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PolitikAsien

Rohingya-Klage gegen Facebook

9. Dezember 2021

Auf 150 Milliarden Dollar Entschädigung verklagen Rohingya das Netzwerk Facebook. Experten halten die Klage für wenig aussichtsreich, aber wichtig.

Rohingya Krise
Flüchtling aus Myanmar 2017 in Bangladesch mit Handy auf FacebookBild: Ahmed Salahuddin/NurPhoto/picture alliance

Im August 2017 eskalierten die Spannungen  zwischen den Rohingya, einer muslimischen Minderheit, die überwiegend in Myanmars nordwestlichem Bundesstaat Rakhine angesiedelt ist, und der buddhistischen Mehrheitsbevölkerung. Zuvor hatte die militante Gruppe "Arakan Rohingya Salvation Army" (ARSA) mehrere Polizeistationen und Grenzposten angegriffen. Das birmanische Militär nahm das zum Anlass für eine flächendeckende Operation,  in deren Folge etwa 700.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch flohen. Mindestens 10.000 Angehörige der Volksgruppe wurden laut einer Studie der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen getötet.

Mordaufrufe via Facebook 

Gleichzeitig zu der Militäroperation erschienen auf Facebook massenhaft Aufrufe zu Mord und Gewalt  gegen die Rohingya. In dem sozialen Netzwerk wurden Kommentare wie folgende tausendfach geteilt und mit Likes versehen: "Wir müssen (die Rohingya) bekämpfen, wie Hitler die Juden bekämpft hat, verfluchte Kalar!" Kalar ist in Myanmar eine abwertende Bezeichnung für Menschen vom indischen Subkontinent. Die Rohingya werden in Myanmar von vielen als illegale Einwanderer gesehen, obwohl ein großer Teil von ihnen bereits seit Jahrzehnten in Myanmar lebt. Ein Bild, das Rohingya-Flüchtlinge auf einem überfüllten Boot zeigte, war untertitelt: "Benzin drüber und anzünden, so dass sie schneller bei Allah sind." 

Flüchtlinge der Rohingya-Minderheit aus Myanmar in BangladeschBild: Getty Images/A. Joyce

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch kritisierten Facebook damals dafür, dass es nicht genug unternommen habe, um die Hetze auf seiner Plattform zu unterbinden. Facebook gestand seine Versäumnisse im November 2018  ein. Eine unabhängige von Facebook beauftragte Kommission kam zu dem Schluss: "Facebook ist zu einem Mittel für diejenigen geworden, die Hass verbreiten und Schaden anrichten wollen, und Posts standen im Zusammenhang mit physischer Gewaltanwendung." 

Klagen in USA und GB eingereicht

Trotz dieses Eingeständnisses hatte das bisher keine juristische Konsequenzen für das Unternehmen. Das könnte sich nun ändern. Zwei Sammelklagen wurden gegen Facebook bzw. Meta eingereicht. Bei der Klage in den USA wird dem Unternehmen vorgeworfen, dass es bereit gewesen sei, das Leben von Rohingya zu opfern, um seine Marktmacht in dem südostasiatischen Land auszubauen. Eine weitere Sammelklage wurde am Obersten Gerichtshof  des Vereinigten Königreichs eingereicht. Insgesamt fordern die Kläger 150 Milliarden US-Dollar als Entschädigung.

Das Problem für die Kläger ist, dass nach geltendem US-Recht Facebook und der Mutterkonzern Meta nicht für Inhalte haftbar gemacht werden können, die deren Nutzer gepostet haben. Facebook wird nicht als Autor oder Urheber der Beiträge, sondern nur als Plattform gesehen, die die Infrastruktur für Inhalte bereitstellt. Grundlage dafür ist ein US-Gesetz von 1996, der "Communication Decency Act".

Flüchtlinge in Bangladesch am 2. Jahrestag der Vertreibung aus Myanmar im August 2019 Bild: Reuters/R. Rahman

Deswegen fordern die Kläger, dass die Gesetze Myanmars, die keinen derartigen Haftungsausschluss kennen, in dem Fall Anwendung finden müssen. Anupam Chander, Experte für die globale Regulierung neuer Technologien vom Law Center der Georgetown Universität in Washington, erklärte im Gespräch mit der DW: "Sie haben sich für diese Strategie entschieden, weil dies ihre einzige Hoffnung auf Erfolg in den USA ist, denn die Klage gegen Facebook beruht auf den Inhalten der Nutzer und auf deren möglicher Weiterverbreitung durch die Facebook-Algorithmen."  Eben dafür könne aber Facebook bzw. der Mutterkonzern aufgrund des erwähnten US-Gesetzes nicht haftbar gemacht werden. Es sei durchaus möglich, dass US-Gerichte sich mit Klagen befassen, die auf ausländischem Recht beruhen, so Chander gegenüber der DW. Allerdings würden sie US-Recht dabei nicht außer Acht lassen.

Ob die Strategie der Kläger im Vereinigten Königreich aussichtsreicher ist, mag Chander nicht beurteilen. Er gibt zu bedenken: Es gehe um die Beschuldigung eines ausländischen Unternehmens (Facebook/Meta), das wegen Verfehlungen im Ausland (Myanmar) nach ausländischem Recht beurteilt werden soll. "Aus der Sicht des Vereinigten Königreichs handelt es sich also um eine dreifache Auslandsklage, und einige Gerichte mögen diesen Fragen gegenüber aufgeschlossener sein, andere wiederum weniger."

"Wichtige Initiative auch bei Erfolglosigkeit"

Auch wenn der amerikanische Rechtswissenschaftler  wenig Aussicht auf einen Erfolg der Kläger vor Gericht sieht, hält er deren Vorgehen für wichtig: "Ich denke, dass diese Klage etwas Positives bewirkt, nämlich die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass Facebook für das Leben von Menschen auf der ganzen Welt wirklich bedeutsam ist." Insbesondere in Myanmar sei das Internet gleichbedeutend mit Facebook. Chander ist sich sicher, dass durch die Klage der Rohingya-Vertreter weitere Prozesse in vergleichbaren Fällen angestoßen würden. Er begrüße das, denn dadurch werde Facebook gezwungen, bessere Arbeit in Myanmar und anderen Gesellschaften auf der Welt zu leisten. 

Facebook ist die wichtigste Social Media-Plattform in MyanmarBild: Getty Images/AFP/Y. A. Thu

Auf Anfrage der DW, was das Unternehmen seit August 2018 unternommen habe, um mit Aufhetzung und Mordaufrufen in Myanmar umzugehen, erklärte ein Sprecher von Facebook schriftlich unter anderem: "Wir haben ein engagiertes Team von insgesamt 100 Muttersprachlern eingestellt, das birmanische Militär von Facebook ausgesperrt,  Netzwerke zur Manipulation der öffentlichen Meinung zerstört … Wir haben auch in Technologie auf Basis der birmanischen Sprache investiert, um gegen aufhetzende Inhalte vorzugehen."

Das jüngste Update der oben genannten Maßnahmen, nämlich die Sperre auf Facebook von Unternehmen, die mit dem birmanische Militär in Verbindung stehen, erfolgte erst am Dienstag, dem Tag der Einreichung der Klagen. Mark Farmaner, Direktor der NGO Burma Campaign UK, sagte der DW: "Ich war noch vor ein paar Wochen in Kontakt mit Facebook, um über diese Seiten zu sprechen, aber Facebook hat sich hartnäckig dagegen gewehrt, die Seiten abzuschalten. Sie wussten seit langem, dass diese Seiten geholfen haben, das Militär und damit dessen Verbrechen zu finanzieren."

 

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