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Heftige Attacken auf Regierung

17. März 2010

In einer hart geführten Generalaussprache hat die Opposition im Bundestag der Regierung Versagen vorgeworfen. "So schlecht", meinte SPD-Fraktionschef Steinmeier, "wurde Deutschland seit Jahrzehnten nicht regiert".

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle im Bundestag, Merkel hebt die linke Hand (Foto: AP)
Wer austeilt, muss auch einstecken können: Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister WesterwelleBild: AP
Scharfe Kritik von SPD-Fraktionschef Frank-Walter SteinmeierBild: picture alliance/dpa

Die Opposition im Bundestag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Regierungskoalition aus Union und FDP Untätigkeit und Planlosigkeit bescheinigt. "So schlecht wurde Deutschland seit Jahrzehnten nicht regiert", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch (17.03.2010) zu Beginn der Generaldebatte über den Haushalt 2010. Das angebliche schwarz-gelbe Wunschbündnis habe kein einziges überzeugendes Projekt, kritisierte Steinmeier. Von einer Liebesheirat zwischen Union und FDP könne keine Rede sein. "Sie stehen vor einer zerrütteten Ehe. Und jeder sieht das." Steinmeier rief Merkel auf: "Tun Sie endlich Ihre Pflicht: Bringen Sie Ordnung in den Laden."

Deutschland vor einer Herkulesaufgabe

Merkel nahm diese Tonlage in ihrer Rede demonstrativ nicht auf. Sie sagte: "Diese Regierung ist handlungsfähig." Die hohe Verschuldung sei notwendig, um aus der tiefen Krise wieder mit Wachstum herauszukommen. "Wir brauchen neues Denken, um diese Herausforderungen bewältigen zu können."

Deutschland steht nach Ansicht von Merkel vor einer Herkulesaufgabe. "Es wird nicht einfach", sagte sie. "In den nächsten Jahren steht dennoch vor uns eine riesige Aufgabe, ich sage eine Herkulesaufgabe, weil wir eigentlich Unvereinbares zusammenbringen müssen: Haushaltskonsolidierung, Wachstum schaffen." Merkel zog eine positive Bilanz der Krisenbekämpfung auch unter der großen Koalition. Der Bankensektor sei stabilisiert, der Wirtschaftseinbruch gedämpft worden.

"Rolle rückwärts"

319,5 Milliarden Euro soll der Bund bis Ende 2010 ausgeben dürfenBild: AP

Der SPD warf Bundeskanzlerin Merkel eine Umkehr in der Sozialpolitik vor. Mit ihren Vorschlägen zu Hartz IV betreibe die SPD eine "Rolle rückwärts". "Sie hätten dabei bleiben können, was sie immer gesagt haben", sagte Merkel an die Adresse der Sozialdemokraten. Sie hätten es versäumt, ihren Anhängern zu erklären, dass die Hartz-IV-Reformen auch für mehr Beschäftigung gesorgt haben. Die SPD-Spitze hatte sich auf ein neues Konzept verständigt, das auf mehr Leistungen für Beschäftigungslose beim Arbeitslosengeld I und bei Hartz IV hinausläuft.

Gysi ermuntert SPD zu Hartz-IV-Abkehr

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, forderte die SPD auf, sich noch schneller von ihrer früheren Regierungspolitik abzuwenden. Er begrüßte die Beschlüsse der SPD zur Reform der Hartz-IV-Gesetze und verlangte eine Rücknahme der Rente mit 67. Den Zustand der schwarz-gelben Koalition nannte Gysi in der Haushaltsdebatte "erbärmlich". "Deutschland ist inzwischen zum größten Niedriglohn- und Dumpinglohn-Sektor aller Industrieländer geworden", kritisierte er. Die von der Regierung geplante Gesundheitsreform bezeichnete Gysi als Fortsetzung einer Politik der Umverteilung von unten nach oben.

Homburger: Koalition handlungsfähig und entschlossen

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sieht die schwarz-gelbe Koalition trotz der schwelenden Streitigkeiten uneingeschränkt arbeitsfähig. Der Haushalt 2010 sei ein "Dokument der Handlungsfähigkeit und auch der Entschlossenheit der Koalition", sagte sie in der Generaldebatte. Die Beschlüsse der SPD zur Überarbeitung der Hartz-IV-Gesetze nannte Homburger eine "Generalrevision rot-grüner Arbeitsmarktpolitik", die "rückwärts in die Zukunft" führe. Vorhaltungen des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, FDP-Chef Guido Westerwelle handele oft verfassungswidrig, wies Homburger strikt zurück. Zu Steinmeier gewandt sagte sie: "Ich fordere Sie auf, zu sachlicher Auseinandersetzung zurückzukehren."

Künast: Ideenlosigkeit und Klientelpolitik

Die Bundeskanzlerin habe keine Antworten auf die zentralen Herausforderungen der Regierungspolitik, lautete der Vorwurf von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. "Der Sinn ihrer Kanzlerschaft ist unklar, es fehlen Ziel und Leitbilder", sagte Künast. Merkel habe es auch versäumt, sich zu der von Außenminister Guido Westerwelle angestoßenen "Sozialhetze-Debatte" zu äußern. "Auf dieser Regierung liegt ein dunkler Schatten, nämlich der von Ideenlosigkeit und von Klientelpolitik", sagte Künast.

Ausgaben in Höhe von 319,5 Milliarden Euro

Volles Haus bei der Generaldebatte im BundestagBild: picture alliance/dpa

Mit der Generaldebatte erreichten die viertägigen Schlussberatungen über den Haushalt 2010 ihren Höhepunkt. Die Haushaltswoche war am Dienstag mit der Debatte über die ersten Einzeletats eröffnet worden. Bis zum Freitag werden alle Etats der Ministerien durchleuchtet. Der Bund soll bis zum Jahresende 319,5 Milliarden Euro ausgeben dürfen. Das sind gut 16 Milliarden mehr als 2009. Gut ein Viertel des Budgets wird mit frischen Krediten bezahlt, die sich auf 80,2 Milliarden Euro summieren.

Autorin: Pia Gram (apn, dpa, rtr)
Redaktion: Martin Schrader

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