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Politik

Heiko Maas: "Ich habe mich geschämt!"

16. Oktober 2018

Am Tag des Länderspiels zwischen Deutschland und Frankreich hat der deutsche Außenminister Maas dem Franzosen Daniel Nivel das Bundesverdienstkreuz überreicht - er fand klare Worte gegen Rechtspopulismus.

Frankreich Bundesaußenminister Maas überreicht das Bundesverdienstkreuz an Daniel Nivel
Bild: picture-alliance/dpa/photothek.net/X. Heinl

"Liebe Familie Nivel, liebe Lorette, lieber Daniel", Bundesaußenminister Heiko Maas hält an diesem Dienstag in Paris eine sehr persönliche Rede. Er ist in Frankreichs Hauptstadt gereist, um Daniel Nivel das Bundesverdienstkreuz zu überreichen. Einem Mann, dem man es nicht übel nehmen könnte, wenn er mit Zorn auf die Deutschen schauen würde. Das tut er aber nicht. Vor 20 Jahren, im Sommer 1998, während der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich war der damalige französische Polizist von deutschen Hooligans in der Stadt Lens angegriffen und fast zu Tode geprügelt worden. Seitdem ist er schwerstbehindert, aber er setzt sich ein für Brücken zwischen beiden Ländern. Die Daniel-Nivel-Stiftung kümmert sich heute um Projekte für die Gewaltfreiheit unter Fußball-Fans.

"Angewidert und entsetzt"

Maas erinnert an das, was die meisten Deutschen damals angesichts der schrecklichen Bilder aus Frankreich dachten, den Bildern des blutüberströmt auf dem Boden liegenden Polizisten: "So angewidert und entsetzt waren wir über den kaltblütigen, barbarischen Angriff deutscher Hooligans auf Sie, lieber Herr Nivel. Und ich sage ganz offen: Ich habe mich geschämt!" Vier Täter wurden später in Deutschland zu Haftstrafen von bis zu zehn Jahren verurteilt, auch das erwähnt Maas, aber er fügt auch hinzu: "Die Täter haben ihre Strafen längst verbüßt. Sie kamen frei. Es wurde Recht gesprochen. Wiedergutmachung aber kann es nicht geben. Ihre Freiheit wurde Ihnen an jenem Tag im Juni 1998 genommen."

Lens, im Sommer 1998: Daniel Nivel wird von deutschen Hooligans attackiert. Unter den Folgen leidet er noch heuteBild: AP

"Erst sind es Worte, dann folgen Taten!"

Und dann stellt Maas die Bezüge her, die sich aufdrängen bei diesem Thema. Lens erwähnt er, die Stadt, die in beiden Weltkriegen von deutschen Soldaten besetzt war, und in der 1998 die deutschen Hooligans "Wir sind wieder einmarschiert" brüllten, bevor sie auf Nivel einschlugen. Der habe später dennoch die Kraft gefunden, zur Versöhnung aufzurufen. Und das sei heute wichtiger denn je: "In vielen Teilen der Welt drohen populistische und rechtsradikale Parolen wieder salonfähig zu werden. Wir sehen das in Deutschland, wir sehen das in Frankreich, wir sehen das in ganz Europa. Erst sind es Worte, dann folgen Taten."

Respekt für Polizisten

Unerträglich, sagt Maas, sei es, wenn immer unverschämter Gewalt auf den Straßen ausgeübt werde - die dann zumeist die Polizisten zu ertragen hätten: "Polizistinnen und Polizisten sind eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft. Sie verrichten in Tag- und Nachtschicht einen schweren und zum Teil gefährlichen Job, damit wir in Freiheit leben können. Sie verdienen unseren höchsten Respekt, unsere Wertschätzung und unsere Anerkennung."

Ein Hoffnungszeichen aus Berlin

Gegen den in Deutschland zunehmenden Rechtsradikalismus, gegen Gewalt und Hass auf Minderheiten, gingen am vergangenen Samstag in Berlin hunderttausende Menschen auf die Straße, viel mehr als erwartet. Für Maas ein ermutigendes Zeichen: "Dass es auf unseren Straßen auch ganz anders aussehen kann, bunt, vielfältig, friedlich, haben am vergangenen Wochenende eine Viertel Million Menschen in Berlin gezeigt. Sie haben ein Zeichen gegen Rassismus und Abschottung gesetzt, für Toleranz und Weltoffenheit. Zum Glück ist dies immer noch die Mehrheit, die so denkt."

"Pass auf dich auf!"

Am Ende wird Maas dann noch einmal sehr persönlich. Daniel Nivel wird seit 20 Jahren von seiner Frau Lorette gepflegt. Maas wendet sich direkt an sie: "Pass auf dich auf! Mit diesen Worten verabschiedeten Sie Daniel am Morgen des 21. Juni 1998. Nun tun auch Sie das. 24 Stunden am Tag, seit über 20 Jahren. Dafür verdienen Sie unsere Anerkennung, davor habe ich größten Respekt!"

Daniel Nivel ist heute stets Gast, wenn die DFB-Auswahl in Frankreich spielt. Der Deutsche Fußball-Bund lud den schwerverletzten Mann auch 2006 zur Weltmeisterschaft nach Deutschland ein, wo er das Spiel Deutschland gegen Polen in Dortmund verfolgte.

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