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Bobs-Hauptpreis geht nach China

Silke Wünsch7. Mai 2013

Die Bobs-Jury hat den Hauptgewinner des diesjährigen DW-Awards für Onlineaktivismus gewählt. Der Preis geht an den prominenten chinesischen Blogger Li Chengpeng.

Der Blog des einflussreichen chinesischen Bloggers Li Chengpeng ist von der internationalen Jury der Bobs als bester Blog 2013 ausgezeichnet worden. Das Foto stammt von einer Buchvorstellung Lis im Januar 2013 im chinesischen Kunming.(Quelle: STR/AFP/Getty Images)
Bild: STR/AFP/Getty Images

Anfang 2013 machte er nicht nur in China Schlagzeilen. Als er seine Essaysammlung "Die ganze Welt weiß Bescheid" bei einer Lesereise vorstellte, wurde ihm seitens der Behörden der Mund verboten. Li Chengpeng durfte sich weder bei seinen Fans bedanken noch sonstige Worte mit ihnen wechseln. Auf dem chinesischen Microblog Sina Weibo kommentierte er das trocken: "Die sind alle verrückt". Er erschien bei einer seiner Signierstunden mit einem schwarzen Mundschutz im Gesicht und trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich liebe euch alle". Während des gesamten Auftritts sagte er kein einziges Wort. Auch viele seiner Anhänger trugen die Maske - diese Aktion wurde ein Symbol dafür, wie junge Chinesen für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung kämpfen. Auf Youtube kann man das Video dazu sehen.

Über sieben Millionen Follower hat Li Chengpeng auf Sina Weibo. Er spricht gerade junge Menschen an und sie verehren ihn. Ein Beispiel: Als er im November 2012 einen Vortrag an der Universität von Peking hielt, sagte er vor den Studenten, China verlerne zu sprechen, und das schon seit vielen Jahrzehnten. Er machte bei dieser Rede, die innerhalb kürzester Zeit im Netz bekannt wurde, auch deutlich, dass er keine politischen Ambitionen habe: "Ich strebe lediglich danach, mein Recht zu sprechen und zu schreiben zu erhalten."

Eine neue Form von Protest

Mit Mitte Vierzig gehört Li Chengpeng zwar nicht mehr zu den jüngsten Bloggern Chinas, aber er gehört zu einer neuen Protestkultur. Die stellt sich nicht mehr hin und prangert allgemeine Missstände an, sondern sucht gezielt Probleme, die sie öffentlich macht. Das kann dann auch schon mal einen korrupten Bürgermeister in einem Dorf treffen. Oder Behörden, die verantwortlich für Pfusch am Bau sind. Wie in seiner Heimat, der Provinz Sichuan, wo im Mai 2008 ein verheerendes Erdbeben fast 100.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Screenshot des Blogs von Li Chengpeng - von der Bobs-Jury als "Best Blog 2013" ausgezeichnetBild: blog.sina.com.cn/lichengpeng

Li Chengpeng hat es miterlebt und war Zeuge, wie Kinder in den Trümmern eines eingestürzten Hochhauses sterben mussten, weil keiner ihnen helfen konnte, ohne selbst in Lebensgefahr zu geraten. Es war für ihn schwer zu begreifen, wie man in einem Erdebebengebiet Häuser errichten konnte, die beim kleinsten Erdstoß in sich zusammenfallen. "Was mich damals noch mehr verwirrt hat", schrieb er vier Jahre später in seinem Blog, "ist die Frage, warum die Opfer des 11. Septembers 2001 alle Namen haben, während unsere Kinder keine Namen haben."

Die toten Kinder hatten ihn auf einen Gedanken gebracht: Mit einigen Gleichgesinnten machte er sich auf den Weg durch das Erdbebengebiet. Gezielt suchten sie Schulgebäude auf und untersuchten ihre Bausubstanz. Es gab unter vielen nur ein einziges Gebäude, das dem Beben standgehalten hatte. Alle Lehrer und Kinder hatten überlebt. Das ging als ein großes Wunder durch die Presse. Als Li Chengpeng aber herausgefunden hatte, dass dieses Gebäude als eins der wenigen im gesamten Umkreis nach den vorgegebenen Standards gebaut worden war, veröffentlichte er einen Essay: "Die Wahrheit über das wundersame Überleben der Schüler und Lehrer der Longhan-Grundschule."

Patriotismus hat verschiedene Seiten

Li Chengpeng war nicht immer ein solcher Querdenker. In seinen früheren Jahren als Sportkommentator sei er ein "Patriot" gewesen, sagt er über sich; Regierungskritik sei für ihn ein Fremdwort gewesen. Dieser blinde Patriotismus schlug nach den Erlebnissen von Sichuan in die Erkenntnis um, dass Patriotismus auch bedeutet, ein Land und seine Bewohner mit seinem Leben zu schützen. So schreibt Li Chengpeng in seinem Blog: "Sollte ich am Ende meines Lebens eine Autobiografie schreiben, so würde ich sie auf dem Jahr 2008 aufbauen, da ich davor ein Idiot war."

Und so machte er sich bald einen Namen als Gesellschaftskritiker mit einem Hang zu publikumswirksamen Aktionen. Seine Leidenschaft: Unbequeme Wahrheiten aus dem chinesischen Alltag aufdecken, verpackt in Satire und Ironie. Er schrieb bald sein erstes Buch über Menschen, die sich gegen Zwangsräumungen wehren: "Li Kele widersetzt sich dem Abriss".

Auf Lesereisen wirbt Li für seine Bücher - und das Recht auf freie MeinungsäußerungBild: STR/AFP/Getty Images

2010 wollte er sich als unabhängiger Kandidat für seinen Heimatort Chengdu zur Wahl für die Volksversammlung stellen. Das steht jedem Chinesen offen, ob er zur Kommunistischen Partei gehört oder nicht. Allerdings hat niemand eine Chance, der nicht zur Partei gehört. Natürlich stieß die Kandidatur einigen Offiziellen unangenehm auf, was er auch zu spüren bekam. Seinem Sohn, einem großen Tennistalent, wurde das Sportstipendium entzogen. Wie vermutet wurde Li auch nicht aufgestellt. Nach der Wahl verkündete er lapidar, er habe die Wahl verloren. Aber eigentlich hatte er gewonnen, denn allein das Vorhaben, sich einer Wahl zu stellen, und die Reaktion der Regierung darauf - allein das war schon ein Zeichen.

Ein attraktiver Mann mit Witz

Mit seiner erfrischenden Art und dem Mut, Missstände auf ironische Weise aufzudecken, hat "Big-eye-Li", wie ihn seine Freunde nennen, nun auch die Bobs-Jury überzeugt. Jurymitglied Hu Yong, selbst Blogger und Journalist, mag seine Aktionen und seinen witzigen Schreibstil. Er falle mit seinen intelligenten Wortspielen aus der Rolle, was ihn gerade beim jungen Publikum so beliebt mache. Außerdem, so Hu augenzwinkernd, sei er attraktiv. Auch der Rest der Bobs-Jury war von Li begeistert. Sie beschloss, Li Chengpeng und sein Blog mit dem DW-Award für das beste Blog auszuzeichnen.

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