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Havarierter Öltanker vor Rügen wird gen Osten geschleppt

11. Januar 2025

Das Schiff mit fast 100.000 Tonnen Öl an Bord wird der sogenannten Schattenflotte Russlands zugerechnet. Schlepper sollen den Tanker nun vor die Küste bei Sassnitz ziehen.

Deutschland, Rügen | Manövrierunfähiger Öltanker "Eventin"
Die "Eventin" wurde 2006 gebaut und fährt unter der Flagge Panamas - mutmaßlich als Teil der russischen SchattenflotteBild: Havariekommando/dpa/picture alliance

In der Ostsee geht die Sicherung des havarierten Öltankers "Eventin" weiter. Das Schiff, das nach einem Stromausfall an Bord seit der Nacht zum Freitag manövrierunfähig ist, wird von drei leistungsstarken Schleppern Richtung Osten gezogen. Ziel ist es, den Tanker von seiner derzeitigen Position nördlich der Rügener Halbinsel Wittow zur Reede des Stadthafens von Sassnitz zu bringen, einem Ankerplatz rund vier Kilometer vor der Küste.

Dort werde der Schleppverband frühestens an diesem Sonntag erwartet, sagte eine Sprecherin des Havariekommandos, das die Gesamteinsatzleitung übernommen hat. Wegen norddrehender Winde und Böen bis Windstärke 9 hatte es Befürchtungen gegeben, die "Eventin", die fast 100.000 Tonnen Öl geladen hat, könnte nach Süden an Land gedrückt werden. Die Wellen erreichten am Samstagnachmittag fast vier Meter Höhe.

Per Seilwinde vom Hubschrauber abgesetzt

Ein speziell ausgebildetes Expertenteam war von einem Hubschrauber aus auf den Havaristen abgeseilt worden. Es sollte sicherstellen, dass die Last des Schiffes gleichmäßig auf die Schlepper verteilt wird. Am Freitagnachmittag, etliche Stunden nach dem Blackout an Bord des 274 Meter langen Öltankers, gelang es, diesen mit dem ersten Notfallschlepper zu verbinden, der ihn an seiner Position hielt.

Als sich das Wetter verschlechterte, wurden die beiden anderen Schlepper zur Verstärkung hinzugezogen. Außerdem verlegte das Havariekommando den Notschlepper "Baltic" aus der westlichen Ostsee in die Nähe von Darßer Ort. Dieses Schiff stünde dann schneller als Reserve bereit, sollte weitere Hilfe bei der "Eventin" benötigt werden.

Im Maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven bündeln seit 2007 das Havariekommando, die Bundespolizei und die Deutsche Marine mit weiteren Partnern ihre Arbeit (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa

Positionslichter wegen Stromausfalls erloschen

Außerdem ist ein Schiff der Bundespolizei herbeigeeilt sowie ein Schiff des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Ostsee, das auch die Verkehrssicherung übernimmt - wegen des Stromausfalls brennen an Bord des Tankers keine Positionslichter mehr. Eine Evakuierung der 24-köpfigen Besatzung ist nach bisherigen Angaben nicht notwendig. Ein Sensorflugzeug, das am Freitag das Gebiet überflog, konnte keine Hinweise auf Öl-Verschmutzung feststellen.

Die Umweltorganisation Greenpeace führt die "Eventin" auf ihrer Liste der sogenannten Schattenflotte Russlands. Das unter panamaischer Flagge fahrende, fast 19 Jahre alte Schiff wies demnach schon vor der Havarie technische Mängel auf, schaltete in der Vergangenheit zeitweilig sein automatisches Identifizierungssystem ab und übergab auf See Ladung an andere Tanker. Zudem sei es unzureichend gegen die Folgen einer Ölpest versichert, schreibt Greenpeace; im Fall der Fälle müsste der Steuerzahler die Kosten tragen.

Ölterminals im russischen Ostseehafen Ust Luga (Archivbild)Bild: Igor Russak/dpa/picture alliance

Die fast 200 gelisteten Schiffe, die bisher nicht sanktioniert sind, haben seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine immer wieder Öl aus Russland in andere Staaten transportiert. Die "Eventin" war vom russischen Ostseehafen Ust Luga nahe der Grenze zu Estland nach Port Said in Ägypten unterwegs. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warf Moskau vor, mit seiner Schattenflotte schwere Umweltschäden in Kauf zu nehmen und zugleich den Tourismus zu gefährden.

"Ruchloser Einsatz einer Flotte von rostigen Tankern"

Mit dem "ruchlosen Einsatz einer Flotte von rostigen Tankern" umgehe der russische Präsident Wladimir Putin nicht nur die wegen des Krieges verhängten Sanktionen gegen sein Land. Er nehme auch "billigend in Kauf, dass der Tourismus an der Ostsee zum Erliegen kommt - sei es im Baltikum, in Polen oder bei uns", sagte die Grünen-Politikerin. Ähnlich äußerte sich Greenpeace-Vertreter Thilo Maack. Das jüngste Sanktionspaket der EU sei zwar ein wichtiger Schritt, erklärte der Meeresbiologe. Es reiche aber längst nicht aus, um die Ostsee zu schützen, durch die täglich "schrottreife Tanker" von den russischen Ölhäfen aus Richtung Südwesten führen.

Mit 640 Tonnen Marinedieselöl an Bord geriet das Bunkerschiff "Annika" im Oktober vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns in Brand - das Feuerlöschboot "Albert Wegener" (rechts) bekämpfte die FlammenBild: DGzRS/dpa/picture alliance

Durch die Ostsee verläuft eine der am meisten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Nach Angaben des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) sind dort jeden Tag mehr als 2000 Schiffe unterwegs. Erst Mitte Oktober hatte es einen Zwischenfall mit einem Tanker vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns gegeben: Das kleine Bunkerschiff "Annika", das Richtung Lübeck unterwegs war, geriet mit 640 Tonnen Marinedieselöl als Ladung auf dem Meer in Brand. Das Feuer konnte gelöscht werden; Öl trat nicht aus.

Nothalt nach Maschinenschaden

Ende Juli hatte der mit knapp 100.000 Tonnen Rohöl beladene Tanker "Yannis P." auf dem Weg von Russland nach Indien etwa 20 Kilometer nördlich von Rügen einen Nothalt einlegen müssen. Grund war ein Maschinenschaden, der nicht mit Bordmitteln repariert werden konnte.

Der Chef des mecklenburg-vorpommerischen Tourismusverbandes, Tobias Woitendorf, sagte: "Die kurze Folge solcher Vorfälle zeigt, dass es sich nicht um eine latente, sondern um eine sehr reale Gefahr handelt, für das Ökosystem Ostsee, für unsere Strände und damit auch für den Tourismus." Bisher seien die Zwischenfälle recht glimpflich verlaufen. "Man will sich aber nicht ausmalen, welche Folgen ein massives Unglück hätte", sagte der Verbandschef.

jj/se (dpa, afp, havariekommando.de, greenpeace.de, ndr.de)

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