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Politik

Heikle Partnerschaften mit China

21. Dezember 2019

Dutzende deutsche Kommunen unterhalten Partnerschaften mit chinesischen Städten. Angesichts einer immer schwieriger werdenden Menschenrechtslage stellt sich die Frage, was das für den Austausch bedeutet

Chinafest in Köln auf dem Roncalli Platz
Das Chinafest im September 2019 direkt am Kölner DomBild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

An einem Wochenende im September stand der Kölner Dom direkt auf der Grenze zu China: Auf dem benachbarten Roncalliplatz waren chinesische Pavillons und Pagodenzelte aufgebaut, darüber schwebten Papierdrachen, von der Bühne sang ein Kinderchor auf Mandarin. Den Besuchern des "Chinafests" boten sich all die faszinierenden Facetten des Reichs der Mitte. Aber auf der Domplatte ein paar Schritte weiter merkte man, dass man unmöglich in China sein konnte: Dort hatte die örtliche Sektion von Amnesty International einen Stand aufgebaut, der sich kritisch mit der Situation der Menschenrechte in China auseinandersetzte.

In der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong demonstrieren große Teile der Bevölkerung seit einem halben Jahr gegen stärkere Kontrolle aus Peking und die fortschreitende Beschneidung demokratischer Grundrechte. Und nicht erst seit einer großen Recherche vor wenigen Wochen ist die massenhafte Unterdrückung gegen die Minderheit der Uiguren ein großes Thema. Gerade erst zog sich der 1. FC Köln aus einem Millionen schweren Ausbildungsvertrag mit China zurück - im selben Zusammenhang sprach FC-Funktionär Stefan Müller-Römer im "Kölner Stadtanzeiger" jedoch auch von einem "totalen Überwachungsstaat" und einer "totalen Diktatur", die Menschenrechte würden "in massiver Form missachtet". Wenn selbst ein gewinnorientierter Sportclub so denkt - kann dann eine Stadt noch guten Gewissens ein heiteres "Chinafest" feiern und eine Städtepartnerschaft aufrecht erhalten, so wie Köln mit Peking?

Spielräume für Dialog

Die Stadt Köln teilt auf DW-Anfrage mit, durch eine Partnerschaft eröffneten sich "Spielräume, die es ergänzend zur staatlichen Außenpolitik eigenständig zu nutzen gilt". Die Stadt nutze Gespräche über konkrete kommunale Aufgaben "selbstverständlich", um Werte der Bürger- und Menschenrechte anzusprechen. "Das Chinafest sollte keine Plattform für politische Diskussionen sein", die veranstaltende KölnBusiness GmbH habe sich jedoch mit Kritikern wie Amnesty International abgestimmt.

So oder so ähnlich klingen viele der rund ein Dutzend Antworten, die die Deutsche Welle auf Anfrage an Kommunen mit chinesischen Partnerstädten erhalten hat. Viele der Städte betonen die niedrigschwelligen Möglichkeiten, einen Dialog auf persönlicher Ebene aufrecht zu erhalten - gerade, wenn es auf höherer politischer Ebene kritische Themen gibt. Düsseldorf nennt das "Diplomatie von unten". Die Stadt Aachen bescheinigt dem Dialog mit Bürgern von Ningbo ein "politisch nicht zu unterschätzendes Element mit zumindest mäßigem, gelegentlich auch erstaunlich aufklärerischem Potenzial". Und aus Essen heißt es, der Austausch und Freundschaften mit Menschen aus Changzhou müsse "gerade dann" aufrechterhalten werden, "wenn die politische Großwetterlage nicht immer nur Positives hergibt. Dieses Engagement wird auf beiden Seiten dann umso mehr geschätzt.​"

Duisburg begann 1982 die erste Städtepartnerschaft mit Wuhan - 2014 eröffnete Chinas Staatschef Xi Jinping (m.) dort den Endbahnhof der "Neuen Seidenstraße"Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Die meisten Städtepartnerschaften, so die Rückmeldungen aus den Rathäusern, erstrecken sich vor allem auf die Themenbereiche Kultur und Bildung, wirtschaftliche Interessen werden seltener betont - unter anderem von der Hansestadt Hamburg, die sich zur Partnerstadt Shanghai als "Tore zur Welt" ihrer jeweiligen Länder verbunden sieht. Die meisten chinesischen Partnerstädte hat die VW-Stadt Wolfsburg: mit Dalian, Jiading, Nanhai und Changchun, in denen der Autokonzern Werke unterhält. Insgesamt enthält die Onlinedatenbank des Rats der Gemeinden und Regionen Europas 88 deutsch-chinesische Partnerschaften, andere Quellen gehen noch darüber hinaus.

