" gestartet. Was war Ihr Ziel?

Ich nehme an, dass sehr viele dieser Postkarten, es waren 16.000 Karten, die wir gemeinsam mit dem Börsenverein und mit  "Reporter ohne Grenzen" gedruckt haben, verteilt wurden - überall in deutschen Buchhandlungen und über Verlage. Sie sind an den Botschafter der Türkei in Berlin gerichtet. Da steht nur: "Sehr geehrter Herr Botschafter, Journalismus ist kein Verbrechen. Ich fordere Freiheit für Can Dündar und Erdem Gül!" Das war eine Aktion, die sich speziell für diese Journalisten stark gemacht hat.

Zur Lage der türkischen Meinungsfreiheit. Podiumsdiskussion mit türkischen Journalisten Can Dündar (2. von links)Bild: DW/B. Özay

Can Dündar und Erdem Gül sind jetzt frei, aber andere Autoren wie zum Beispiel Asli Erdogan sind nach wie vor in Haft. In welche Richtung entwickelt sich Ihrer Meinung nach die Türkei?

Das wird von Tag zu Tag schlimmer. Wenn man jetzt auch noch hört, dass der Staatsanwalt lebenslänglich fordert, dann fragt man sich schon: was geht hier überhaupt vor? Werden hier die Feinde ausgewürfelt? Oder wie kommen überhaupt diese Feinde zustande, die kreiert werden in der Türkei. Man schafft Opposition, um ständig einen Feind zu haben und ständig dem Volk zu suggerieren, dass der Staat gefährdet ist, dass er angegriffen wird. In Wirklichkeit ist das eine ganz brutale Machtpolitik eines autoritären Regimes, das sich hier etabliert hat.

Was sollte Europa dagegen tun?

Europa muss diese Autoren aufnehmen, muss ihnen helfen, muss sie unterstützen, muss protestieren, muss für Menschen, die in Gefahr sind verhaftet zu werden, helfen. Man muss solchen Menschen Not-Visa gewähren, man muss ihnen Zuflucht bieten. Man muss viel, viel mehr tun, um mit der Opposition zusammenzuarbeiten. Europa muss gegenüber Erdogan, trotz dieser unkomfortablen Situation, dass er uns für ein paar Milliarden die Flüchtlinge vom Leibe hält, auf der Einhaltung der Menschenrechte beharren und darf nicht zusehen, wie sie in der Türkei mit Füßen getreten werden.

Sie sagten während der Diskussion, dass Ihr Ansprechpartner nicht Herr Erdogan, sondern die europäischen Regierungen sind. Was meinen Sie genau damit?

Ich glaube, dass es Erdogan ziemlich egal ist, was der deutsche PEN sagt, weil diejenigen, für die sich der deutsche PEN einsetzt, die betrachtet er ohnehin als seine Feinde. Aber wir müssen darauf achten, dass wir mit diesem Deal mit Erdogan nicht unsere eigenen Grundsätze aufgeben. Das haben wir getan. Wenn wir Flüchtlinge kollektiv verkaufen an ein autoritäres Regime - das ist nichts anderes als kollektiver Verkauf von Flüchtlingen) -, dann widerspricht das unseren eigenen Gesetzen, nämlich dem individuellen Recht auf Asyl.

Was fordern Sie als PEN?

Als PEN fordern wir nichts Geringeres, als die Menschenrechte einzuhalten. Eines der obersten Menschenrechte ist die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit das sagen zu können und journalistisch schreiben zu können, was man denkt und was man erfahren und was man beobachtet hat.

Josef Haslinger ist Präsident des deutschen PEN-Zentrums.

Das Gespräch führte Basak Özay

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