Heftige Gefechte auf dem Sinai
8. August 2012Ägyptens Militär hat den bewaffneten Extremisten auf der Halbinsel Sinai den Kampf angesagt. Kampfflugzeuge bombardierten die Verstecke der Militanten und töteten nach Angaben aus Sicherheitskreisen mehr als 30 von ihnen. Es war der erste Luftschlag, den die ägyptische Luftwaffe seit 1973 auf der Halbinsel geflogen ist. In einer im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung bezeichnete die Armeeführung den Einsatz als "vollen Erfolg". Der seit Dienstagabend geführte Einsatz werde fortgesetzt. Ziel sei es, "die Kontrolle zu gewährleisten und die Sicherheit wieder herzustellen, indem die bewaffneten terroristischen Elemente auf dem Sinai angegriffen und vertrieben werden".
Den Luftangriffen waren in der Nacht zuvor neue bewaffnete Attacken der Extremisten auf insgesamt fünf Militär- und Polizeikontrollpunkte nahe der Grenze zu Israel und zum palästinensischen Gazastreifen vorausgegangen. Dabei waren mehrere Sicherheitsbeamte verletzt worden.
Spekulationen über Extremisten
Es handelt sich um den schwerwiegendsten bewaffneten Konflikt in Ägypten seit dem Sturz des langjährigen Präsidenten Husni Mubarak im Februar 2011. Im Inneren und im Norden des Sinai herrscht ein Sicherheitsvakuum, das sich seit dem Mubarak-Sturz noch verstärkte. Über Herkunft und Zugehörigkeit der sogenannten Dschihadisten wird in Ägypten spekuliert. Das Militär machte dazu bislang nur Andeutungen. Demnach soll ein Teil von ihnen durch Schmugglertunnels aus dem Gazastreifen gekommen sein. Ägyptische Experten sehen aber vor allem neue einheimische, radikal-islamistische Strömungen am Werk.
Seit dem Jom-Kippur-Krieg muss das ägyptische Militär Aktivitäten der Luftwaffe in der Region mit Israel abstimmen. Gemäß dem israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 ist auf der Sinai-Halbinsel kaum ägyptisches Militär stationiert. Von dem Angriff der ägyptischen Armee betroffen war das Gebiet Scheich Suwajed nahe dem Übergang Rafah an der Grenze zum Gazastreifen.
Israel: Ägypten schafft endlich Ordnung
Am Sonntag waren 16 ägyptische Soldaten an der Grenze zu Israel und dem Gazastreifen getötet worden, als vermummte Attentäter dort Grenzposten angriffen. Der Vorfall hatte das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Ägypten und Israel weiter belastet. Umso deutlicher begrüßte Israel das die ägyptische Offensive: Damit schaffe die Armee Ordnung auf dem Sinai, wie es ihre Pflicht sei.
Ägyptens Staatschef Mohammed Mursi den Geheimdienstchef Murad Muwafi. Auch der Gouverneur der Provinz Nord-Sinai sowie der Chef der Militärpolizei wurden entlassen.
Zuvor hatte Muwafi in einer seiner seltenen öffentlichen Stellungnahme noch beteuert, dass sein Dienst vor einem drohenden Angriff gewarnt habe. Angaben über den Angriffsort habe es zwar nicht gegeben, die vorliegenden Informationen seien aber an die "zuständigen Stellen" weitergeleitet worden. Er habe jedoch nicht geglaubt, dass Muslime andere Muslime während des Fastenbrechens am Abend angreifen könnten, räumte Muwafi ein.
USA sichern Ägypten Unterstützung zu
Die USA kündigten unterdessen eine engere Zusammenarbeit mit Kairo bei der Terrorabwehr an. In einem Telefonat mit dem ägyptischen Ministerpräsidenten Hescham Kandil sicherte Außenministerin Hillary Clinton die Unterstützung der USA bei der Verbesserung der Sicherheitslage zu. Gewaltsamer Extremismus stelle eine Gefahr für Ägypten, seine Nachbarn und auch für Amerikaner dar, sagte Außenamtssprecher Patrick Ventrell. Die USA seien der Sicherheit Israels verpflichtet.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief Israel und Ägypten zu Zurückhaltung auf. Er sei in "großer Sorge" über die jüngsten Angriffe und sehe ein "erhebliches Eskalationsrisiko". Westerwelle appellierte deshalb an alle Seiten, entschieden gegen den Terror vorzugehen, aber auch umsichtig zu bleiben.
GD/rb (dpa, dapd, afp)