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Haushalt: Wo wird Deutschland 2025 sparen?

29. Mai 2024

Weil es eine Milliarden-Lücke gibt, soll laut Finanzminister auch bei der Entwicklungshilfe gekürzt werden. Nun gibt es Widerstand. Doch die Streichliste ist noch viel länger.

 Sparschwein in Deutschlandfarben,
Im "Sparschwein" werden Münzen gesammelt, also angespart. Dem Finanzminister wird das nicht reichenBild: M. Gann/McPHOTO/blickwinkel/picture alliance

Wenn es einen Begriff gibt, der das politische Miteinander in der Regierungskoalition am besten umschreibt, dann wäre es wohl: Endzeitstimmung. Gut war das Verhältnis zwischen SPD, Grünen und FDP schon lange nicht mehr. Doch der Streit darüber, ob der Staat drastisch sparen sollte - wie es die FDP will - oder angesichts der vielen Probleme noch weitere Schulden machen darf - wie es SPD und Grüne wollen - hat das Bündnis heillos zerrüttet.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will im Bundeshaushalt 2025 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wieder einhalten. Die erlaubt lediglich eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Verglichen mit dem Haushalt 2024 sollen im nächsten Jahr rund 25 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. Um das Ziel zu erreichen, hat Lindner in einem ersten Schritt die Budgets fast aller Ministerien gekürzt und klare Obergrenzen für die Ausgaben gesetzt.

Kabinettssitzung in BerlinBild: dts-Agentur/picture alliance

Fünf Rebellen im Kabinett

Doch es gibt Gegenwehr. Die von der SPD geführten Ministerien für Inneres, Arbeit, Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit sowie das von den Grünen geführte Auswärtige Amt wollen nicht sparen. Im Gegenteil, sie möchten mehr Geld ausgeben. Nach Angaben aus Regierungskreisen summieren sich ihre Forderungen auf über 20 Milliarden Euro.

Lindner spricht aufgebracht von "exorbitanten Wunschzetteln", die "gewissermaßen für Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen" reichten. "Das ist so nicht akzeptabel", konterte der Minister Mitte Mai nach einer Sitzung des Stabilitätsrats. 

Keine Eckpunkte, keine Einigung

Normalerweise einigen sich der Bundesfinanzminister und seine Ministerkollegen spätestens bis März auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt des darauffolgenden Jahres. Im Juni wird der fertige Haushaltsentwurf vom Kabinett verabschiedet und ins Parlament geschickt. Der Bundestag hat in Budgetfragen das letzte Wort.

Finanzminister Christian Lindner (FDP, li.) setzt enge Grenzen für den Haushalt. Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sollen bei der Durchsetzung der Sparmaßnahmen helfenBild: TOBIAS SCHWARZ/AFP

Klar ist, es muss einen Haushalt geben. Offiziell heißt es, am 3. Juli werde er vorliegen. Um die fünf Ministerkollegen zur Räson zu bringen, sind Einzelgespräche mit den drei Chefs der Ampel-Koalition, also Lindner, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck anberaumt. 

Sicherheit nicht zum Nulltarif

Ob das so einfach wird? Die Betroffenen lassen keine Gelegenheit aus, um öffentlich gegen die Kürzungen zu argumentieren. Allen voran Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). 52 Milliarden Euro soll sein Etat umfassen, er verlangt aber 6,5 Milliarden Euro mehr, um die Bundeswehr "kriegsfähig" zu machen. Notfalls finanziert über neue Schulden. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine dürfe der Schuldenbremse keine höhere Priorität als der ebenfalls im Grundgesetz verankerten Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte eingeräumt werden, argumentiert Pistorius.

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Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hätte nichts gegen neue Schulden. Sicherheit gebe es nicht zum Nulltarif, sagte sie dem Magazin "Stern". Ihr Etat soll um etwas mehr als eine Milliarde Euro auf gut zwölf 12,1 Milliarden sinken. Das sei "nicht ansatzweise verantwortbar", so Faeser.

Allen müsse bewusst sein, wie wichtig die innere Sicherheit "in diesen Zeiten" sei. "Wir müssen immer mehr Cyberattacken abwehren. Die Bundespolizei muss weiter die Grenzen kontrollieren, um Schleuser zu bekämpfen und irreguläre Migration zu reduzieren." Kürzungen kämen da nicht in Frage. 

Weniger für den Nahen Osten und die Ukraine

Im Auswärtigen Amt liegt der Etat in diesem Jahr bei rund sechs Milliarden Euro und soll auf rund fünf Milliarden sinken. Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen verlangt aber rund sieben Milliarden Euro. Ansonsten müsste die humanitäre Hilfe für Krisengebiete wie den Nahen Osten und die Ukraine um rund die Hälfte gekürzt werden, heißt es.

