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Hauen und Stechen bei den Tories

1. Juli 2016

Nachdem der britische Justizminister Gove zunächst Premier Cameron und dann seinen Brexit-Weggefährten Johnson verdrängt hat, verärgert er nun Brüssel. Gove zufolge wird der EU-Austritt erst 2017 beantragt.

Tory-Politiker Michael Gove (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/empics/S. Rousseau

Eine knappe Woche nach der Brexit-Entscheidung nimmt der Machtkampf in der konservativen britischen Regierungspartei an Fahrt auf. Brexit-Wortführer Boris Johnson hatte als aussichtsreicher Bewerber für eine Nachfolge des glücklosen Premiers David Cameron gegolten, räumte dann aber überraschend seinen Verzicht ein. Ausgerechnet sein enger Weggefährte in der Brexit-Kampagne, Justizminister Michael Gove (Artikelbild), bescheinigte Johnson, nicht die nötigen Eigenschaften für das Amt des Regierungschefs zu haben. Stattdessen erklärte Gove seine eigene Kandidatur und seine eigenwilligen Vorstellungen über den EU-Austritt. Insgesamt wollen fünf Politiker der konservativen Tories den Posten als Parteichef übernehmen und damit bis zur nächsten Wahl Regierungschef werden.

Gove betonte, dass der neue Regierungschef unbedingt wie er ein Befürworter der Brexit-Kampagne sein müsse. Wie sich der in Schottland aufgewachsene Politiker die Austrittsverhandlungen mit der Europäischen Union vorstellte, machte er auch direkt deutlich. Vor einer formellen britischen Austrittserklärung in Brüssel müssten zunächst ausführliche Vorgespräche stattfinden. Deshalb rechne er nicht mehr in diesem Jahr damit, dass der in Artikel 50 der europäischen Verträge beschriebene Mechanismus zum Ausscheiden aus der Union ausgelöst werde. Das dürfte in Brüssel und bei den 27 verbleibenden EU-Mitgliedstaaten auf massiven Protest stoßen. Eine Reihe von EU-Spitzenvertretern hat bereits auf eine zügige Zustellung des Austrittsgesuchs gedrängt. Brüssel will erst den Antrag sehen und dann die Details verhandeln.

Spott in den sozialen Medien

Der ehemalige Londoner Bürgermeister Johnson hatte seinen Rückzug mit den Worten begründet, er sei nicht der Richtige für den Posten – so, als wollte er Gove recht geben. Dafür erntete er in den sozialen Medien reichlich Spott. Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) twitterte mit Blick auf Johnsons Anti-EU-Kurs: "Der Brandstifter will nicht zur Feuerwehr."

Dass der Justizminister seinen Parteikollegen zum Verzicht drängte, wirft einen Blick auf das Ringen innerhalb der konservativen Partei. Grund für Johnsons Rückzieher könnte sein, dass mit Gove und der amtierenden Innenministerin Theresa May nun zwei politische Schwergewichte der Tories ihren Hut in den Ring geworfen haben. Johnson ist zwar bei den britischen Wählern beliebt, viele Abgeordnete seiner eigenen Partei begegnen ihm jedoch mit Skepsis.

May gilt als Favoritin

Als Favoritin für die Nachfolge Camerons gilt derzeit Innenministerin May. Sie versuchte sich als Brückenbauerin zwischen Gegnern und Anhängern des Brexit zu positionieren. Das Ergebnis des Referendums will sie allerdings nicht anfechten: "Brexit bedeutet Brexit." Außerdem bewerben sich Energieministerin Andrea Leadsom, der EU-Befürworter Stephen Crabb und der frühere Verteidigungsminister Liam Fox um den Posten.

Innenministerin May wollte zwischen EU-Gegner und Befürworter vermittelnBild: Getty Images/C. Court

Das Verfahren zur Kandidatenauswahl beginnt bereits nächste Woche. Die fünf Bewerber werden sich jetzt in mehreren Wahlen den konservativen Abgeordneten stellen, wobei jeweils derjenige mit den wenigsten Stimmen aus dem Bewerberfeld ausscheidet. Am Dienstag stellen sich die Kandidaten erstmals den Abgeordneten. Weitere Wahlgänge folgen am Donnerstag und am 12. Juli. Die dann übrig gebliebenen zwei Kandidaten werden sich einer Urabstimmung unter den insgesamt 150.000 Parteimitgliedern stellen. Der Sieger soll am 9. September bekanntgegeben werden.

ago/rb (rtr, dpa)

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