Der jüngste Ausbruch passt nicht zu dem sonst eher ruhig vor sich hinbrodelnden Kilauea. Schuld ist wahrscheinlich die explosive Mischung von Magma und Wasser, schätzt Vulkanologe Thomas Walter.
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DW: Wie dramatisch und außergewöhnlich ist Ihrer Einschätzung nach die aktuelle Lage auf Hawaii?
Thomas Walter: Die jüngste explosive Eruption auf Hawaii war wirklich außergewöhnlich. Wir wissen erst seit einigen Jahren, dass auf Hawaii überhaupt explosive Eruptionen möglich sind.
Vulkanologen und Geologen beschreiben Hawaii eigentlich immer als Beispiel für effusive Vulkane. Das bedeutet, dass das Magma eher ruhig austritt. Jetzt haben wir eine ganz andere Art der Eruption. Grund dafür ist wahrscheinlich eine Wechselwirkung zwischen Magma und Wasser.
Was für eine Wechselwirkung ist das?
Sobald Wasser mit Magma in Kontakt kommt, verdampft es. Beim Übergang von flüssigem in gasförmigen Zustand des Wassers bei Atmosphärendruck nimmt das Volumen etwa um das Tausendfache zu. Aus einem Liter Wasser werden also 1000 Liter Wasserdampf.
Wenn dieser Wasserdampf nun in einem Krater oder einem Lavasee eingeschlossen ist, kommt es zu solchen explosiven Eruptionen, wie wir das auf Hawaii beobachten können. Allerdings ist das hier - wie gesagt - relativ selten.
Liegt es auch am Vulkan, dass es jetzt zu dieser außergewöhnlichen Eruption gekommen ist? Ist der Kilauea selbst auch außergewöhnlich?
Nein, eigentlich nicht. Kilauea ist seit 1983 permanent aktiv und befindet sich in einem kontinuierlichen Eruptionszyklus. Nicht ungewöhnlich waren die sogenannten Spalteneruptionen, die wir in den letzten Wochen gesehen haben.
Was man jetzt sehr schön beobachten konnte, ist, dass es eine hydraulische Kopplung zwischen Kilauea und diesen Spalten gibt. Immer wenn es zu einer Zunahme der Spalteneruptionen kommt, haben wir eine Absenkung des Lavapegels von Kilauea gemessen und umgekehrt.
Auch das ist nicht ungewöhnlich und wurde auch schon 2007 und 2011 beobachtet. Jetzt war der Spiegel des Lavasees allerdings so stark gesunken, dass Grundwasser einströmen konnte. Und das hat zur Explosion geführt.
DW: Worauf müssen sich die Hawaiianer noch gefasst machen?
Es ist leider sehr schwer zu sagen, was noch kommen wird. Es ist durchaus möglich, dass dieser Ausbruch noch länger andauern wird. Grundsätzlich ist man auf Hawaii eigentlich sehr gut vorbereitet. Die Menschen wissen, dass sie auf einem aktiven Vulkan leben und gebaut haben.
Außerdem sind sie sehr spirituell und glauben an die Vulkangöttin Pele, die es ihnen erlaubt, auf dem Vulkan zu leben und die sich von Zeit zu Zeit das Land wieder nimmt. Mein Eindruck ist, dass die Menschen sehr gefasst sind. Zwar hat der Ausbruch zu beträchtlichen Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur geführt, aber Menschen sind nicht verletzt worden.
Das Erdinnere auf Hawaii brodelt. Auf der größten Insel Big Island ist der Vulkan Kilauea ausgebrochen und hat Dutzende Gebäude und Straßen zerstört. Er gilt als einer der aktivsten Vulkane der Welt.
Bild: Getty Images/M. Tama
Brodelnder Gefahrenherd
Der Kilauea (auf deutsch "Der Spuckende") ist einer von fünf Vulkanen der Inselgruppe Hawaii im gleichnamigen US-Bundesstaat. Er liegt im Volcanoes-Nationalpark auf der größten Insel Big Island. Am Kilauea gibt es seit 1983 ununterbrochen Eruptionen. Seit dem 3. Mai ist er besonders aktiv und speit bis zu 9000 Meter hohe Aschewolken in die Luft.