Baerbock weiß Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) an ihrer Seite. "Die Ukraine braucht mehr Geld. Die Zerstörungen sind gigantisch in dem Land und die Menschen brauchen Unterstützung, wenn sie dort bleiben wollen und wenn sie dort bleiben sollen", so Schulze im SPD-Podcast "Lage der Fraktion".

Auf Deutschland soll Verlass bleiben

Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit soll ebenfalls gekürzt werden - von aktuell gut elf auf knapp zehn Milliarden Euro. Schulze hingegen verlangt 12,2 Milliarden Euro für 2025. Die Weltlage erfordere mehr Geld und nicht weniger. "Ich kann nur davor warnen, zu meinen, wenn wir uns jetzt ins Schneckenhaus zurückziehen, dass wir dann mit den internationalen Krisen und Konflikten nichts mehr zu tun haben." 

Zudem gebe es innerhalb der Regierung Festlegungen. "Wir haben gerade eine nationale Sicherheitsstrategie erarbeitet und dort ist ganz klar festgelegt, dass zu Sicherheit neben der Verteidigungspolitik und der Diplomatie eben auch die Entwicklungszusammenarbeit gehört."

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Weniger Steuergeld ins Ausland?

Die FDP kritisiert, Schulze habe ein "überdehntes" Verständnis von Entwicklungshilfe. "Die Ausgaben sind durchzogen von Projekten, deren Notwendigkeit fragwürdig ist", so FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer in der Bild-Zeitung und nennt als Beispiele Gender-Training in Afrika und China. 

"Deutschlands Wirtschaftskraft reicht nicht mehr aus, um in gewünschtem Umfang Steuergeld ins Ausland zu geben", ergänzt Finanzminister und FDP-Chef Lindner.

SPD warnt vor "nationalistischem Zungenschlag"

Das bringt nicht nur Entwicklungsministerin Schulze auf die Barrikaden. Lindner bediene ein Weltbild, demzufolge humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit bloß Geschenke seien, die man der Welt in guten Zeiten machen könne, kontert Kevin Kühnert. Der SPD-Generalsekretär warnt zudem vor einem "nationalistischen Zungenschlag". 

"Wir können uns sonntags nicht darüber beklagen, dass wir im Vergleich zu Russland und China zu wenig geopolitisches Gewicht auf die Waagschale bringen, nur um montags mit populistischem Tamtam die Entwicklungszusammenarbeit zusammenstreichen", sagte er dem Nachrichtenportal t-online.

Steuereinnahmen sinken 2025 um elf Milliarden Euro

Lindner hält dagegen, dass man beim internationalen Engagement nur "ganz vorne mitspielen" könne, wenn man auch bei der Wirtschaftskraft mit den führenden Industrienationen mithalte. Deutschland müsse sich darauf konzentrieren, die eigene Wirtschaft wieder zu stärken. Nur dann werde es wieder mehr Steuereinnahmen und mehr Spielräume für weitere Ausgaben geben.

Tatsächlich hat die Steuerschätzung Mitte Mai ergeben, dass der Bund im kommenden Jahr absehbar elf Milliarden Euro weniger einnehmen wird als noch bei der letzten Prognose im Herbst erwartet. Lindner und seine FDP sind der Meinung, dass neben Ausgaben für deutsche Sicherheitsinteressen vor allem Investitionen in die Wirtschaft Priorität haben müssten.

Investitionen über Kredite finanzieren?

Mehr für die Wirtschaft tun, das fordern auch Wirtschaftswissenschaftler. Allerdings sind sie anders als die FDP der Meinung, dass Investitionen durchaus auch schuldenfinanziert werden könnten. Dafür aber müsste die Schuldenbremse geändert werden und das geht nicht ohne die größten Oppositionsparteien CDU und CSU. Die aber winken ab. Lindner ist das nur recht, denn er will sparen. Den Haushalt zu sanieren und die Schuldenbremse wieder einzuhalten, das hat für die FDP politisch absolute Priorität. 

Den Bundeskanzler hat der Finanzminister dabei insofern auf seiner Seite, dass Scholz einen Koalitionsbruch verhindern will. Anfang Juni sind Europawahlen, im Herbst drei wichtige Landtagswahlen im Osten Deutschlands und 2025 wird der Bundestag neu gewählt. Bis dahin soll die Ampel unbedingt durchhalten.

Sollten sich die Koalitionäre nicht auf einen Bundeshaushalt einigen, könnte der Finanzminister übrigens von seinem Recht Gebrauch machen, den Etat für einzelne Ressorts selbst aufzustellen. Täte er das, wäre aber endgültig klar, dass die Regierung am Ende ist.

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