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Hat der freie Handel noch eine Chance?

Jo Harper dk
25. Juli 2018

US-Präsident Donald Trump hat seine eigenen Ideen. Nicht nur sortiert er gerade Freund und Feind der USA neu, er will auch den Welthandel umbauen: Beim Handel soll es nur noch einen Profiteur geben: die USA.

Schottland Anti-Trump Protest in Edinburgh
Bild: Reuters/A. Yates

Als Anfang Juli 2018 die Europäische Union und Japan das bisher größte und umfassendste Freihandelsabkommen unterzeichneten, schufen sie eine Handelszone, deren Wirtschaftskraft ein Drittel der akkumulierten Bruttosozialprodukte der Welt umfasst. Doch eine Frage blieb im Raum stehen: Können die Verfechter des ungehinderten globalen Handels dem Druck der Protektionisten aus den USA widerstehen?

EU-Handelskommissarin Ceclia Malmström jedenfalls ist davon überzeugt: "Der EU-Japan-Vertrag sendet ein starkes Signal gegen den US-Protektionismus." Das sagte sie am Dienstag der vergangenen Woche, kurz nachdem der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten Europa als Amerikas "foe" bezeichnet hatte. "Foe" ist je nach Kontext oder Lesart entweder ein Gegner oder ein Feind.

Die Kontinente driften auseinander

Andere sind sich das nicht so sicher: "Erstmals seit dem Ende des zweiten Weltkrieges sind jene, die Handelsbarrieren abbauen wollen, in die Defensive geraten. Der Geist des Protektionismus spukt auf dem alten Kontinent", sagte Pieter Cleppe, Chef des Think Tanks "Open Europe" in Brüssel der DW.

"In weiterentwickelten Volkswirtschaften stehen Handel und Globalisierung vor einer existentiellen Krise, weil weite Teile der europäischen und nordamerikanischen Bürger das gegenwärtige Handelsmodell für nicht mehr repräsentativ und sogar für undemokratisch halten. Es stehe, so vermuten sie und oft auch zu Recht, ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen entgegen."

Wieder andere weisen auf die Schocks an den Arbeitsmärkten hin, seitdem China, Indien und viele Länder des vormaligen Ostblocks dort zu Wettbewerbern geworden sind, während gleichzeitig viele Arbeitsstellen für ungelernte Arbeiter durch die Automation überflüssig geworden sind. Zusätzlich hat der Wegfall vieler Kapitalkontrollmaßnahmen dazu geführt, dass Kapital viel beweglicher geworden ist und Investments in Übersee oft lukrativer erscheinen als solche am Heimatmarkt.

"Arrogante Eliten"

"Über Jahrzehnte", sagte Jared Bernstein vom "Center on Budget and Policy Priorities" dem US-Nachrichtenportal "Politico", "haben arrogante Eliten Wählern und ganzen Gemeinden, die unter den negativen Folgen des globalen Handels litten, erklärt, sie wüssten die Segnungen einer globalen Ökonomie nur nicht zu würdigen. Sie hätten versagt und nicht vorhergesehen, dass Fortschrittsverlierer niedrige Löhne nur ungern akzeptieren und sich auch der Einsicht verweigern, dass der Verlust ihrer früheren Arbeitsplätze ein angemessener Preis für die Segnungen des freien Handels ist."

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"Diejenigen unter uns", fügte er hinzu, "die diese sozialen Kosten erkennen und trotzdem der Globalisierung anhängen, müssen nun ein neues Modell formulieren oder sich der rückschrittlichen Politik eines Trump oder der Brexiteers ergeben."

Das Symptom heißt: Trump

Donald J. Trump ist eher das Symptom als die Ursache. Einige gehen sogar noch weiter und halten es für möglich, dass Trump mit seiner Handelspolitik sogar Recht haben könnte.

Chinas Zulassung zur Welthandelsorganisation WTO beruhte auf der Annahme, dass die Führung in Peking ihre Marktreformen fortsetzen würde. Das scheint nun nicht mehr so klar, seit Peking halb-staatliche Unternehmen mit versteckten Subventionen unterstützt und den Wechselkurs seiner Währung dazu nutzt, den Export anzukurbeln. Die USA haben ganz eindeutig nicht vorausgesehen, dass China diese neo-merkantilistische Handels- und Investitionspolitik verfolgt.

Auch im Verhältnis der USA zur EU herrscht Gesprächsbedarf wie schon seit vielen Jahren nicht. "Um einen Handelskrieg zu verhindern, sollte die EU Trumps Vorschlag annehmen und die Importzölle auf Autos wenigstens auf das Maß reduzieren, dass auch die USA anwenden", sagt der Brüsseler Experte Cleppe. "Deutschland", fügt er hinzu, "scheint dazu bereit zu sein, aber Frankreich nicht. Die aktuellen Gegenmaßnahmen der Europäer sind riskant, werden Trump nicht überzeugen und treffen die europäischen Konsumenten."