Frisch gebackene Partnerstädte

Die womöglich jüngste Partnerschaft besteht zwischen der niedersächsischen 25.000-Einwohner-Stadt Rinteln und Tongnan, einer Vorstadt der Millionenmetropole Chongqing mit mehreren Hunderttausend Einwohnern. Als in diesem Juni der Stadtrat die Partnerschaft in einer Abstimmung formell besiegeln sollte, war das mehr als eine Formsache: Verschiedene Ratsmitglieder von SPD und Grünen argumentierten gegen das Bündnis, unter anderem wegen menschenrechtlicher Bedenken. In einer knappen Entscheidung stimmte der Stadtrat schließlich zu.

Ralf Kirstan, FDP-Politiker und Initiator der Partnerschaft, spricht im DW-Interview von einer teilweise "verzerrten" westlichen Sicht auf die Menschenrechtslage in China. "Wenn ich einem chinesischen Partner gleich zu Anfang sage, was aus westlicher Sicht falsch läuft und die Leviten lese, dann habe ich vielleicht etwas für mein eigenes Ego und meine Interessengruppe getan." In der Sache habe man aber nichts erreicht, weil der chinesische Partner "seine Ohren verschließt" und sich an der Situation im Land nichts ändere. Um sinnvoll in Dialog zu treten, müsse man einander auf Augenhöhe begegnen.

Immerhin ein Stadtratsmitglied, das gegen die Partnerschaft gestimmt hatte, scheint dazu bereit: Kirstan berichtet von einem SPD-Abgeordneten, der auf ihn zugekommen sei, weil er sich nun "einbringen" und "China kennen lernen" wolle.

Hongkongs Nachbarstadt Shenzhen hat Privilegien für den Export und wächst rasant: schon 20 Millionen Menschen leben dortBild: picture-alliance/Construction Photography/X. Liu

Rote Linien

Besonders viele Partnerschaften zwischen Städten beider Länder wurden in den 2000er-Jahren abgeschlossen. Auffällig ist, dass fast alle chinesischen Provinzen vertreten sind, nicht aber Tibet und Xinjiang, in denen jeweils Minderheiten leben, die besonders strikt unterdrückt werden. Allerdings besteht eine Partnerschaft mit der schnell wachsenden südlichen Industriemetropole Shenzhen, die nicht nur Produktionsstandort für Tech-Produkte wie das iPhone ist, sondern auch Standort vieler Soldaten der Volksbefreiungsarmee, die wohl nicht zufällig in der Nachbarstadt Hongkongs zuletzt große Übungen abhielten. Viele Aktivisten befürchten schon lange, dass ihre Demonstrationen eines Tages so blutig enden könnten wie die der Studentenbewegung 1989 auf dem Pekinger Tian'anmen-Platz.

"Wenn militärische Aktivitäten von dort ausgingen, dann könnte sich unser Partner nicht herausreden", sagt Norbert Schürgers. Er leitet das Amt für Internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg, die gemeinsam mit ihren fränkischen Nachbarstädten und -kreisen eine Partnerschaft mit Shenzhen unterhält. "Da würden wir sicherlich sagen 'bis hierher und nicht weiter'." Allerdings glaube er nicht, dass es dazu komme.

Wie weit kann Kritik gehen?

Außenpolitikern macht die neue Rolle, die China mit wachsendem Selbstbewusstsein in der Welt einfordert, zunehmend Sorgen - die NATO hat die Volksrepublik gerade erst zur "Bedrohung" erklärt. So manche Städtepartnerschaft kühlt in diesen Zeiten deutlich ab, wie die zwischen Oldenburg und Xi'an, wo zwar die Partnerschaft 2017 weiter formalisiert wurde, jedoch laut einem Sprecher "seit 2015 deutlich weniger offizielle Besuche" erfolgt sind - nur 2016 und 2019 war eine Delegation samt Oberbürgermeister vor Ort.

In Trier gab es in der Stadt und im Rathaus Diskussionen um die von China gestiftete Karl-Marx-Statue - der Freundschaft zu Xiamen habe das nicht geschadet, sagt die StadtBild: picture-alliance/Photoshot/S. Yuqi

Die Freundschaft Stuttgarts mit Nanjing ist laut städtischer Pressestelle "seit 2012 nicht mehr wirklich aktiv" - allerdings erhält das Rathaus einmal jährlich "missbilligende Anrufe von der chinesischen Botschaft oder des Generalkonsulats", nämlich am 10. März, wenn Stuttgart die Tibet-Fahne hisst. Auch ein Besuch des Dalai Lama in Nürnberg hat laut Amtsleiter Norbert Schürgens eine "Abkühlung der Beziehungen" mit der Partnerstadt Shenzhen ausgelöst. Das habe sich aber wieder normalisiert, und mit Fingerspitzengefühl könne man durchaus auch gegensätzliche Positionen klarmachen: "Ich glaube, das muss eine Beziehung aushalten", sagt Schürgens der DW. Er bemüht einen Grundsatz der Ostpolitik aus Zeiten Willy Brandts: "Wandel durch Annäherung".

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