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Politik

Heikle Mission: Schröder trifft offenbar Putin in Moskau

10. März 2022

Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich bislang geweigert, sich von seinem Freund, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zu distanzieren. Nun soll er nach Moskau geflogen sein. Um zu vermitteln?

Bildkombo | Wladimir Putin und Gerhard Schröder
Bild: Mikhail Klimentyev/Christoph Hardt/picture alliance

Es ist nur ein paar Tage her, da schrieb Soyeon Schröder-Kim, die Ehefrau von Altkanzler Gerhard Schröder, auf Instagram: "Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen."

Nun soll Gerhard Schröder, der von 1998 bis 2005 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland war und seit mehr als zwei Jahrzehnten ein enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin hat, auf eigene Faust nach Moskau geflogen sein. Das berichtete zunächst das Nachrichtenportal "Politico", am Donnerstagabend postete Schröder-Kim ein Foto, das sie - in der Pose einer Betenden mit geschlossenen Augen - in einem Zimmer mit Blick auf die Basilius-Kathedrale in Moskau zeigt. Weder die Bundesregierung noch die SPD seien informiert gewesen, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil, aber: "Alles, was hilft, den Krieg zu stoppen, ist gut".

"Fehler auf beiden Seiten"

Schröders überraschende Reise ist eine weitere Wendung in der zuletzt tragischen Geschichte um den Altkanzler. Seit 14 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Zwei Wochen, in denen sich der Sozialdemokrat Schröder weigerte, sich von Putin zu distanzieren und seine lukrativen Aufsichtsratsposten in der russischen Gasindustrie aufzugeben. 

Nur einmal meldete sich der Altkanzler zu Wort. Zwei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine forderte Schröder Russland in einem Post auf einer Internetplattform auf, den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Der 77-Jährige vermied es aber, Putin verantwortlich zu machen. Stattdessen schrieb er von "vielen Fehlern", die "auf beiden Seiten" gemacht worden seien. Also auch auf Seiten der Ukraine.

Schröder verdient viel Geld in Russland

Statt harter Sanktionen gegen Russland forderte Schröder, die "verbliebenen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen, die zwischen Europa und Russland bestehen, nicht gänzlich zu kappen". Sanktionen hatte er auch schon nach der Annexion der Krim abgelehnt, die er Anfang 2021 in einem Interview allerdings völkerrechtswidrig genannt hatte.

Altkanzler Gerhard Schröder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Gazprom-Chef Alexej Miller (links) 2009Bild: A. Nikolsky/AFP/Getty Images

Gerhard Schröder hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er in Russland gut und gerne Geld verdient. Unmittelbar nach der verlorenen Bundestagswahl 2005 wechselte er von der Politik ins russische Gasgeschäft. Er ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft und Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG, die die beiden parallel verlaufenden Gas-Pipelines, die Russland und Deutschland über die Ostsee verbinden, baute und der sie gehören. Das Projekt Nord Stream fädelte Schröder zusammen mit Putin ein, während er noch Kanzler war.

Instrumentalisiert Putin Schröder?

Rund drei Wochen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde Gerhard Schröder auch noch für den Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Gazprom nominiert. Der Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), vermutete Kalkül des Kremls hinter der Nominierung Schröders. Sie sei "als Schachzug Russlands zu sehen, die deutsche Regierung in ihrer Haltung zum Stopp von Nord Stream 2 als potenzielles Sanktionsmittel zu spalten und somit Deutschland insgesamt zu diskreditieren".

2004 vor einem Theaterbesuch in HannoverBild: H. Hollemann/dpa/picture alliance

War es der Dank für die Aussicht auf einen weiteren Aufsichtsratsposten, dass Schröder der Ukraine "Säbelrasseln" vorwarf, weil aus Kiew im Westen um Waffenlieferungen gebeten wurde? Mitte Februar, als Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gesprächen bei Putin in Moskau war, lobte der russische Präsident Schröder als "anständigen Menschen", dessen Nominierung für den Gazprom-Aufsichtsrat er unterstütze. Die Arbeit eines solchen "unabhängigen Experten" werde der Zusammenarbeit mit Deutschland nur nutzen.

Putin, der "lupenreine Demokrat"

Schröder und Putin - diese Männerfreundschaft überdauert seit mehr als zwei Jahrzehnten. Sie entwickelte sich, als Schröder noch Bundeskanzler war und vertiefte sich trotz der über die Jahre wachsenden Kritik am Kreml-Herrscher. 2012, als Putin sich erneut zum russischen Präsidenten wählen ließ und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf erhebliche Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen verwies, verteidigte der Altkanzler seinen Freund als "lupenreinen Demokraten". Zwei Jahre später feierte Gerhard Schröder seinen 70. Geburtstag mit Putin in Moskau. 

Gerhard Schröder und Wladimir Putin 2018 in MoskauBild: A. Druzhinin/TASS/dpa/picture-alliance

In der SPD gibt es viele, die der Freundschaft zwischen Schröder und Putin seit Jahren skeptisch gegenüberstehen. Eine Skepsis, die in den letzten Wochen wachsendem Entsetzen gewichen ist. Viele seiner alten Weggefährten haben versucht, Einfluss auf den Altkanzler zu nehmen. Ohne Erfolg. 

