Heikle Beziehungspflege von Irak und Iran
24. Juli 2020Seit zwei Monaten ist er im Amt. Anfang dieser Woche ist Mustafa Al-Kadhimi zu einem Besuch nach Teheran gereist. Als "Wendepunkt" in den Beziehungen zwischen beiden Staaten bezeichnete der iranische Staatspräsident Hassan Rohani den Besuch. "Wir sind weiterhin bereit, an der Seite der irakischen Nation zu stehen und uns für Stabilität im Irak und der gesamten Nation einzusetzen", erklärte Rohani.
Al-Khadimi erwiderte die Solidaritätsbekundung. "Irak wird nicht zulassen, dass von irgendeiner Seite eine Gefahr für den Iran ausgeht", erklärte er. Gemünzt waren diese Worte vor allem auf die Tötung des Kommandeurs der iranischen Al-Kuds-Brigaden, Kassem Soleimani, im Januar dieses Jahres durch eine amerikanische Drohne. Am vergangenen Wochenende war der iranische Außenminister Dschawad Sarif nach Bagdad gereist. Dort begab er sich auch an jenen Ort, an dem Soleimani starb.
So hatte die Orchestrierung der beiden Besuche eine deutliche Botschaft: Zum einen signalisierte die iranische Führung, dass sie die Tötung Soleimanis nicht vergessen hat. Zum anderen machte Kadhimi deutlich, dass der Irak derartige Aktionen der USA künftig nach Möglichkeit unterbinden wolle.
Chamenei: "Die USA sind ein Feind"
Allerdings ist der irakische Regierungschef von den USA auch abhängig. Trotz des fortgesetzten Truppenabzug der Amerikaner halten diese ihre Hand über die Regierung Kadhimis, der in Washington als umgänglicher und vernünftiger Gesprächspartner gilt.
Der geistliche Führer Irans, Ali Chamenei, erinnerte seinen Gast noch einmal daran, dass Soleimani auf irakischem Territorium gestorben war. "(Die Amerikaner) haben Ihre Gäste bei Ihnen zu Hause getötet. Anschließend haben sie das Verbrechen offen gestanden."
Zwar versichert Chamenei, er wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Irak einmischen. Zugleich aber forderte er Kadhimi auf, einen im Januar beschlossenen Gesetzentwurf umzusetzen, der auf der Ausweisung amerikanischer Streitkräfte aus dem Irak besteht. "Die USA sind ein Feind", erklärte Chamenei weiter. "Sie unterstützen keinen unabhängigen, mächtigen Irak".
Widerstand gegen Irans Einfluss im Irak
Viel dürfte aus iranischer Sicht davon abhängen, wie sich das Verhältnis zwischen dem Irak und den USA in den kommenden Monaten entwickeln wird. Möglichkeiten, auf das politische und öffentliche Leben im Nachbarland Einfluss zu nehmen, hat der Iran. So unterstützt er mehrere schiitische Milizengruppen, wie etwa die Kataib Hisbollah und die Badr-Organisation. Insbesondere die Badr-Gruppe ist enorm einflussreich.
"Damit sichert sich der Iran weitreichenden militärischen und politischen Einfluss, der verhindern soll, dass der Nachbarstaat je wieder zu einer militärischen Bedrohung für das eigene Land werden könnte", schreibt Nahost-Expertin Azadeh Zamirida von der der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Zugleich trägt Teheran durch die Schaffung von eigenen Strukturen im Nachbarland unweigerlich dazu bei, eine Stabilisierung des Iraks zu behindern."
In jüngster Zeit wandten sich immer mehr Iraker gegen diese Einflussnahme. Während der Proteste im vergangenen Herbst forderten sie die konfessionelle und politische Einheit ihres Landes - ein Signal an den Iran, sich aus den irakischen Belangen herauszuhalten. Mit Unbehagen beobachten viele Iraker den außenpolitischen Kurs der Regierung in Teheran, wie er sich etwa im Machtkampf mit Saudi-Arabien zeigt. Der Jemen ist ihnen ein warnendes Beispiel, wie leicht ein dritter Staat zur Bühne des Machtkampfs zwischen zwei ausländischen Akteuren werden kann, mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung.
Teherans neue Freunde im Irak
Diese Position hat sich zunehmend auch Muktada Al-Sadr, einer der einflussreichsten schiitischen Führer im Irak, zu eigen gemacht. Zwar kontrolliert Sadr indirekt über die von seiner Bewegung entsandten Abgeordneten rund 50 Sitze in der Nationalversammlung. Doch seitdem er sich zu nationalistischen Positionen bekannte, schwindet sein Einfluss unter Teilen seiner Anhängerschaft. Während seines Besuchs in Bagdad vergangenen Woche verzichtete Außenminister Mohammad Dschawad Sarif dementsprechend auf ein Treffen mit Al-Sadr.
Wenn der Iran seine politischen Positionen im Irak zum Ausdruck bringen wolle, nutze er mittlerweile an eine andere, radikalere Gruppe, heißt es in einer Analyse des Polit-Magazins Arab Weekly, nämlich die Al-Fateh-Allianz. "Sowohl hinsichtlich der Zukunft der US-Streitkräfte im Irak wie der anhaltenden Eskalation gegen Saudi-Arabien entspricht deren harte Rhetorik den Vorstellungen Chameneis und der Islamischen Revolutionsgarden", heißt es in Arab Weekly.
Pilger und Handel
In der Auseinandersetzung mit den USA spielt der Irak aus iranischer Sicht noch eine weitere Rolle: Er könnte dabei helfen, die US-Sanktionen zu umgehen. Im Jahr 2019 hat Iran der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zufolge Güter im Wert von knapp neun Milliarden US-Dollar in den Irak exportiert. Beide Länder planten nun, diesen Betrag auf bis zu 20 Milliarden Dollar auszuweiten.
Auch sollen wieder mehr irakische Pilger in den Iran reisen. Deren Zahl war im Zuge der Corona-Pandemie massiv zurückgegangen - ein herber Verlust für den Iran, der Informationen des katarischen Nachrichtensenders Al-Dschasira zufolge jährlich rund fünf Milliarden US-Dollar an den Pilgern verdient.