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Politik

Dankesrede aus der Gefängniszelle

Daniel Derya Bellut
9. Oktober 2017

Der türkische Jurist Murat Arslan konnte den Menschenrechtspreis des Europarates nicht persönlich entgegennehmen - denn er sitzt im Gefängnis. Die türkische Delegation kritisierte die Wahl des Preisträgers.

Murat Arslan, Menschenrechtspreis der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
Bild: picture-alliance/dpa/Medel

Mitten im Blitzlichtgewitter stehen nach der Verkündung des Vaclav-Havel-Preises für Menschenrechte nur der Zweit- und Drittplatzierte - der Jesuit Georg Sporschill und ein Vertreter der ungarischen NGO Hungarian Helsinki Committee. Die beiden ließen symbolisch eine Lücke frei. Dort hätte der türkische Menschenrechtler Murat Arslan stehen sollen - doch er sitzt seit 2016 in Untersuchungshaft in seinem Heimatland.

Nur seine Dankesrede, die er in der Gefängniszelle verfasst hatte, schaffte es bis nach Straßburg zur feierlichen Zeremonie in der Versammlung des Europarates, an der Vertreter aus mehr als 40 Nationen teilnahmen. Sie wurde von einer Bekannten vorgetragen: "Ich wende mich an euch aus einem Gefängnis. Ein Gefängnis in einem Land, wo das Recht ausgesetzt wurde, wo sich die Werte der Demokratie immer mehr auflösen, wo abtrünnige Stimmen erstickt werden (...), wo Journalisten und Menschenrechtler als Terroristen diskreditiert werden."

Der türkische Menschenrechtler Arslan war Vorsitzender der 2006 gegründeten Vereinigung für Richter und Staatsanwälte (YARSAV) in der Türkei. Er war vor dem Putschversuch im Juli 2016 ein wichtiger Beobachter des türkischen Verfassungsgerichts und setzte sich für die Unabhängigkeit der Justiz ein. Danach wurden der Vereinigung YARSAV enge Verbindungen zu der Gülen-Bewegung vorgeworfen. Die Bewegung um den in den USA lebenden islamischen Prediger Fetullah Gülen wird von der türkischen Führung für den gescheiterten Putschversuch verantwortlich gemacht. Die türkische Regierung hat die Juristenvereinigung umgehend verboten, Arslan wurde etwa drei Monate später festgenommen. Der Jurist leugnet jedoch jegliche Verbindung zum Putschversuch.

Simone Gaboriau, eine Bekannte von Murat Arslan, verlas die Dankesrede des Preisträgers in Straßburg Bild: DW/S. Bellut

"An alle, die man ins Gefängnis geworfen hat!"    

Arslans Rede ist kämpferisch. Seine Kollegen und er seien nun in einer Zelle eingesperrt - dies würde sie jedoch nur in ihrem Glauben an die Werte des Rechtsstaats und der Demokratie bestärken: "Ich würde den Preis gerne denjenigen widmen, die auf ähnlich ungerechte Weise ihren Beruf verloren haben und in ein Gefängnis geworfen wurden. Außerdem widme ich den Preis den Kämpfern, die sich für Menschenrechte und Freiheit einsetzen."    

Die türkische Delegation unter Leitung eines Abgeordneten der Regierungspartei AKP bezeichnete die Entscheidung als "inakzeptabel" und Ausdruck einer "völlig feindseligen Haltung gegenüber der Türkei und dem türkischen Volk", berichtet die Deutsche Presseagentur.

Der Preis soll Einzelpersonen oder Institutionen auszeichnen, die ein Zeichen für Menschenrechte gesetzt haben. Auf den zweiten und dritten Platz schaffte es der Österreicher Georg Sporschill, der vor allem in Rumänien Straßenkindern hilft, und das Hungarian Helsinki Committee. Die ungarische NGO setzt sich insbesondere für Asylbewerber, Staatenlose und Flüchtlinge ein, indem sie Rechtsberatung leistet.

Der mit 60.000 Euro dotierte Preis wird seit 2013 vom Europarat vergeben. Die Auszeichnung ist nach dem ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel benannt. Der 2011 verstorbene Staatsmann und Menschenrechtler war ein unermüdlicher Kritiker des kommunistischen Regimes in der früheren Tschechoslowakei und gilt als Symbol des Widerstandes gegen den Despotismus.  

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