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Politik

Krach nach Kramp-Karrenbauers Kritik

28. Mai 2019

Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit? Die CDU-Chefin will über Meinungs-Regeln im Internet sprechen. Ein Shitstorm bricht danach über sie herein.

Deutschland | PK Annegret Kramp-Karrenbauer | Europawahlen 2019
Bild: Getty Images/S. Gallup

Eigentlich wirkte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer an dem Montag nach der Europa-Wahl bei der Pressekonferenz ihrer Partei in Berlin wie immer in den letzten Wochen: kühl und sachlich, durchaus bereit, Fehler einzugestehen nach den herben Stimmenverlusten. Aber dann kam dieser Satz, der zeigte, wie angespannt die Nerven auch bei der Frau sind, die die konservative Partei in Deutschland seit Herbst letzten Jahres anführt. Da wurde sie noch einmal auf das Video des Youtubers Rezo ("Zerstörung der CDU"), angesprochen, das in der Woche vor der Wahl für so viel Wirbel gesorgt hatte - und über zehn Millionen mal geklickt wurde.

Gibt es "Regeln" bei der Meinungsäußerung?

Offen hatte der Youtube-Star darin dazu aufgerufen, die CDU wegen ihres Versagens beim Klimaschutz und bei der Digitalisierung nicht zu wählen. Reichlich dünnhäutig erwiderte die CDU-Chefin nun: "Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD?" Das wäre "klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen". Es stelle sich die Frage, "was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?"

Machte die CDU nervös: Youtuber RezoBild: picture-alliance/dpa/Privat

SPD: "Das ist absurd!"

Hat die CDU-Chefin damit dazu aufgerufen, die sozialen Medien, Youtube, das Internet zu zensieren? Auf Twitter brach ein Shitstorm gegen die CDU-Vorsitzende los. Und auch in der Politik. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil etwa sagte: "Das ist doch absurd. Niemand würde sich aufregen, wenn ein Schauspieler oder ein Sportler eine Wahlempfehlung abgibt. Wenn Frau Kramp-Karrenbauer jetzt ernsthaft plant, irgendwie gesetzlich gegen Youtuber vorzugehen, wird das mit meiner Partei ganz sicher nicht zu machen sein. FDP-Chef Lindner twitterte, Kramp-Karrenbauer erwäge offenbar die Regulierung von Meinungsäußerungen vor Wahlen: "Das kann ich kaum glauben. Wir brauchen im Gegenteil mehr offene Debatten, auch in Sozialen Medien."

Sogar in den eigenen Reihen erntete die CDU-Vorsitzende Widerspruch. So sagte Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Armin Laschet auf dem "Global Media-Forum der DW in Bonn: "Ob uns das gefällt, was ein You-Tuber sagt oder nicht, das ist Meinungsfreiheit." Und im Interview mit DW-Chefredakteurin Ines Pohl ergänzte er später noch: "das ist nicht Journalismus, das ist Meinungsäußerung. Und Meinungsäußerung kennt keine Regulierung."

Medienexperten: "Ein Gesetz nur für Influencer wäre verfassungswidrig!"

Das sehen auch Medien-und Rechtsexperten so. So sagte Simon Assion, Rechtsanwalt und Spezialist für Medienrecht, der DW: "Ein Gesetz, das Influencern verbieten würde, eine bestimmte politische Meinung zu äußern wäre definitiv verfassungswidrig. In erster Linie wird die Freiheit von Youtubern oder Influencern, politische Positionen zu vertreten durch deren Meinungsfreiheit geschützt." Die Trennung, die Kramp-Karrenbauer suggeriere zwischen analog und digital gebe es rechtlich nicht. "Es ist rechtlich gesehen egal, ob man eine Äußerung auf einem Marktplatz verbreitet oder ob man das im Internet tut."

Schwere Vorwürfe auch von der Klimabewegung

Schon vor der Europawahl hatte die CDU so ihre Probleme mit den sozialen Medien. Erst beschloss die Parteiführung, mit einem eigenen Video auf die heftige Kritik des Youtubers Rezo zu antworten, aber dann wurde die Idee verworfen und der Internet-Star zur CDU eingeladen. Und auch mit der jungen Klimabewegung "Fridays-for-Future" geriet die Union öfters aneinander. Ausgerechnet Laschet,  der sich jetzt für den Youtuber Rezo stark macht, hatte geäußert, seine Partei müsse besser darin werden, jungen Menschen zu erklären, warum es beim Klimaschutz nicht schneller vorangehen könne.

Das brachte jetzt noch einmal die deutsche "Fridays-for-Future"-Aktivistin Luisa Neubauer auf den Plan. "Wir sehen, dass es an allen Ecken und Enden am politischen Willen mangelt in erster Linie." Den Vorwurf, jugendlich ungeduldig zu sein, wies sie zurück. "Wir richten uns hier absolut nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen", hob sie hervor.

Die Klima-Aktivistinnen Luisa Neubauer (2. vl.) und Greta Thunberg (3. vl.) auf einer Demo in BerlinBild: Reuters/F. Bensch

Merkel: "Müssen besser werden!"

Immer breiter wird der Graben zwischen jungen, netzaffinen Menschen und den alten Volksparteien CDU, CSU und SPD. Bei Menschen unter 30 Jahren waren bei der Europawahl die Grünen mit Abstand die stärkste Partei. Ihre Themen Klimaschutz und Digitalisierung waren von den Regierungsparteien wenig thematisiert worden. Und auch in Stil und Wahl des Mediums liegen Welten zwischen den jungen Menschen und den Parteien.

Zu all dem Streit schwieg eine Person bisher weitgehend: Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einem Interview, das der Sender CNN am Dienstag ausstrahlt, sagte Merkel nun, die Grünen hätten wegen des Themas Klimaschutz so gut bei der Wahl abgeschnitten. Für die CDU sei das "natürlich dann auch Aufforderung, noch bessere Antworten auf diese Fragen zu finden und vor allen Dingen zu sagen, dass wir uns den Zielen, die wir uns selbst gesetzt haben, auch verpflichtet fühlen." Aber genau diese Klimaziele, 40 Prozent an Klimagasen bis 2020 einzusparen, verfehlt Deutschland gerade.

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