Freier Handel? Aber nur wenn's passt!

"Frag' nicht, ob der freie Handel tot ist! Frag' lieber, ob er je gelebt hat!" So formuliert es Peter Chase vom "German Marshall Fund" gegenüber DW. Seit der schottische Ökonom Adam Smith 1776 von den Vorteilen des freien Handels geschrieben hatte, bestimmen seine Ideen den ökonomische Diskurs. Verkürzt dargestellt: Was mir nützt, wird auch dir gut tun. Oder: Durch Handel werden unser beider Interessen befriedigt. Es ist das Gegenteil der Trumpschen Vorstellung, dass Handel ein Nullsummenspiel ist, in dem am Ende nur der Gewinner alles bekommt.

Ist das wirklich so, oder handelt es sich hier nur um Wunschdenken? "Nationen waren, sind und bleiben souverän", fährt Chase fort. "Sie legen die Regeln für alle Waren fest, die auf ihrem Territorium gehandelt werden und erheben die Zölle, die Anbieter für das Privileg, ihre Waren feilbieten zu dürfen, bezahlen. Kein Händler oder Investor hatte je "freien" Zugang zu einem anderen Land.Was wir fälschlicherweise "freien Handel" nennen, ist lediglich die Entscheidung zweier oder mehrerer Länder, einen weitgehend ungehinderten Handel zwischen sich zuzulassen. Aber auch dann müssen fremde Händler und Investoren sich an die jeweils gültigen Gesetze halten. Keine Regierung wird sich je einer fremden Macht unterwerfen."

Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich gelten weithin als die Bastionen des freien Handels schlechthin, doch auch sie haben über die Jahre hinweg in verschiedener Intensität protektionistisch gehandelt: Großbritannien hatte seine schützende Hand erst dann von seinen Industrieprodukten fortgezogen, als sie zur Mitte des 19. Jahrhunderts, ihrem technologischen Vorsprung sei Dank, beinah konkurrenzlos waren. Rund einhundert Jahre später, zu Beginn des Kalten Krieges, war dieser Vorsprung dahin und die Regierung führte wieder Zölle von 23 Prozent auf Industriegüter ein.

In den USA lief es ähnlich: In der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts herrscht dort ein protektionistisches Handelsmodell. Erst nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem während des sogenannten Kalten Krieges wandelten sich die USA dann zu einem Verfechter des freien Handels.

Wettstreit der Ideologien

Seit die Ökonomie als Wissenschaft etabliert ist, seit Adam Smith die moderne Form des freien Handels formulierte, liegen die Ideen des ungehinderten Handels mit merkantilistischen, protektionistischen, isolationistischen, kommunistischen, populistischen oder noch anderen Ideen und Theorien im Wettstreit.

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Trump bediente sich in der Tat aus verschiedenen dieser Ideen, als er sagte, die Transpazifische Partnerschaft - ein Handelsabkommen von einem Dutzend Pazifik-Anrainerstaaten - sei ein Versuch, die Vereinigten Staaten zu vergewaltigen. Oder dass das NAFTFA-Abkommen etwa der "schlimmste Handels-Deal in der Geschichte" sei.

Und was nun?

"Es gibt eine wachsende Gegenbewegung gegen die ungleichen Profite im Handel. Da diese nun mehr und mehr zu einer Sache der Politik werden, bleibt zu hoffen, dass diese der "Grenzenlosigkeit" von Ideen und Reisen, die den Handel unser Zeit charakterisiert, Rechnung tragen", so Linda Yueh, Autorin von "Die großen Ökonomen", zur DW.

Caroline Freund vom "Petersen Institute for International Economics" sagte zu "Politico", ihrer Ansicht nach sei ein Strategiewechsel nötig: "Protektionismus muss im Zaum gehalten werden. Wichtige Teile des (Freihandelsabkommens) TTIP etwa können als Einzelübereinkünfte gerettet werden."

Andere fragen sich wieder, wie ein positiver wirtschaftlicher Effekt auch für breitere Bevölkerungsschichten erfahrbar gemacht werden könnte. Denn, so Mark Wu, Jurist von der Harvard Law School, zu "Politico": "Sogar wenn die Leute wissen, dass der Handel sie in eine blühende Zukunft führt, haben sie immer noch Angst, dass sie zum Schluss nur das kurze Ende der Wurst in der Hand halten könnten."

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