Hass im Internet: TV-Wettermoderatoren als Zielscheibe
3. Dezember 2025
Als Christopher Gloninger eines Morgens seine E-Mails öffnet, findet er eine Nachricht von einem Zuschauer, der seine Privatadresse haben will. Der Mann droht ihm: Er werde ihm ein "Willkommen“ bereiten, das er nie vergessen werde. "Mein Herz raste und ich fühlte mich wie gelähmt", berichtet der Meteorologe.
Chris Gloninger präsentiert damals die Wettervorhersage bei einem Fernsehsender in Des Moines im US-Bundesstaat Iowa. In der erwähnten Bedohungsmail wird ein Mann erwähnt, der mit einer Waffe und Kabelbindern vor dem Haus von Brett Kavanaugh, einem Richter am Obersten Gerichtshof, aufgetaucht war. Der Mann wurde anschließend wegen versuchten Mordes verhaftet.
Für Chris Gloninger war diese E-Mail nach einer ganzen Reihe von Drohungen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er rief die Polizei und floh mit seiner Frau in ein Hotel.
Der Hass im Internet gegen Wettermoderatoren nimmt zu
Bekannte Fernsehmeterologen und Moderatorinnen werden zunehmend mit Desinformation und Verschwörungstheorien konfrontiert, die durch Hass im Internet geschürt werden.
Der Wissenschaftler und Meteorologe Gloninger sieht den Klimawandel als das zentrale Thema unserer Zeit. In seiner Arbeit für verschiedene TV-Sender setzte er sich dafür ein, dass darüber umfassend berichtet wird.
Nachdem er den Job in Des Moines angenommen hatte, passte er seine Berichterstattung an die eher klimaskeptische Haltung in Iowa an. Der US-Bundesstaat ist seit der ersten Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten eine Hochburg der Konservativen.
Der Chefmeteorologe versuchte, das Thema mit den alltäglichen Erfahrungen der Menschen in Iowa zu verknüpfen. Etwa, wie sich Dürren auf Bauernhöfe in der überwiegend landwirtschaftlich geprägten Region auswirken können. Danach bekam er vermehrt E-Mails. Zunächst waren es die üblichen Leugnungen, der Klimawandel sei menschengemacht, dann kamen immer aggressivere Drohungen.
In den Zuschriften wurde die Wissenschaft politisiert, berichtet er. "Sie schrieben zum Beispiel, dass sie von dieser 'liberalen Agenda' genug hätten." Dabei gehe es in der Meteorologie und Klimawissenschaft "niemals um Politik", so Gloninger. "Diese Wissenschaft wird von 99 Prozent der akademischen Gemeinschaft anerkannt."
Der Klimawandel: eine lange Geschichte der Desinformation
Derzeit gibt es im Internet viele Fehlinformationen und Verschwörungstheorien zum Thema Klima. Und das, obwohl es überwältigenden wissenschaftlichen Konsens dazu gibt, dass der Klimawandel zu extremen Wetterereignissen führt, die sich mit weiter steigenden Temperaturen noch verschärfen werden.
Die Wurzeln der Desinformation lassen sich bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückverfolgen. Die Fossilindustrie hatte den Zusammenhang zwischen der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas und der globalen Erwärmung bereits selbst in den 1960er Jahren aufgedeckt. Doch ihre Strategie war es, diesen Zusammenhang aktiv zu leugnen und wissenschaftliche Erkenntnisse dazu zu verharmlosen.
Doch jetzt wo Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und Extremwetterereignisse häufiger werden, lässt sich die Leugnung des Klimawandels immer schwerer verkaufen. Verzögerung sei die neue Taktik, sagen Expertinnen und Experten: Entweder, indem Klimamaßnahmen in Frage gestellt werden oder durch sogenanntes Greenwashing. Davon spricht man, wenn Unternehmen den Eindruck vermitteln, sie handelten klima- oder umweltfreundlich, obwohl sie es in Wahrheit nicht tun.
Untersuchungen aus dem Jahr 2024 zeigten, dass Unternehmen aus der Fossilindustrie und Petrochemie Millionen für Werbung ausgaben, die irreführende Behauptungen über ihr Engagement für erneuerbare Energien enthielt. Tatsächlich gibt die Branche nur ein Prozent ihrer weltweiten Investitionen für saubere Energie aus - und sucht vielmehr aktiv nach neuen Öl- und Gasfeldern.
Klima-Desinformation: ein komplexes Netz von Akteuren
Die Netzwerke, die falsche Fakten zum Klimawandel verbreiten, seien sehr komplex geworden, sagt Ece Elbeyi, Forscherin an der Universität Kopenhagen in Dänemark. Dazu gehörten zum einen Unternehmen oder Politikerinnen und Politiker, die ein Interesse daran haben, Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern. Sie arbeiteten dabei mit Lobbyisten und Denkfabriken zusammen.
Elbyi erklärt, dass auch Medien, Trolle, russische Bot-Farmen und Influencer Falschinformationen auf Social-Media-Plattformen verbreiten. Und die Algorithmen bevorzugen emotional aufgeladene Botschaften.
