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Politik

Hass auf Twitter: Sperren - und dann?

12. Januar 2021

Twitter hat das Konto des US-Präsidenten Donald Trump gesperrt. Jetzt werden in Deutschland Rufe laut, die rechtspopulistische AfD von dem Netzwerk auszuschließen. Kann das gegen Hass und Hetze im Internet helfen?

Smartphone zeigt den gesperrten Twitter-Account von Donald Trump
Ausgesperrt: Donald Trumps Twitter Konto wurde gesperrtBild: Stephan Schulz/dpa/picture alliance

#AfDRausAusTwitter und #AfDTwitterBanNow – diese beiden Hashtags kursieren auf Twitter und wurden am Wochenende zeitweise so oft genutzt, dass sie in den Trends landeten. Inspiriert von der Sperrung des Twitter-Kontos von Donald Trump  wurden in Deutschland Rufe laut, die Konten von rechtspopulistischen und rechtsextremen Mitgliedern der Alternative für Deutschland (AfD) zu löschen.

Die sozialen Medien, besonders Twitter und Facebook, haben politische Akteure wie Trump und die AfD groß gemacht. Trump erreichte zuletzt mit seinen Tweets über 88 Millionen Follower. Auch die AfD habe von Twitter und Co. enorm profitiert, vor allem in den Anfangsjahren der Partei, sagt der Kommunikationswissenschaftler Jonas Kaiser der DW: "Zu Beginn, als die Partei noch nicht stark vertreten war, waren die sozialen Medien sehr hilfreich, um Menschen zu mobilisieren." Das sei vor allem während der Flüchtlingskrise 2015 der Fall gewesen.

Inzwischen ist die AfD im politischen System Deutschlands fest etabliert. Im Bundestag ist die AfD sogar die größte Oppositionspartei. Immer wieder fallen Vertreter der Partei aber auf sozialen Medien auf, etwa wenn sie polarisieren und politische Gegner und Journalisten diskreditieren.

Donald Trumps Nutzerkonto wurde nach den Ausschreitungen im Kapitol in Washington vergangene Woche mit der Begründung gesperrt, Twitter dürfe nicht genutzt werden, um "Gewalt zu schüren".

Viele Experten wie Jonas Kaiser bewerten den Rauswurf Trumps aus den sozialen Medien als "richtig und wichtig". Zu groß sei die Gefahr für die Demokratie durch die permanente Verbreitung der Behauptung einer angeblich gestohlenen Wahl.

Akt der Zensur?

Zugleich ist es ein problematischer  Schritt, einen gewählten Präsidenten von einem wichtigen Kommunikationskanal auszusperren. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich skeptisch zur dauerhaften Sperrung von Trumps Twitter-Zugang "Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist von elementarer Bedeutung", sagte ihr Sprecher Steffen Seibert.

Eingriffe könne es nur entlang der Gesetze geben und sollten nicht abhängen vom Gutdünken der Betreibern von Social-Media-Plattformen. "Unter dem Aspekt sieht die Bundeskanzlerin es als problematisch an, dass jetzt die Konten des US-Präsidenten dauerhaft gesperrt wurden", erklärte Seibert weiter.

Ähnlich kritisch äußert sich - auf Twitter - auch der russische Oppositionelle Alexej Nawalny. Er bezeichnet die Sperrung als einen "Akt der Zensur", gespeist von emotionalen und politisch motivierten Gründen. Nawalny kritisiert weiter, es sei nicht transparent, wer solche Entscheidungen bei Twitter auf welcher Grundlage treffe und warum andere Akteure wie etwa der russische Präsident Wladimir Putin nicht genauso ausgeschlossen würden.

Die Twitter-Aktion scheint zumindest indirekt weitere konservative Twitter-Nutzer betroffen zu haben. Einige haben übers Wochenende teilweise tausende Follower verloren. Unklar ist, ob das dem Umstand geschuldet ist, dass sich viele Konservative nun aus Twitter verabschieden oder ob der Follower-Verlust mit intransparenten Twitter-Regularien zusammenhängt.

Deplatforming funktioniert

Unabhängig davon zeigen Studien und konkrete Beispiele, dass das sogenannte "Deplatforming" grundsätzlich funktioniert - zumindest bei klar rechtsextremen Nutzern. Deplatforming meint den technischen Vorgang, den Zugang zu Social-Media-Profilen zu sperren und Inhalte für andere Nutzer unzugänglich zu machen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) aus Jena vom Dezember vergangenen Jahres. Demnach schränke Deplatforming die Mobilisierungskraft zentraler rechtsextremer Akteure in Deutschland deutlich ein und "nimmt ihnen eine zentrale Ressource, auf die ihre Inszenierungen abzielen: Aufmerksamkeit."

Die AfD sei in der Studie bewusst nicht untersucht worden, sagt Co-Autor Maik Fielitz der DW. Denn noch sei es eher unwahrscheinlich, dass die Partei als Ganzes von den etablierten sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter gelöscht werde. "Die AfD ist auch die Facebook-Partei mit der größten Followerschaft, die genau weiß, wie wichtig diese Plattform für sie ist", sagt Fielitz. Dementsprechend vorsichtig agiere sie und passe ihre Sprache an.

AfD-Mitglieder nutzen intensiv Facebook und TwitterBild: Alexander Pohl/NurPhoto/picture alliance

Das ist in den USA anders. Kommunikationswissenschaftler Jonas Kaiser verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel des US-amerikanischen Extremisten und Verschwörungsideologen Alex Jones. Bevor dieser auf Youtube gesperrt wurde, hatte er 2,3 Millionen Abonnenten. Er wechselte dann zu dem Videoportal Bitchute, wo er laut Kaiser nun rund 110.000 Menschen erreicht. Also deutlich weniger als zuvor. Vielfach werde angenommen, so Kaiser, dass Extremisten ihre Anhänger auf eine andere Plattform mitnähmen. Tatsächlich gingen aber nur wenige diesen Schritt. In den USA haben sich inzwischen mehrere alternative Netzwerke für rechtsextreme und rechtsgerichtete Akteure herausgebildet.

Ausweichorte für Extremisten

Diese alternativen, kleineren Plattformen werden häufig als Ausweichorte gewählt. Seit Trump auf Twitter gesperrt wurde, verzeichnen zum Beispiel Video-Live-Streaming Dienste wie "Dlive" markante Zuwächse. Auch einige der Extremisten, die ins Kapitol eindrangen, streamten Aufnahmen davon auf Dlive. Dienste wie Dlive sind häufig wesentlich weniger reguliert als Twitter oder Facebook. Sie schreiben sich auf die Fahnen, dass dort ohne Einschränkung alles gesagt werden dürfte. Im Ergebnis sind die Inhalte auf diesen Plattformen wesentlich radikaler als bei den etablierten Anbietern. Das könnte im Endeffekt zur weiteren Radikalisierung jener Nutzer beitragen, die den bekannteren und transparenteren Netzwerken wie Twitter den Rücken kehren und ihren Weg zu den radikaleren Alternativen finden. Immerhin: Selbst Dlive hat den Holocaust-Leugner Nick Fuentes gesperrt.

Holocaust-Leugner Nick Fuentes (Mitte) bei einer "Stop the Steal" DemonstrationBild: Zach D Roberts/NurPhoto/picture alliance

Dennoch: Wenn Twitter und Facebook vermehrt Konten sperren, drohen weitere digitale Parallelwelten zu entstehen. Schon jetzt funktionieren soziale Netzwerke nach dem Prinzip der Filterblasen: Um seine Nutzer möglichst lange im Netzwerk zu halten, sucht der Algorithmus für sie maßgeschneidert emotionalisierende Inhalte aus - und erzeugt eine Filterblase, in die nichts eindringt, was den Überzeugungen des Nutzers widerspricht.

Wenigstens sind bislang aber auch politisch konträre Akteure zumindest noch in denselben Netzwerken unterwegs. So besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass sie sich treffen und austauschen. 

Maik Fielitz vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft bewertet die getrennten Sphären im Internet nicht unbedingt als etwas Negatives. Soziale Netzwerke lebten ohnehin von Zuspitzung; ein wirklicher Austausch würde nicht stattfinden. "Es gibt schon seit längerer Zeit verschiedene Teilöffentlichkeiten online", sagt Fielitz. "Es wird trotzdem genug Orte geben, wo es zu einem Austausch kommen wird." Eine Rolle spielten dabei auch klassische Medien, wie Zeitungen und Rundfunk. Die, so Fielitz, müssten einen vielfältigen Diskurs abbilden, damit soziale Medien wieder mehr zu dem werden könnten, wozu sie ursprünglich einmal gedacht waren: Einem Ort der Vernetzung im Privaten.

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