"Handle und sage klare Worte"

Unter Druck steht vor allem der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Er hat seine politische Karriere einst als Mitarbeiter in Schröders Wahlkreisbüro in Hannover begonnen, aus der Zusammenarbeit entstand eine persönliche Freundschaft. Der Altkanzler war auch Gast auf Klingbeils Hochzeit im August 2019. Doch selbst Klingbeil dringt nicht mehr zu Schröder durch. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine schrieb Klingbeil in einem Social-Media-Post: "Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte. Als Bundeskanzler a.D. handelt man nie komplett privat. Schon gar nicht in einer Situation wie der jetzigen." Doch Schröder reagierte nicht.

Auch nicht, als Anfang März die beiden SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken zusammen mit acht ehemaligen SPD-Chefs einen unmissverständlichen Brief verfassten. "Handle und sage klare Worte", schrieben die Genossen, die Schröder ultimativ aufforderten, sich in einer öffentlichen Erklärung "unmissverständlich auch gegen das kriegerische Handeln von Präsident Putin" zu stellen. "Der Blick vieler Menschen richtet sich auf Dich. Und Du entscheidest in diesen Tagen selbst, lieber Gerhard, ob Du auch zukünftig ein geachteter Sozialdemokrat bleiben willst." 

Unverhohlene Drohung

Ein Bruch zwischen Schröder und der SPD schien zuletzt nur noch eine Frage der Zeit. "Die Uhr tickt", soll SPD-Chef Klingbeil in einer Sitzung seiner Bundestagsfraktion gesagt haben. Immer mehr einfache SPD-Mitglieder fordern seit Tagen unverhohlen einen Parteiausschluss, einige Ortsverbände haben bereits entsprechende Anträge gestellt. 

Auch Unternehmen, für die der frühere Bundeskanzler seit Jahren als Berater tätig war, in deren Aufsichtsräten oder Vorständen der Jurist und SPD-Politiker Schröder saß, wenden sich von ihm ab. Beispielsweise das große Schweizer Medienunternehmen Rignier. Umgekehrt legte Schröder sein Aufsichtsratsamt beim deutschen Maschinenbauer Herrenknecht nieder, nachdem sich die Unternehmensführung gegen Putins Angriffskrieg positioniert und für Wirtschaftssanktionen ausgesprochen hatte.

Mitarbeiter bitten um Versetzung

Offiziell wird in vielen Fällen darauf verzichtet, Gründe für die Trennung zu nennen. Der Berliner Projektentwickler Gröner hingegen wird deutlich: "Die Mandatierungen von Herrn Schröder durch russische und mit dem russischen Staat verbundene Unternehmen, deren geschäftliche Aktivitäten umfänglich zur Finanzierung des russischen Staates beziehungsweise dessen militärischer Aktionen beitragen, stehen einer weiteren Zusammenarbeit mit Herrn Schröder entgegen", heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.

Protest in Berlin gegen den Krieg in der UkraineBild: JOHN MACDOUGALL/AFP

Auch im direkten Umfeld von Schröder ist es leerer geworden. Sein ehemaliger Regierungssprecher Béla Anda stoppte den Podcast "Die Agenda", den er mit dem Altkanzler produzierte. Sein Bundestagsbüro, das Gerhard Schröder wie allen ehemaligen Bundeskanzlern nebst Personal, Dienstwagen und Personenschutz zusteht, verliert alle Mitarbeiter. Sie haben darum gebeten, auf andere Posten im Parlamentsbetrieb versetzt zu werden - selbst Schröders langjähriger Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk, der auf 20 Jahre Zusammenarbeit mit Schröder zurückblickt.

Die Universität Göttingen überlegt, Schröder die Ehrendoktorwürde zu entziehen. Der Deutsche Fußball-Verband und der Bundesligist Borussia Dortmund haben dem fußballbegeisterten Altkanzler die Ehrenmitgliedschaft entzogen.

Direkter Draht in den Kreml?

Ob Schröder auf Kreml-Chef Putin wirklich Einfluss nehmen kann, lässt sich schwer abschätzen. Bereits vorige Woche hatte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, Schröder als Vermittler vorgeschlagen. "Er ist einer der wenigen hier in Deutschland, die womöglich noch einen direkten Draht zu Herrn Putin haben. Es gibt keinen, der so etwas hat in Deutschland und den anderen europäischen Ländern", sagte Melnyk der Bild-Zeitung. Von den tatsächlich Reiseplänen des Altkanzlers wisse er nichts, sagte Melnyk am Donnerstag. "Ich kann mir schwer vorstellen, dass meine Regierung Schröder darum gebeten hat."

Dieser Artikel wurde am 03. März erstmals veröffentlicht. Am 09. März, 10. März und zuletzt am 11. März wurde er aktualisiert.

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