Verschiedene politische Akteure, vor allem solche, die nationalistische oder konservative Programme verfolgen, setzten auf Desinformation, um ihre Basis zu mobilisieren, berichtet Elbeyi. "Sie leugnen den Klimawandel vielleicht nicht ausdrücklich, aber sie stellen Klimaschutzmaßnahmen, wie beispielsweise internationale Abkommen oder CO2-Vorschriften als Bedrohung für die nationale Souveränität oder die wirtschaftliche Freiheit dar."
Der Widerstand gegen Klimaschutzmaßnahmen sei inzwischen zu einer Frage von Identität geworden und daher schwierig zu bekämpfen, sagt Elbeyi. Auch darum, sagt sie, geben Menschen Falschinformationen weiter oder schicken wütende Nachrichten an Personen wie den Meteorologen Gloninger.
Katastrophen als fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien
Manchmal können Falschinformationen zu wilden Verschwörungstheorien führen, die besonders auf Menschen mit einem hohen Maß an Paranoia, Unsicherheit oder Egozentrik anziehend wirken können, erklärt Daniel Jolley, Honorarprofessor für Psychologie an der Universität Nottingham.
Jolley zufolge, tauchen Verschwörungstheorien oft nach Katastrophen auf. Sie gäben Menschen das Gefühl, geschätzt oder getröstet zu werden. Das Prinzip: Einer anderen, "bösen" Gruppe mit einer gewissen Macht, wird die Verantwortung zugeteilt.
Nach den tödlichen Sturzfluten in Texas im Sommer 2025 tauchten im Internet Verschwörungstheorien auf, in denen Wissenschaftler und Regierungsbehörden beschuldigt wurden, die Katastrophe durch Wettermanipulation mittels Wolkenimpfung verursacht zu haben.
"Die Menschen versuchen, sich Probleme zu erklären, die gewaltig sind. Probleme, durch die wir uns unsicher, ängstlich und gefährdet fühlen", sagt Jolley. Er geht davon aus, dass durch den voranschreitenden Klimawandel Desinformation und Verschwörungstheorien über das Wetter noch weiter zunehmen werden.
Meteorologinnen und Meteorologen gehören zu den sichtbarsten Vertretern der Klimawissenschaft. Daher seien sie häufig die Zielscheibe von Angriffen, so der Psychologieprofessor.
Wie lassen sich "Fake News" über das Klima stoppen?
Sowohl Jolley als auch Elbeyi sehen Bildung als Schlüssel zum richtigen Umgang mit Desinformation. Elbeyi betont, dass dabei auch benachteiligte Gruppen in die Debatten einbezogen werden müssen. Denn Fehlinformationen gedeihen besonders dann, wenn Menschen das Gefühl haben, dass Entscheidungen ohne sie, oder sogar gegen sie getroffen werden. "Und diese Ausgrenzung kann das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wissenschaftler und in die Wissenschaft im Allgemeinen direkt untergraben."
Wenn es um Verschwörungstheorien gehe, sei es besser, Vertrauen aufzubauen. Man müsse die Gründe verstehen, weshalb Menschen zu diesen Überzeugungen gelangten. Dies sei sinnvoller, als lediglich die Theorien zu widerlegen, meint Psychologe Jolley. Opfer von Beschimpfungen, wie Gloninger, brauchten mehr Unterstützung.
Chris Gloninger kündigt Job
Chris Gloninger konnte nach der Morddrohung nicht mehr schlafen, sein Gesundheitszustand verschlechterte sich, er bekam Hautprobleme. Der TV-Moderator suchte einen Therapeuten auf. Dieser diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Die Polizei fasste den Täter und verhängte eine Geldstrafe von 150 Dollar (129 Euro). Zwar setzte Gloninger seine Arbeit beim Fernsehsender fort. Doch weil die Geschäftsleitung eine Flut von E-Mails von einer, wie er es nennt, "lautstarken Minderheit" bekommen hatte, wurde ihm gesagt, er solle nicht mehr über den Klimawandel sprechen.
Statt den Klimawandel in seinen Berichten zu ignorieren, kündigte der Meteorologe seinen Job. Es fällt ihm immer noch schwer, über diese Entscheidung zu sprechen. Denn er findet es grundsätzlich falsch, wenn Aufklärung über Klimawandel wegen Hasskommentaren zurückgefahren wird. "Ich glaube, dass weniger über den Klimawandel berichtet wird, weil man Vergeltungsmaßnahmen fürchtet. Und ich ermutige Meteorologen, sich noch mehr zu engagieren."
Immerhin habe er das Gefühl, dass er mit seiner Arbeit als Wettermoderator zumindest einen Teil des konservativen Publikums für den Klimawandel sensibilisieren konnte, sagt Gloninger. Denn er hat auch viele positive Zuschriften bekommen. Einen großen Ordner mit solchen Nachrichten hat der Meteorologe aus der Zeit als Wettermoderator aufbewahrt. Und er arbeitet weiter in der Klimakommunikation.
Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk