Transkript: 55. Moderne Haushaltsgeräte
1. Oktober 2022Jingle: DW. "Echt behindert!"
Moderator, Matthias Klaus: Herzlich willkommen zu "Echt behindert!" Mein Name ist Matthias Klaus. Meine letzte Waschmaschine habe ich vor neun Jahren gekauft. Von den 20 Modellen, die zur Wahl standen, kam eigentlich nur eine in Frage. Und das war ein älteres Modell, das überhaupt nicht der technischen Entwicklung entsprach. Alle anderen hatten entweder einen Touchscreen oder Menüs, die ich als blinder Mensch einfach nicht bedienen konnte. Das ist, wie gesagt, neun Jahre her und ich vermute mal, dass es seitdem nicht viel besser geworden ist.
Heute sprechen wir über Barrierefreiheit bei Haushaltsgeräten und wie mein kleines Beispiel schon zeigt, da gibt es ein Problem. Mit mir im Podcast ist zum einen Silvia Hame vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und Luciano Butera vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband.
Schönen guten Tag zusammen.
Luciano Butera: Guten Tag!
Silvia Hame: Hallo. Guten Morgen!
Matthias Klaus: Das Problem, über das wir heute sprechen, ist sozusagen grenzüberschreitend. Zusammen mit dem Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverband haben Sie die Initiative "Home Designed for All" gegründet. Aber erst einmal: Wo liegt denn das Problem genau? Welchen Ärger haben wir denn durch die moderne Technik und die aktuellen Entwicklungen?
Silvia Hame: Sie haben ja schon zu Anfang das Grundproblem eigentlich benannt, dass früher Geräte vergleichsweise gut bedienbar waren, weil sie taktile Schalter, Drehschalter, und Knöpfe hatten, die man als blinde oder sehbehinderte Menschen durchaus auch bedienen konnte. Vielleicht auch ein bisschen mit Unterstützung von sehenden Partnern. Oder man hat es sich markiert und diese Geräte verschwinden immer mehr vom Markt, weil die Entwicklung halt in Richtung "smarte Geräte" geht. Oder halt mit Touchscreens, wo wir als blinde und sehbehinderte Menschen einfach keine taktile Orientierung haben oder auch keine akustische. Also man weiß halt nicht, was man da tut.
Matthias Klaus: Welche Geräte betrifft es denn?
Silvia Hame: Also die ganz alten Kühlschränke hatten sogar noch einen richtigen Drehschalter, wo man dann fühlen konnte, wie kalt man den eingestellt hat. Das sind jetzt kleinere Schalter, man braucht die vielleicht ein, zweimal im Jahr, wenn man das Gerät abtaut. Aber die ganz modernen gehen fast nicht.
Spülmaschinen zum Beispiel hatten früher Knöpfe oder Drehschalter, aber überwiegend Knöpfe. Der Backofen hatte einen Drehschalter für die Programmwahl und auch um die Temperatur einzustellen oder auch die Waschmaschinen, um das Programm einzustellen. Und da kamen dann zusätzlich Knöpfe für Vorwäsche oder so. Viele von diesen Drehschaltern und Knöpfen gibt es halt nicht mehr. Und ganz besonders beim Kochfeld gab es früher pro einzelne Herdplatte einen Drehschalter, wo man genau fühlen konnte, wie stark man es eingestellt hat. Und durch die moderneren Kochfelder wird es wirklich schwierig, da noch ein bedienbares für blinde- sehbehinderte Menschen zu finden.
Matthias Klaus: Herr Butera, ich habe gelesen, in der Schweiz sei das Problem noch mal verschärft, wegen der Ausstattung der Wohnungen. Wo ist denn das spezielle Schweizer Problem?
Luciano Butera: In der Schweiz werden eigentlich die Wohnungen schon vom Vermieter ausgestattet. Das heißt, als Mieter muss ich eigentlich die Geräte in der Küche und auch in der Waschküche nehmen, die bereits vorhanden sind. Und das verunmöglicht eigentlich eine eigene Auswahl des Nutzers.
Matthias Klaus: Wie gehen Sie mit so einem Problem um? Sie sind selber blind, richtig?
Luciano Butera: Ja, ich bin selber blind. Es gibt da verschiedene Ansätze. Also entweder man nimmt ältere Wohnungen, was man ja nicht unbedingt will, oder man versucht so mit Markierungen möglichst das Kochfeld zugänglich zu machen, wo es noch geht und wo es nicht geht. Dann isst man einfach kalt.
Matthias Klaus: Oh, das klingt nicht wie eine schöne Lösung. Herr Butera, vielleicht gehen wir mal durch Ihre Wohnung. Welche Geräte haben Sie in Ihrem Haushalt und wo stoßen Sie an Probleme? Mal ganz konkret: Gehen wir mal die Küche durch. Die ist ja wahrscheinlich das wichtigste Feld.
Luciano Butera: Ich habe eine relativ moderne Wohnung, hatte aber noch das Glück, dass der Keramikherd mit Drehknöpfen ausgestattet ist. Ein Riesenglück. Das war eigentlich schon fast der Entscheid, dass ich diese Wohnung nehmen werde. Dann habe ich einen Backofen, der hat eine wunderbare Glasfront, überhaupt nichts Taktiles. Den habe ich mir so eingerichtet, dass ich so ein paar Markierungsknöpfe angeklebt habe und dass ich – das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd - aber ich kann dort einfach ein Programm nutzen und die Temperatur ein bisschen hoch- und runter schrauben und that´s it, also ein Bruchteil von dem, was der Backofen könnte. Dann habe ich einen Geschirrspüler. Der hat noch ein paar Knöpfe. Ich kann den einfach immer einschalten. Sobald da dann irgendwie Lampen zum Salz nachfüllen oder so angezeigt werden, kriege ich das nicht mit. Der Kühlschrank ist ein einfaches Ding. Den kann man einfach öffnen und schließen. Solange alles in Ordnung ist, geht das auch. Dann gehe ich weiter in die Waschküche. Dort habe ich jeweils ein Gerät mit einem Rad. Ich habe mir dann den Trick beigebracht, dass ich immer die Maschine ein paarmal ein und ausschalten muss, damit das dann wieder auf Null stellt. Und dann kann ich das Rad zwei oder drei, je nachdem welches Programm, das ich nutze, nach rechts drehen. Und dann habe ich mein Programm. Das heißt, auch dort bin ich sehr limitiert mit den Programmen, die ich nutze, mit den Möglichkeiten dieser Geräte, die ich dann auch nutzen kann.
Matthias Klaus: Frau Hame, machen wir dasselbe mal mit Ihrer Küche. Sie leben jetzt nicht allein, haben einen sehenden Partner, haben mir aber vorher gesagt: Mein Partner ist nicht mein Hilfsmittel. Sie möchten also auch alles natürlich selbst können in der Küche. Wie sieht es bei Ihnen aus mit Ihrer Küche? Was können Sie da und was können Sie da nicht?
Silvia Hame: Also mein Partner ist kein anerkanntes Hilfsmittel, und die Küche ist sogar relativ neu, vom letzten Jahr. Beim Kühlschrank habe ich auch das Problem, den kann ich jetzt nicht alleine einstellen. Aber natürlich auf- und zumachen und vielleicht einmal im Jahr abtauen. Aber das ist ja jetzt nicht so tragisch. Die Abzugshaube hat Knöpfe, aber die überlegt immer, ob sie es jetzt ein- oder ausschalten soll und braucht immer so ein bisschen Zeit. Meine alte Abzugshaube hatte einfach Kippschalter: an, aus, Licht an aus und war ein bisschen einfacher, aber es ist noch bedienbar. Der Backofen hat zwei Drehschalter, einer für die Programmwahl: Oberhitze, Unterhitze, Umluft, und so weiter. Und der zweite Drehschalter ist für die Temperatur. Aber Achtung! Nicht wie früher, dass der immer von 0 bis 230 Grad oder so geht, sondern der hat pro Programm, also bei Umluft zum Beispiel startet er bei 160 Grad. Und so ganz leichte Einraster nach rechts ist dann immer fünf Grad höher oder nach links fünf Grad niedriger. Ansonsten hat er noch einige Funktionen in der Mitte, die ich nicht bedienen kann. Das müsste dann mein Mann machen. Die Spülmaschine ... Es war schwierig, überhaupt eine zu kriegen. Aber ich habe eine gefunden und sie hat auch Tasten Teil integriert. Die sehen aus, wie eine Zierleiste und da kann ich halt auch anschalten, Programme auswählen und starten. Aber die Rückmeldung Salz oder Klarspüler habe ich auch nicht.
Matthias Klaus: Oder einfach mal zu sehen, wie lange sie denn noch läuft.
Silvia Hame: Nein, das habe ich auch nicht. Aber ich kenne die Laufzeit der Programme, also der fünf. Das Extrem ist über vier Stunden, also intensiv heißt, über vier Stunden. Das Eco-Programm ist zwei ein halb Stunden oder 60 Minuten kurz oder 45 kurz, aber das geht. Und einräumen, ausräumen natürlich auch. Als Kochfeld habe ich noch ein Induktionskochfeld mit vier Drehreglern gefunden, aber die Auswahl ist nicht sehr groß und ich hatte früher einen mit diesen gusseisernen Platten. Das war jetzt für mich schon ein Riesensprung. Aber ich bin echt froh um dieses Induktionsfeld, weil man auch gut hören kann, wie stark man es eingestellt hat, wenn ein Topf drauf steht. Also wenn man Nudelwasser kochen möchte oder die Pfanne anheizt. Also diese Intervalle kann man sehr gut hören.
Und bei der Waschmaschine habe ich auch eine vielleicht sechs Jahre alte, auch mit einem Drehregler, der einrastet. Und ich habe mir einmal die 26 Programme aufgeschrieben und die, die ich immer benutze. Da weiß ich die zwei nach rechts, vier nach links oder so für Oberhemden, das geht ganz gut. Und sie hat auch noch ein paar physische Tasten, wo ich die Schleuderzahl zum Beispiel hoch- oder runterdrehen kann. Da muss ich aber auch wissen, wo sie startet, weil es keine akustische Rückmeldung gibt.
Matthias Klaus: Und gerade bei Schleuderzahlen ist das ja pro Programm wieder anders. Einige fangen bei 1400 an, andere können nur 500 und 300. Das muss man auch alles praktisch auswendig lernen.
Silvia Hame: … oder halt notieren. Ich habe es mir halt einmal in Blindenschrift aufgeschrieben oder man macht es halt mit so kurzen Sprachaufnahmen. Das gibt es ja. Es gibt ja so Hilfsmittel, wo man Etiketten klebt und dann selber aufsprechen kann, zum Beispiel, wenn man jetzt keine Blindenschrift kann.
Matthias Klaus: Welche Techniken gäbe es denn? Frau Hame, vielleicht können Sie mir das sagen. Welche Techniken gäbe es denn, um Haushaltsgeräte wirklich barrierefrei zu machen, dass sie jeder benutzen kann? Es gibt ja bestimmt Lösungen für dieses Problem.
Silvia Hame: Ja, man muss ein bisschen unterscheiden. Also es gibt Ideen, bestimmte Geräte mithilfe einer App bedienbar zu machen. Die App muss dann natürlich auch barrierefrei nutzbar sein. Aber nicht jeder kann mit einer App umgehen. Aber das ist schon mal eine Idee. Und es gibt auch Forschungsprojekte oder Masterarbeiten, die versuchen, mithilfe einer App und einem Panel, also mit physischen Drehschaltern, Knöpfen und so, das wieder bedienbar zu machen für blinde, sehbehinderte Menschen, die mit einer App selber nicht umgehen können, mit einem Smartphone zum Beispiel. Oder wir hatten auch auf der IFA, auf unserem Stand, den Vorschlag, zum Beispiel von einem Backofen, der einfach Smart ist und mit Voiceover arbeitet.
Matthias Klaus: Herr Butera, erklären Sie uns mal, was es bedeutet, einen Backofen mit Voiceover zu bedienen? Menschen, die das nicht müssen, kennen das ja nicht.
Luciano Butera: Also heute kann man einen Backofen nur mit Voiceover bedienen, wenn die Backofen Smart Home fähig sind und eine entsprechende App haben, sofern die App barrierefrei ist. Das heißt im Grunde genommen, dass die Knöpfe beschriftet in der App beschriftet sein müssen, damit die App auch den Titel des Knopfes vorlesen kann und dass die App auch navigierbar ist. Also das ist das, was heute bei modernen Backöfen möglich ist, die schon vernetzt sind. Am IFA-Stand hatten wir eine Simulation eines Backofens. Da haben wir einfach als Steuerelement ein Smartphone genommen. Das ist heute natürlich in der Industrie noch nicht so nutzbar, weil die Backöfen keine eigenen Screenreader implementiert haben.
Matthias Klaus: Gehen wir noch mal ein Stück zurück: IFA Internationale Funkausstellung. Dort waren sie Ende August, Anfang September und haben einen Stand gemacht von der Initiative "Home Designed for All". Was haben Sie denn da genau gezeigt? Wenn es doch gar keine richtig schönen Lösungen gibt, stellt man sich dahin und sagt: "Wir stellen hier ein Problem aus!" oder wie hat das funktioniert?
Luciano Butera: Das trifft es eigentlich ziemlich gut. Also wir haben mit zugänglichen Apps mal klar zeigen können, was bei Backöfen geht. Aber das ist ja, wie Silvia schon gesagt hat, nicht die Allerweltslösung für alle Nutzer. Und des Weiteren war das vor allem ein Stand, der die Hersteller etwas inspirieren sollte. Im Idealfall, um zu zeigen, was könnte man machen? Also wie könnte ein Backofen sein, wenn der spricht? Oder was kann man mit Knöpfen bei einer Herdplatte darstellen? Das wichtige Element an diesem Stand wäre wirklich, mit den Herstellern in ein Gespräch zu kommen.
Matthias Klaus: Frau Hame, haben Sie das erlebt - Sie waren ja auch mit auf der IFA - dass es wirklich interessierte Hersteller gab, oder ist denen das egal, weil das nur so ein paar Leute betrifft?
Silvia Hame: Nein, ich muss schon sagen, sie waren sehr interessiert. Wir wollten sie ja sensibilisieren für diese Problematik. Und es kamen auch wirklich bedeutende Hersteller an den Stand, auch kleine, die eine Nische besetzen, und haben sich das Problem erklären lassen und sind offen für Lösungen, die man jetzt hat, und nach und nach natürlich dann auch erarbeiten muss. Aber da waren sehr gute Kontakte dabei, die wir jetzt halt einfach nutzen müssen, um in die richtige Richtung weiterzukommen.
Matthias Klaus: Sie waren ja nicht zum ersten Mal auf der IFA, soweit mir das bekannt ist. Gab es denn schon irgendwelche Entwicklungen, die aus dieser "Home Designed for All"- Initiative sozusagen gefruchtet haben? Oder ist das alles noch eher im Stadium der Beweisaufnahme?
Silvia Hame: Ja, wir waren zwar schon mal vor einigen Jahren als DBSV [Deutscher Blinden- und Sehbehinertenverband] auf der IFA. Allerdings gab es da diesen Zusammenschluss "Home Designed for All" noch nicht. Dieser länderübergreifende Zusammenschluss da wurde damals auf die Problematik hingewiesen, aber ich war persönlich da auch noch nicht dabei, muss ich sagen.
Matthias Klaus: "Home Designed for All". Wer hat das gegründet und seit wann gibt es das und auch warum ist es gegründet worden?
Luciano Butera: "Home Designed for All" wurde, ich glaube, 2019 ins Leben gerufen. Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen hat da die Initiative ergriffen und Verbände in Deutschland und Österreich kontaktiert, weil wir einfach gemerkt haben, dass wir eigentlich alle in allen drei Ländern das gleiche Problem haben und in vielen weiteren Ländern natürlich auch. Aber schon mit der Nähe der Sprache wollten wir eigentlich möglichst die Stärken bündeln, die Fähigkeiten bündeln und zusammen auftreten, damit wir auch gegenüber der Industrie sagen können: "Hey, das sind eigentlich nicht nur wir, nicht nur wir Blinden, nicht nur wir in der Schweiz, sondern es ist ein viel größeres Publikum, das davon betroffen ist und ihr seid ja auch in mehreren Märkten tätig."
Matthias Klaus: "Home Designed for All" heißt ja nicht "Home Designed for Blind and Visually Impaired" [für Blinde und Sehbehinderte]", sondern für alle. Wen betrifft es denn noch? Es sind ja nicht nur Blinde und Sehbehinderte, die dieses Problem überhaupt betrifft.
Silvia Hame: Wir denken auch an ältere Menschen, die nicht nur sehbehindert oder blind sind, sondern auch einfach motorische Probleme haben, vielleicht so ein Touchscreen zu bedienen oder auch mit einer App von der Technik her einfach nicht klarkommen. Also, für die versuchen wir das schon mitzudenken, haben aber jetzt nicht direkt Kontakt zu Selbsthilfeorganisationen in diesem Bereich.
Matthias Klaus: Es gibt so eine Regel für Barrierefreiheit, die sich "Zwei-Sinne-Prinzip" nennt. Wer von Ihnen mag mal erklären: Was ist das "Zwei-Sinne-Prinzip" und warum ist das wichtig?
Silvia Hame: Ja, das "Zwei-Sinne-Prinzip" bedeutet, dass nicht nur Signale optisch zurückgegeben werden sollen oder nicht nur akustisch, sondern mindestens zwei Sinne angesprochen werden. Ideal wäre natürlich, dass "Mehr-Sinne-Prinzip", also wenn es vielleicht sogar drei sind, dass man was fühlen kann. Ein Licht geht an für die Optik und man kann vielleicht auch noch was hören, wenn eine Sprachausgabe dabei ist. Das wäre natürlich noch besser, aber mindestens zwei Sinne.
Matthias Klaus: Gibt es Geräte, die das schon einhalten?
Silvia Hame: Ja, früher die Drehschalter und mit den Leuchten, dass es an ist, war ja schon "Zwei-Sinne" im Prinzip. Da hat dann noch die Sprachausgabe gefehlt.
Matthias Klaus: Herr Butera, wie ist das in der Schweiz? Deutschland wird ja immer so, was Barrierefreiheitsstandards angeht als bestenfalls Mitläufer angesehen. Wie sind denn die Regelungen in der Schweiz? Müssten Hersteller, die in der Schweiz etwas bauen, eigentlich Barrierefreiheit beachten oder nicht?
Luciano Butera: Leider nein. In der Schweiz wird die Barrierefreiheit vor allem im öffentlichen Bereich, also Bund und Kantonen und Behörden, geregelt. Aber in der Privatwirtschaft wird das noch sehr stiefmütterlich bewirtschaftet.
Matthias Klaus: Was unternehmen Sie denn dagegen? Haben Sie da Initiativen oder gibt es Versuche, diese Gesetze zu ändern? In Deutschland gibt es ja das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, was allerdings jetzt Haushaltsgeräte überhaupt nicht berührt. Wie sieht es da in der Schweiz aus? Was erwarten Sie da in Zukunft?
Luciano Butera: Nach meiner Erfahrung ist die Schweiz immer ein bisschen zögerlich, wenn es darum geht, so ich sag jetzt mal in Anführungszeichen "Vorschriften für die Industrie" zu machen. Da sind wir sicher aktiv. Unser Fokus liegt aber vor allem auch darauf, motivierend mit Unternehmen zu sprechen, dass wir auch ohne Gesetzgebung möglichst viel für blinde und sehbehinderte Menschen und dann auch für andere Behinderungen herausholen können.
Silvia Hame: Dass Barrierefreiheitsstärkungsgesetz soll angepasst werden. Und vom DBSV gibt es da auch schon die ersten Stellungnahmen, dass auch Haushaltsgeräte künftig mit einfließen sollen und barrierefrei sein sollen. Das ist natürlich ein dickes Brett, was da in der Politik gebohrt werden muss und auch vor allen Dingen in der Wirtschaft. Aber wir sind trotzdem dran. Und ja, es wird allerdings auch noch eine Weile dauern. Aber es soll ja in dieser Legislaturperiode vielleicht noch mal angepackt werden.
Matthias Klaus: Haben Sie beide, die Sie ja Erfahrung haben mit solchen Geräten und sich mit dem Thema beschäftigen und auch mit Menschen aus der Industrie sprechen, hätten Sie Beispiele, wo Sie sagen: "Hier läuft es wunderbar, da gibt es jemand, wenn man sich das zum Vorbild nähme, das wäre eine gangbare Möglichkeit"? So ganz konkret. Sie dürfen ruhig Namen nennen. Es ist ja doch immer schön, wenn man sagt: "Hier, die machen etwas richtig."
Silvia Hame: Ja, und es gibt schon große Hersteller, die auch in der Vergangenheit sehr darauf geachtet haben, barrierefrei zu sein und die das auch zwischendurch mal nicht waren und jetzt doch wieder werden möchten. Also weiß ich zum Beispiel Miele oder auch Bosch Siemens.
Luciano Butera: Also wir hatten auf dem Stand einen Backofen von Bosch Siemens. Die sind sehr bemüht, dass ihre Smart Home Verbindung funktioniert und barrierefrei ist. Auf dem Stand waren auch Mitarbeiter von Miele, die machen Ihre Home App, Ihre Smart Home App und arbeiten auch an der Barrierefreiheit. Das sind so die, von denen wir wissen, dass sie im Moment am aktivsten sind.
Silvia Hame: Wir hatten auch Kontakt zu einem kleinen Nischenhersteller, sage ich mal, der nur Kochfelder macht. Der war auch stark interessiert. Da muss man halt jetzt einfach abwarten, ob er auch in diese Richtung geht.
Matthias Klaus: Wenn man die Gesetze ändern würde, würde das helfen oder geht es mehr darum, den guten Willen hervorzulocken?
Luciano Butera: Natürlich würde es helfen, wenn es gesetzliche Vorgaben geben würde, ich glaube einfach nicht, dass wir so lange warten können und wollen, weil es sich wirklich zuspitzt. Die wenigen Geräte, die noch Knöpfe haben, die verschwinden. Und der Dialog mit den Herstellern ist einfach umso wichtiger, damit wir auch in Zukunft noch warm essen können.
Matthias Klaus: Frau Hame, wie sehen Sie das?
Silvia Hame: Ja, also eine gesetzliche Grundlage ist natürlich sehr hilfreich, aber ich sehe die jetzt nicht kurzfristig. Es wird eine Weile dauern, und dann gibt es garantiert auch noch lange Übergangsfristen für die Hersteller, um das auch umzusetzen. Und ich glaube, da kriegen wirklich einige Betroffene zwischendurch Hunger, weil sie den Herd nicht mehr bedienen können. Deswegen die Initiative halt auch auf die Hersteller zuzugehen, damit wir doch mehr als nur ein oder zwei Geräte zur Auswahl haben, wenn wir uns selber was kochen möchten.
Matthias Klaus: Das war schon fast "Echt behindert!" für heute. Ich habe gesprochen mit Luciano Butera aus der Schweiz und Silvia Hame aus Deutschland, beide Mitglieder der Initiative "Home Designed for All" von deutschen, schweizerischen und österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbänden. In den Shownotes werden wir weitere Informationen bereitstellen. Da gibt es zum Beispiel ein Erklärvideo und Links zur Webseite der Initiative.
Ich danke Ihnen beiden, dass Sie Zeit für uns hatten und uns dieses Problem, das wahrscheinlich viele Menschen gar nicht so auf dem Schirm haben, erklärt haben. Vielen Dank und ich wünsche Ihnen beiden einen schönen Tag.
Luciano Butera: Vielen Dank.
Silvia Hame: Ja. Auch von mir. Vielen Dank.
Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" für heute. Mein Name ist Matthias Klaus.
Sprecher: Mehr folgen unter dw.com/echtbehindert.
Hier geht es zum Video von "Home Designed For All".
Dieses Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit unter Nutzung einer Spracherkennungs-Software erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es erfüllt nicht unsere Ansprüche an ein vollständig redigiertes Interview. Wir danken für das Verständnis.