Bild: picture alliance/AP Photo
Gefahrenzone
Der Nationalpark, in dem sich der Kilauea befindet, ist bereits seit dem 11. Mai vorsorglich geschlossen worden. Normalerweise können Besucher hier aus nächster Nähe das Geschehen des Vulkans beobachten. Der Kilauea erzeugt auch in weniger aktiven Zeiten so viel Lava, dass man damit eine etwa 32 km lange Straße mit neuem Belag versehen könnte. Straßenschilder warnen Menschen vor der Gefahrenzone.
Bild: Getty Images/M. Tama
Heiße Lava
Nach einer Serie von Eruptionen und Erdbeben seit Ende April hatten Lavaströme bereits Dutzende Gebäude zerstört. In einem Wohngebiet östlich des Vulkans waren viele Häuser betroffen. Die meisten Bewohner konnten frühzeitig gewarnt und in Notunterkünften untergebracht werden.
Bild: Getty Images/M. Tama
Die Erde gibt nach
Die hawaiianischen Schildvulkane haben nicht nur einen Schlot, aus dem Lava strömt. Sie erzeugen auch viele tiefe Risse und und Spalten in der Erde im Umkreis mehrerer Kilometer. Dadurch ist ein großes Gebiet um den eigentlichen Vulkankrater herum von Ausbrüchen betroffen. Geologen inspizieren die unbegehbaren Straßen.
Bild: Reuters/USGS
Atemnot
Die Anwohner wurden davor gewarnt, in die evakuierten Gebiete zurückzukehren. Aus den Erdspalten in der Umgebung des Kraters treten neben Asche und Lava auch heißer Dampf und Schwefelgase aus. Der Katastrophenschutz warnte vor Erstickungsgefahr. Behörden verteilten rund 2000 Schutzmasken gegen den giftigen Rauch.
Bild: Reuters/T. Sylvester
Zerstörung und Neuerschaffung
Die glühend heiße Lava erreicht entlegene Orte. Dadurch kam es an einigen Stellen auch zu flächendeckenden Waldbränden. Die verbrannte Erde ist äußerst fruchtbar und führt nach der Zerstörung zu neuen Landschaften. Seit 1994 hat die Lava auf der Insel ca. 200 ha neues Land geschaffen. Einige Einheimische schreiben die zum Teil heftigen Ausbrüche der Vulkane der Feuergöttin Pele zu.
Bild: picture-alliance/AP Photo/USGS
Steinerner Regen
Zusammen mit der Asche werden mitunter große Felsbrocken an die Erdoberfläche befördert. Wenn es zu einem großen Ausbruch kommt, können diese auch in entfernteren Orten auf Hawaii runter kommen und eine steinerne Gefahr für die rund 1,5 Millionen Hawaiianer werden.
Bild: Getty Images/M. Tama
Palmenparadies Hawaii
Vor wenigen Wochen war es noch idyllisch und ruhig auf der südlichsten Insel Hawaiis. Einheimische und Touristen erlebten in einer einzigartigen Nähe zur Natur den berühmten Aloha-Spirit. Momentan zeugen frische Lavafelder zwischen grünen Wiesenlandschaften von den jüngsten Vulkanausbrüchen auf Big Island.
Bild: Reuters/T. Sylvester
Alltag mit Vulkanen
Die ständige Gefahr wiegt nicht schwer genug, als dass sie die Lebensqualität der Inselbewohner beeinträchtigen könnte. Die Bewohner Hawaiis zeigen sich - wohl aus Erfahrung - unbeeindruckt. Obwohl der Kilauea nun schon seit 35 Jahren Lava ausspuckt, sind die Menschen relativ unbeschadet davongekommen. Das liegt daran, dass die Lavaströme gewöhnlich relativ langsam fließen.
Bild: Getty Images/M. Tama
Naturschauspiel
Zur letzten stärkeren Eruption kam es 1975. Damals verloren zwei Menschen ihr Leben. Bisher ist trotz der außergewöhnlichen Eruption niemand verletzt worden. Auch wenn die Behörden diesmal Alarmstufe Rot ausriefen, um vor "schwerwiegenden Situationen" zu warnen, beobachteten Interessierte das zugleich beeindruckende Naturspektakel in aller Ruhe.
Bild: Reuters/T. Sylvester
Selfie First
Während viele Menschen nicht mehr in ihre zerstören Häuser zurückkehren können, nutzen andere die in diesem Ausmaß seltene Naturgewalt, um in den Sozialen Netzwerken möglichst viele Klicks zu erzielen. Über die Zukunft der Vulkanausbrüche können Wissenschaftler nur Vermutungen äußern - der jetzige Ausbruch könnte viele Jahre andauern oder morgen schon vorbei sein.